Samstag, April 26, 2008

Hurricane

Rubin "Hurricane" Carter (* 6. Mai 1937 in Clifton, New Jersey) war Mittelgewichtsboxer von 1961 bis 1966. Ab 1966 war er wegen Mordes inhaftiert und wurde 1985 freigelassen. Seine Schuld oder Unschuld ist allerdings bis heute umstritten.

Weltweit bekannt wurde sein Fall, als sich Stars wie Bob Dylan seiner annahmen, für ein gerechtes Verfahren und seine Freilassung kämpften.


Carters Boxkarriere endete 1966, als er und sein Freund John Artis des Mordes an drei Weißen von den Geschworenen in New Jersey - kein Farbiger war unter ihnen - und aufgrund fragwürdiger Zeugenaussagen zweier Krimineller, für schuldig befunden und für dreimal lebenslänglich ins Gefängnis geschickt wurden. Nach zahlreichen Gerichtsverfahren und einem erneuten Schuldspruch in einem zweiten Prozess 1976 folgte jedoch 1985 der Freispruch, nachdem das Bundesgericht festgestellt hatte, dass „grobe Verfahrensverstöße“ vorlagen und die Staatsanwaltschaft daraufhin die Anklage fallen ließ (John Artis wurde schon einige Jahre früher auf Bewährung entlassen). Der Fall ging damit als Justizskandal in die US-amerikanische Rechtsgeschichte ein. Zuvor hatten sich berühmte Größen wie zum Beispiel Bob Dylan, der 1975 für ihn den Song „Hurricane“ schrieb, oder auch Muhammad Ali für Rubin Carter eingesetzt. Der Song „Hurricane“ erschien erstmals auf Dylans Album Desire und eröffnete das Album.

Rubin Carter lebt heute in Toronto und leitete dort langjährig die „Association in Defense of the Wrongfully Convicted“, die sich für zu Unrecht Verurteilte einsetzt. 1993 wurde ihm als erstem Boxer außerhalb des Rings vom World Boxing Council der Weltmeisterschaftsgürtel verliehen.

Große Aufmerksamkeit erregte auch die 1999 gedrehte Verfilmung der Geschichte Carters (Hurricane) mit Denzel Washington in der Hauptrolle, der für seine hochgelobte Darstellung den Golden Globe sowie den Silbernen Bären der Internationalen Filmfestspiele in Berlin zugesprochen bekam. Bei einigen Kritikern ist die Wahrheitstreue der Verfilmung allerdings umstritten. Insbesondere die Familie des ermittelnden Polizeibeamten legt Wert auf die Feststellung, dass dieser in keiner Weise dem Filmpolizisten entsprach. Ein im Film dargestellter Boxer (Joey Giardello) verklagte die Filmgesellschaft erfolgreich auf Schadenersatz.

Donnerstag, April 24, 2008

Darfur: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus


Vor ein paar Wochen saß der so genannte UN-Menschenrechtsrat wieder einmal in trauter Runde beisammen, um mit üppigen Spesengeldern über den Völkermord in Darfur zu palavern und die dort dringend benötigte Zeit für geschundene Menschen zu verschwenden.
Das macht er meistens dann, wenn es (vorübergehend) nicht allzu viel über Israel zu lästern gibt und auch sonst die Schlagzeilen aus Zimbabwe, Sri Lanka, China oder Kenia seiner Meinung nach nicht genügend Stoff hergeben. Mittlerweile hat sich da ja Einiges geändert und noch verschlimmert; siehe hier, hier, hier und dort. Zur Kenntnis genommen hat man es bisher jedenfalls nicht besonders. Machen Sie sich bei den Kommentaren der jeweiligen Landesvertreter (weiter unten, unter dem Video) selbst ein Bild über die Qualität des so genannten Menschenrechtsrates, dem die USA und Israel aus gutem Grund nicht beigetreten sind. Deutschland leider schon...


Gestern berichteten etliche Medien, dass in Darfur weit mehr Menschen ermordet wurden als bisher angenommen - nämlich etwa 300.000 statt der bisher angenommenen 200.000.

Das ist schon entsetzlich genug -; und wenn man den empörten Einwand der sudanesischen Regierung, es wären „nur“ 10.000 Menschen umgekommen, als diminuierende Geste „akzeptieren“ oder diskutieren will, muss man schon ziemlich hart gesotten sein oder einen Stein statt eines Herzens in der Brust haben.

Ich will dieses verlogene Opfergeschacher der sudanesischen Regierung und des willfährigen UN-Gremiums in einen knappen, aber bedeutsamen Kontext stellen, der die Verlogenheit des Menschenrechtsrates aufzeigt:

Im israelisch-palästinensischen Konflikt sind innerhalb der letzten 60 Jahre knapp 9.000 Menschen umgekommen. Die Zahl ist tragisch genug, aber sie zeigt auch, wie heuchlerisch die Zahlenakrobatik vieler NGO’s, Friedensaktivisten und Heuchler in den westeuropäischen Parlamenten und Medien daher kommt.

Hillel Neuer von UN Watch kämpft im UN-Menschenrechtsrat, in dem sich die Vertreter von Diktaturen aller Welt und Verharmlosern aus der EU die Klinke in die Hand geben, einen verzweifelnden Kampf gegen Windmühlenflügel. Deshalb braucht er jede nur denkbare Unterstützung, die ihm und UN Watch zuteil werden kann. Wenn Menschen echte Empathie haben, dann werden sie diese in irgendeiner Form auch zeigen und in die Tat umsetzen, und wenn sie nur darin besteht, dass sie das grauenhafte Leiden in Darfur wahrnehmen und darüber nachdenken.

Im Beitrag unten wird - leider wieder einmal - eine Anhörung zu „Darfur“ thematisiert werden müssen. UN Watch war so freundlich, mir zu erlauben, die Transkription von Ausschnitten einer mehr als beschämenden Sitzung des UN-Menschenrechtsrates auf Castollux zu übersetzen, einzustellen und zu veröffentlichen.

Herzlichen Dank hierfür an Hillel Neuer.

Hier der Link zum Original

Dem Beitrag ist ein Video beigestellt. Ich möchte Sie aber bitten, nicht nur das Video, sondern auch die Übersetzungen und Antworten/Stellungnahmen der Vertreter der beteiligten Nationen darunter anzusehen bzw. zu lesen und zu vervielfältigen, weil auch ein Bewohner des Sudan zu Wort kommt.

Es lohnt sich - allerdings nur in trauriger Hinsicht.

Darfur-Überlebender spricht im Namen von UN Watch vor dem Menschenrechtsrat

Vielen Dank, Herr Präsident

Ich spreche im Namen von UN Watch. Wir danken der Sonderberichterstatterin für ihre ausgezeichnete Arbeit zugunsten der Opfer von Darfur.

Herr Präsident, ich komme aus Darfur, und ich weiß, was dort wirklich geschieht.

Die Wahrheit kann im heutigen Bericht nachgelesen werden. Der Bericht zeigt, wie die sudanesische Regierung die Menschenrechte und das internationale humanitäres Gesetz verletzt - mit Anschlägen auf Leib und Leben, Entführungen und Vergewaltigungen.

Im Oktober griffen Regierungstruppen den Ort Muhajiriya an. Die zum Gebet in der Moschee versammelten Menschen wurden zusammengetrieben; 48 davon getötet. Im November bombardierten Flugzuge der Regierung die Gegend um Habilah. Die Angreifer drangen in die Dörfer ein, schossen um sich, raubten das Vieh und steckten die Häuser in Brand. Am 2. Dezember überfielen Bewaffnete eine Gruppe von 10 Frauen und Mädchen. Ein 16 Jahre altes Mädchen wurde von mehreren Männern vergewaltigt und mindestens drei weitere Frauen wurden ausgepeitscht und mit Äxten schwer verletzt. Polizei und Soldaten sahen nur zu.

Der heutige Bericht besagt, dass die Gewalt gegen Frauen in Darfur anhält. Die Lage hat sich nicht gebessert. Es gibt kein Justizwesen und die Peiniger genießen Immunität.

Herr Präsident,

im Namen der elementaren Menschenrechte fordert UN Watch den Sudan auf, die Angriffe gegen unschuldige Zivilisten einzustellen. UN Watch bittet dieses Gremium, damit aufzuhören, den Sudan für seinen „Kooperation“ zu loben. Herr Präsident, Angriffe auf kleine Mädchen sind keine „Kooperation“.

Wir möchten die Sonderberichterstatterin fragen: Welche weiteren Schritte gedenkt sie zu unternehmen, um die Opfer in Darfur zu schützen?

Danke, Herr Präsident

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Jetzt das Lob für die „Kooperation“ des Sudan:

• „Es ist uns eine Ehre, im Namen der arabischen Gruppe zu sprechen, und unser Land betrachtet das Zustandekommen einer friedlichen Lösung im Süden des Sudan so, dass es zur Stabilisierung der Situation geführt hat: Der Sudan setzte sich für die Umsetzung ein und hat Schritte unternommen, um zu einer friedlichen Lösung zu gelangen“. Palästinensischer Vertreter im Auftrag der Arabischen Gruppe, 17. März 2008

• „Unsere Abordnung schätzt auch die Zusammenarbeit des Sudan mit der ehemaligen Menschenrechtskommission und mit dem Menschenrechtsrat. Der Sudan hat daher alle Resolutionen der Kommission und des Rates erfüllt. Katar, 17. März 2008

• „Die afrikanische Gruppe gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass diese Sitzung des Rates den Geist der fortwährenden Zusammenarbeit wiedergibt, der dort bezüglich des Sudan geherrscht hat…” Ägypten im Namen der Afrikanischen Gemeinschaft, 17. März 2008

• „Wir glauben, dass dies die Bereitschaft der Regierung des Sudan widerspiegelt, und seine Verpflichtung, mit dem Rat für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte zusammenzuarbeiten. Ägypten im Namen der Afrikanischen Gemeinschaft, 17. März 2008

• „Die afrikanische Gruppe spricht der Regierung des Sudan ihre Anerkennung aus für die Anstrengungen, die sie bisher unternommen hat, um Friedensverhandlungen durchzusetzen. Ägypten im Namen der Afrikanischen Gemeinschaft, 17. März 2008

• „Tatsächlich hat die Regierung des Sudan immer die Traditionen der Kooperation und Offenheit gepflegt, sowohl im Umgang mit der UN als auch mit Afrika.“ Vertreter der Afrikanischen Union, 17. März 2008

• „Wir übermitteln der Regierung des Sudan unseren Dank für die Zusammenarbeit, die sie intensiviert hat….“ Kenia, 17. März 2008

• „die Anstrengungen des Sudan sind bemerkenswert und müssen unterstützt werden“. Pakistan, 17. März 2008

• „Der Sudan hat in vollem Maße mit der ehemaligen Menschenrechtskommission und dem gegenwärtigen Menschenrechtsrat zusammengearbeitet, aufgrund der Tatsache, dass der Rat und die Kommission dies bekräftigt haben“. Palästinensische Vertreter im Auftrag der Arabischen Gruppe, 17. März 2008

• „Wir anerkennen die fortdauernden Bemühungen der sudanesischen Regierung, die Hindernisse zur Implementierung aller nationalen, regionalen und internationalen Vereinbarungen zu beseitigen“. Pakistan, 17. März 2008

• „Die Regierung des Sudan wird auch internationale Unterstützung und Begünstigung benötigen, die ohne politische Vorausleistung gewährt werden muss.“ Pakistan, 17. März 2008

• „Das Sudan hat immer mit dem Menschenrechtsrat zusammengearbeitet, um die Resolutionen umzusetzen. Herr Präsident, wir begrüßen die Zusammenarbeit des Sudan mit dem Rat…“. Syrien, 17. März 2008

• „Die sudanesische Regierung arbeitet mit allen internationalen und regionalen Initiativen ohne Einschränkung zusammen, um die Krise zu beenden…“ Vertreter der Liga Arabischer Staaten, 17. März 2008

• „Malaysia begrüßt den Fortschritt, der durch die Regierung des Sudan in den Bereichen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsstaatlichkeit erreicht wurde…“ Malaysia, 17. März 2008

• „Wir loben die positiven Schritte, die jetzt und in der Vergangenheit unternommen worden sind und weiterhin von der Regierung unternommen werden, sich um die Lage in Darfur zu kümmern…“ Saudi-Arabien am 17. März, 2008

• „Die Schilderung der Sonderberichterstatterin reflektiert die Zusammenarbeit der sudanesischen Regierung und den Fortschritt, der zur Verbesserung der Lage in der Region geführt hat - durch die Anstrengung der Regierung des Sudan, alle Hürden zu entfernen, die der Ausführung der Regelungen der regionalen und internationalen Abkommen im Wege stehen.“ Saudi-Arabien, 17. März 2008

• „Wir anerkennen auch die Entscheidung der sudanesischen Regierung, die komplexe Situation in Darfur anzugehen und zu lösen. Kuba heißt die unübersehbare Kooperation der sudanesischen Behörden mit dem Rat und dessen Entscheidungen willkommen“. Kuba, 17. März 2008

• „Dank der beträchtlichen Anstrengungen seitens der UN, der Afrikanischen Union, der sudanesischen Regierung und anderer beteiligter Parteien haben wir positive Entwicklungen festgestellt, was die Suche nach einer Lösung der Darfur-Frage betrifft. China, 17. März 2008

• „Wir sind zuversichtlich, dass die Regierung des Sudan ihre Zusammenarbeit mit dem Rat und dem Büro des Hochkommissars für Menschenrechte fortsetzen wird.“ Indonesien, 17. März 2008

• „Der Sudan hat ohne Einschränkung mit den UN-Friedenstruppen kooperiert. Dies hat den guten Willen gezeigt, der hinter der Entscheidung der sudanesischen Regierung steht, Frieden und Sicherheit wiederherzustellen“. Vereinigte Arabische Emirate, 17. März 2008

• „Die sudanesische Regierung hat ihre Entschlossenheit gezeigt, positiv auf befriedigende Lösungen hinzuarbeiten…“ Jordanien, 17. März 2008

• „Es erfüllt uns mit Genugtuung, den hohen Grad an Kooperation zwischen der sudanesischen Regierung und der Sonderbeauftragten festzustellen, sowie die Bereitschaft der Regierung, den Dialog voranzutreiben…“ Russische Föderation, 17. März 2008

• „Die Delegation meines Landes lobt die Bemühungen der sudanesischen Regierung, die Menschenrechtslage zu verbessern ..” Bahrain, 17 März, 2008

• „Die Regierung des Sudan leistet positive Zusammenarbeit…“ Bahrain, 17. März 2008

• „Wir würdigen die Kooperation der Regierung des Sudan, die Arbeit der Sonderbeauftragten zu unterstützen und sich eng an alle Bestimmungen zu halten“. Jemen, 17. März 2008

• „Wir fühlen uns besonders ermutigt durch die Offenheit und den kooperativen Geist, mit dem die Regierung des Sudan die Sonderbeauftragte empfangen hat und ihre Mission unterstützte…“ Djibouti, 17. März 2008

• „Die Delegation weist auch auf die Kooperation hin, die der Sonderbeauftragten durch die Regierung des Sudan zukam, was den Versuch widerspiegelt, die komplizierte Situation zu entwirren und einer Lösung zuzuführen“. Simbabwe, 17. März 2008

• „Die EU wird sich der Übereinstimmung zu dieser Beschlussfassung anschließen und möchte der Regierung des Sudan, ihrem Botschafter und der afrikanischen Gruppe unseren Dank aussprechen für ihr konstruktives Engagement während dieser Verhandlungen.“ Slowenien für die Europäische Union, 27. März 2008

• „Wir begrüßen besonders die Kooperationsbereitschaft, die von der Regierung des Sudan der Sonderbeauftragten wie auch den Darfur-Experten gegenüber gezeigt wird. Wir schätzen auch die Bereitschaft der sudanesischen Regierung, sich weiterhin zusammen mit der Internationalen Gemeinschaft zu engagieren“. Pakistan für die Islamische Gruppe, 27. März 2008

• „Für die Verbesserung der Menschenrechtslage in Darfur und die von der Regierung unternommenen Schritte hat die Regierung des Sudan Anerkennung erhalten…“ Sudan, 27. März 2008

Sonntag, April 20, 2008

Warum nicht gleich Olympische Spiele im Iran?


Und wieso Boykott nichts bringt

Für den Fall, das Sie den Nachrichten in den vergangenen zwei Wochen nicht allzu viel Beachtung geschenkt haben sollten - einige Leute haben ein Problem mit den Olympischen Sommerspielen 2008 und reden die ganze Zeit über ihr Symbol - die olympische Flamme. Am 25. März begann der Fackellauf - vom olympischen Geburtsort Athen aus (Ist übrigens historisch nicht so ganz richtig - wegen der propagandistischen Ausschlachtung durch die Nationalsozialisten seit 1936) - bis zum Bestimmungsort Peking. Von Anfang an wurde der Lauf von Demonstranten begleitet, die einen Boykott Chinas wegen seiner Menschenrechtsverletzungen forderten. Sie prangern die Politik Chinas in Tibet an und die Unterstützung des sudanesischen Regimes, das in Darfur Völkermord begeht.

Ich finde sportliche Großereignisse wie olympische Sommerspiele fantastisch. Als Sportfan genieße ich es, wenn rund um die Uhr große Sportereignisse zu sehen sind. Es begeistert mich auch, zu sehen, wie konzentriert Sportler bei großen Wettbewerben auftreten und unglaublich viel Trainingsfleiß und Schnelligkeit zeigen, was Normalsterbliche nicht leisten können. Alles also Athleten, die einen Großteil ihrer Jugend - und nicht nur vier Jahre (meistens schon von Kindheit an) - diesem Ziel untergeordnet haben. Und als Anhänger der Olympischen Spiele und ihrer Traditionen sah ich es nie gerne, wenn die olympische Fackel Ziel von Protestaktionen war. Ich bleibe dabei: Sport taugt nicht für politische Zwecke. Jeder, der mir das jetzt nicht glaubt oder verständnislos den Kopf schüttelt, sollte alle Spiele der Neuzeit „durchgoogeln“, und er wird keine (!) Spiele finden, die nicht von irgendwelchen politischen Protesten begleitet waren oder irgendetwas bewirkt oder verhindert hätten. Politische Instrumentalisierung von Sportveranstaltungen ist schlicht lächerlich - auch wenn es in manchen Ohren „unmenschlich“ nachhallt. Allenfalls kann man mit symbolischen Gesten wie gefärbten Bademänteln, Tattoos oder anderen intelligenten Aktionen andeuten, für oder gegen was man steht; und selbst dann ist das jeweilige NOK (Nationales Olympisches Komitee) dahinter wie der Hund hinter der Salami.

Das soll aber nicht heißen, dass ich ohne Wenn und Aber dem Motto „Panem et circenses“ anhänge und die politische Begleitmusik außer Acht lasse. Sonst würde ich dies hier nicht schreiben. Denn als leidenschaftlicher Verfechter der Menschenrechte und jemand, der Völkermord anprangert, kann auch ich nicht verstehen, warum die Olympischen Spiele überhaupt nach Peking vergeben wurden.

Selbst jetzt fanden die Demonstrationen kein Ende, als die Leute vom IOC (Internationales Olympisches Komitee) sich besprochen hatten, um die Löschung der Fackel in jedem Kaff, an dem sie vorbeigetragen wurde, zu unterbinden. Entweder wurden die Routen gewechselt und geheim gehalten, oder manche Orte wurden aus dem Läuferprogramm gestrichen. Fackelträger, die das Privileg erhalten hatten, die Flamme eine Teilstrecke zu tragen, wurden gegen andere ausgetauscht oder gaben selbst auf, weil sie um ihre körperliche Unversehrtheit fürchteten - trotz des Cordons stetig präsenter chinesischer Sicherheitsleute, die seit Beginn der Aktion bei jeder Etappe nebenhertraben. Und so ging das weiter wie zuletzt in Bangkok, als man für den Schutz der Fackel so viele Polizisten aufbieten musste wie bei keiner Etappe zuvor.

Die Proteste und das Chaos rund um die Fackel entzündeten sich jedoch am heftigsten in London und Paris. In London wurde die Fackel kurzfristig von einem Aktivisten geklaut - in Paris beflaggten Protestler öffentlichkeitswirksam den Eiffelturm. Bevor die Fackel ihren einzigen Bestimmungsort in Nordamerika (San Francisco) erreicht hatte, erklommen Demonstranten die Golden Gate Bridge, um ihre Botschaft gigantisch zu plakatieren. Warum gibt es kein Google Earth in Echtzeit? Bei allem Protest, der noch dazu von der Heimlichtuerei der Stadtverantwortlichen und der (berechtigten) Angst um die Sicherheit der Läufer begleitet wurde, war es für die sensationshungrigen Leute entlang der Strecke nicht leicht, auch nur einen Schein der Flamme zu erhaschen.

Wer hat eigentlich entschieden, dass Peking der passende Austragungsort für die Olympischen Sommerspiele sei? Und warum wollte das IOC den politisch so negativ auftretenden Kandidaten ein derart imposantes internationales Ereignis ausrichten lassen? Ein Blick in die Archive hilft: 2001 hatte Peking den kanadischen Mitbewerber Toronto mit 56 zu 34 Stimmen rausgekegelt. Und - stellen Sie sich vor - sehr viele IOC-Abgeordnete hatten ein Riesenproblem mit einer Vergabe nach China. Fast sieben Jahre nach der Entscheidung haben sich die Beziehungen zum Olympia-Gastgeber China nicht verbessert; und das ist noch sehr diplomatisch umschrieben. Wegen der Romanze Chinas mit dem Sudan und seiner indirekten Beteiligung beim Völkermord in Darfur hat sich weltweit Feindseligkeit angestaut. Zudem warfen die Menschenrechtsfragen, Tibet betreffend, schon 2001 heikle Fragen auf. Auch sieht es nicht danach aus, als ob diese Probleme heute in irgendeiner Form gelöst worden wären.

Sollte China ausgerechnet damals, geschweige denn heute, seine massiven Menschenrechtsverletzungen überdenken und das Morden in Darfur stoppen, wenn es den Olympia-Zuschlag bekommen konnte und darin eine Goldmine für seine Ökonomie sah? Ganz sicher nicht! Es wäre schon sehr naiv, das Gegenteil anzunehmen. Wer sich damals beim IOC der Illusion hingab, mit dieser Entscheidung China auf dem Weg zur Demokratie das Stöckchen zum Drüberspringen niedriger zu halten, lag komplett daneben. Und wenn irgendjemand denkt, dass China im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit die Defizite beseitigen wird, die bisher dafür sorgten, dass man in der internationalen Kritik stand, dann fällt er von der Tischkante.

Betrachtet man die Thematik Menschenrechtssituation in China schon (!) zum Zeitpunkt der Nominierung durch das IOC im Jahr 2001, dann lässt einen das darüber sinnieren, wie dieses Gremium tickt. Vielleicht sollten die nächsten Spiele im Iran stattfinden. Eigentlich eine logische Schlussfolgerung.

Die Mehrheit der Demonstranten forderte die Weltgemeinschaft auf, die Spiele zu boykottieren. Was ist dabei herausgekommen? 204 Mitgliedstaaten des IOC (eigentlich fast alle Nationen auf unserem Globus) haben ihre feste Zusage für eine Teilnahme gegeben. Knieschuss! Der Ansatz der Demonstranten ist nicht schlüssig und ich kann damit überhaupt nichts anfangen - auch aus moralischen Gründen nicht, weil Boykottmaßnahmen die Situation nicht verbessern, sondern die Abschottung eines Landes wie China erst recht forcieren. Dann werden die Informationen aus dem Reich der Mitte bzw. Tibet noch spärlicher fließen und es wird noch weniger Gewissheit darüber geben, was wirklich passiert, von der schwindenden Einflussnahme ganz abgesehen.

Athleten, denen wegen des Boykotts 1980 in Moskau die Teilnahme verwehrt war, sind noch heute verbittert, weil sie sich (zu Recht) um die Früchte ihrer Trainingsleistungen und Entbehrungen betrogen sehen. Und man trainiert nicht so nebenher 4 Jahre von einer Olympiade zur nächsten, sondern muss die Grundlagen schon in der frühesten Jugend legen. Das Beispiel „Moskau“ lässt sich trefflich mit jenem vergleichen, das vier Jahre später bei den Spielen in Los Angeles zu sehen war - nur unter umgekehrten Vorzeichen: Die UDSSR und ihre Satellitenstaaten „rächten“ sich mit ihrem Boykott für die Schmach des letzten, auch wenn als Begründung hauptsächlich der NATO-Doppelbeschluss (Pershing II als Antwort auf die SS 20) herhalten sollte.

Es gibt andere Wege, sich mit schlimmen politischen Fehlentwicklungen eines Landes auseinanderzusetzen als Athleten einen Lebenstraum zu verwehren, in den sie so viel investiert haben. Falls Präsident Bush oder andere politische Repräsentanten der Eröffnungsfeier fernbleiben wollen - okay, aber die Spiele komplett zu boykottieren sendet ein falsches Signal aus.

Die Demonstranten können jederzeit aussprechen, was sie - wie ich auch - denken: dass Peking die Spiele nicht verdient hat. Aber die Flamme auszupusten ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Sollen sie weiterhin ihre Transparente hochhalten und so viel Medienrummel bekommen wie sie wollen, während die Fackel unterwegs ist. Sie sollten aber nicht mit einer Jahrzehnte langen Tradition brechen. Alle haben an dieser idiotischen Entscheidung des IOC aus dem Jahr 2001 zu knabbern, und je näher die Spiele rücken, desto mehr verschlechtert sich die allgemeine Situation und das Verhältnis zum Ausrichter China. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn jede erstbeste Möglichkeit dazu genutzt wird, die Flamme zum Erlöschen zu bringen oder den Athleten das Streben nach der Goldmedaille zu verweigern.