Samstag, Dezember 01, 2007

Das verdammte siebente Jahr des Monsieur Enderlin


Am 27. Februar 2008 wird an einem Pariser Gericht wohl das endgültige (?) Urteil in einem Berufungsverfahren gesprochen und die Akten eines Falls geschlossen werden, der am 30. September 2000 seinen Ausgang nahm, die zweite Intifada in den palästinensischen Gebieten anheizte und unter der israelischen und palästinensischen Bevölkerung viele Todesopfer forderte.

Anlass war eine
55-sekündige Filmszene, die um die Welt ging und den Palästinenser Dschamal al-Dura mit seinem Sohn Mohammed zeigte. Beide suchten hinter einer mit Beton gefüllten Öltonne Schutz. Sie waren an der Netzarim-Kreuzung (Gaza) in einen Schusswechsel zwischen Palästinensern und einem IDF-Posten geraten. Der palästinensische Kameramann Talal Abu Rahma, bekannt für "ausgewogene" Kamerabedienung, widersprüchliche Darstellungen und grotesk anmutende Presseauszeichnungen, der für den Fernsehsender France 2 arbeitete, hatte 45 Minuten des Schusswechsel unter, wie er behauptete, „großer Gefahr für mein eigenes Leben“ gefilmt und anschließend 27 Minuten davon bei Charles Enderlin, dem Korrespondenten von France 2, im Büro abgeliefert.

Talal Abu Rahma gab auf Nachfragen an, dass allein 6 Minuten des Filmrohmaterials von der Ermordung Mohammed al-Duras stammten. Charles Enderlin handelte an jenem Abend des 30. September nicht wie ein Berichterstatter, der sich dem journalistischen Ethos der Recherche und Absicherung der Fakten verpflichtet wusste. Also schnitt er aus 27 Minuten des Rohmaterials flugs 55 Sekunden zusammen, um das zu machen, was sehr viele Journalisten umtreibt - Befriedigung des eigenen Egos und die der Sensationsgier der Medien obendrein. Dass er so ganz nebenbei die arabische Welt gegen Israel aufbrachte und das Bild Israels im Westen in Misskredit brachte, schien ihn wohl nicht sonderlich berührt zu haben.

Auch als der Hessische Rundfunk im Jahr 2002 Esther Schapiras Dokumentation Wer erschoss Mohammed Dura? ausstrahlte, dürften Monsieur Enderlin wohl kaum ernste Sorgen bezüglich seiner angekratzten Reputation beschlichen haben, blieb er doch auch dann noch ungerührt, als ihm seine Kollegen Denis Jeambar, Daniel Leconte und Luc Rosenzweig deutlich zu verstehen gegeben hatten, dass sie seine Arbeit für Pfusch erachteten. Rosenzweig, ehemaliger Chefredakteur von Le Monde, betrachtete den 55-Sekunden-Schnipsel als Manipulation.

Trotz der besonders in seinem Heimatland Frankreich anhaltend heftigen Diskussion über die umstrittene Dokumentation und seinen Arbeitgeber France 2 blieb Charles Enderlin hartnäckig bei seiner Darstellung und ließ sich auch vom penibel nachforschenden Medienkritiker Phillippe Karsenty (1) nicht besonders beeindrucken. Denn auch hier gilt leider, wie so oft, das Zitat, das Gudrun Eussner am Ende ihres Artikels Mohammed al-Dura. Jetzt wird´s eng für Charles Enderlin anführte: Nachrichten, ob wahr oder erfunden, schnellstens an ausgewählte Multiplikatoren streuen. Es zählt nur das, was einmal behauptet wurde. Dementis dagegen sind völlig unwirksam.

Karsenty, Direktor des medienkritischen Webportals Media Ratings – warf Charles Enderlin vor, das Video über den Tod des 12-jährigen Mohammed al-Duras gefälscht zu haben. Insbesondere die Tatsache, dass Enderlin und damit der (Staatssender!) France 2 die Bänder nicht freigeben wollte, wie Esther Schapira schon bemängelt hatte, erhärtete den Eindruck, dass France 2 an einer Aufklärung des Vorfalls nicht gelegen war - ja, sie sogar bewusst hintertrieb. Enderlin und dessen Brötchengeber France 2, in Verschwiegenheitsallianz unter einer Decke, reichten also eine Verleumdungsklage gegen Karsenty ein, der am 19. Oktober 2006 stattgegeben wurde. Kurz vorher, am 10. September 2006, sprach Philippe Karsenty mit Pesach Benson von HonestReporting. Zwei Sätze daraus: HonestReporting: Der Vorfall mit Mohammed al-Dura liegt Jahre zurück. Warum sollte sich irgendjemand heute noch darum kümmern? Philippe Karsenty: Das Bild hat jeder im Kopf. Jeder glaubt, es sei wahr. Daniel Pearl wurde getötet, um Dura zu rächen. Sie [Pearls Mörder] setzten das Bild in ihr Video.

Am 14. November 2007 kam es zur von Karsenty beantragten Berufungsverhandlung. Bei diesem Termin wurde das zuvor gerichtlich angeforderte Filmrohmaterial während der Verhandlung der anwesenden Presse vorgespielt. Die weitaus überwiegende Meinung der Beobachter noch im Gerichtsgebäude: Enderlin hat schlechte Karten. Dass man den Fall auch anders bewerten kann, zeigt Abdullah Frangi, ehemaliger PLO-Repräsentant in Deutschland und heute zuständig für auswärtige Beziehungen in der palästinensischen Fatah-Partei von Präsident Mahmud Abbas, in der WELT: "Selbst wenn Mohammed al-Dura nicht von Israelis erschossen wurde, ist er doch zu einem Symbol für die große Ungerechtigkeit geworden, die Palästinenser schon erleiden mussten."


Wenn man ein derart gerüttelt Maß an bestialischer Perversität seit 1948 in sich trägt, kann man natürlich locker so fabulieren, und Frangi zeigt damit en passent, dass er und (indirekt) sein Chef Abu Mazen, sich nicht geändert haben und sie keinerlei Schuldbewusstsein empfinden. Annapolis hin - Annapolis her.


Dazu im selben Beitrag Esther Schapira: "Sollten die Palästinenser absichtlich und wider besseres Wissen die Unwahrheit über den Tod des Jungen verbreitet haben, dann ist Mohammed al-Dura kein Symbol für das große Leid, das die Palästinenser erleiden mussten, sondern ein Symbol für ekelhaften politischen Kindesmissbrauch der Palästinenser, der weitere Kinder das Leben kostete."


Castollux hat Nidra Pollers (vorerst) abschließenden Kommentar zur Berufungsverhandlung (2) Karsentys übersetzt. Er ist auch bei Lizas Welt abrufbar.



Nidra Poller

Videomaterial zu al-Dura? Gibt es nicht!

Contentions, 21. November 2007

Am 14. November 2007 führte ein dreiköpfiges Richtergremium vor einem überfüllten Gerichtssaal (und Dutzenden Schaulustigen draußen) das Filmmaterial vor, das ihm für diesen Berufungsprozess von Charles Enderlin (France 2) – dem Kläger in der Verleumdungssache gegen Philippe Karsenty, Direktor von Media-Ratings – ausgehändigt worden war. Nachdem Karsenty im Oktober 2006 für seine Erklärung, der Bericht zu al-Dura sei ein skandalöser Schwindel gewesen, verurteilt worden war, führte er eine energische Gegenattacke, die in Frankreich auf merkwürdiges Schweigen und in angesehenen internationalen Medien auf starken Widerhall stieß. Während der seit sieben Jahren andauernden Auseinandersetzung hatten sich Charles Enderlin und France 2 beständig geweigert, das Videomaterial vorzuführen, das vom für France 2 tätigen freien Korrespondenten Talal Abu Rahma an der Netzarim-Kreuzung im Gazastreifen aufgenommen worden war – am 30. September 2000 nämlich, dem Tag, als der zwölfjährige Mohammed al-Dura angeblich von israelischen Soldaten kaltblütig erschossen wurde.

Der Kameramann sagte drei Tage nach dem Vorfall unter Eid aus, er habe – mit Unterbrechungen – 27 Minuten des 45 Minuten dauernden Kampfes gefilmt. An anderer Stelle behauptete er, dass er an jenem Tag einen sechsminütigen Zusammenschnitt übermittelt und anschließend seinen Produzenten zwei bespielte Kassetten ausgehändigt habe. Enderlin sagte, er habe jene Teile der „Agonie“ des Jungen herausgeschnitten, die er den Zuschauern nicht zumuten wollte. Statt des unredigierten Filmmaterials jenes Tages gab France 2 nur eine 18 Minuten lange „beglaubigte Kopie“ frei. In jenen 27 Minuten standen nicht Jamal al-Dura und seinen Sohn Mohammed im Mittelpunkt; vielmehr bestand das Dokument aus verschiedenen Szenen, drei kurzen Interviews und weniger als einer Minute zu dem Vorfall um die al-Duras. Die Beschuldigung, die „Opfer“ seien das „Ziel des Beschusses der israelischen Stellungen“ gewesen, ist haltlos; entsprechende Sequenzen sind gar nicht zu sehen. Es gibt kein Kreuzfeuer, keinen Kugelhagel, keine Verletzungen, kein Blut. In den letzten Sekunden des Sendematerials von France 2, die schließlich herausgeschnitten wurden, hebt der Junge – dessen Tod soeben dramatisch verkündet worden war – seinen Ellenbogen, hält eine Hand über seine Augen, blickt in die Kamera und nimmt wieder die passende Bauchlage ein.

Berichte vom Tod des Jungen hallten im September 2000 wider, als die Al-Aqsa-Intifada auf Touren kam. Der angebliche Kindesmord befeuerte die „spontane“ Wut, die zu einer beispiellosen Welle mörderischen Judenhasses führte. Die Wiederauferstehung des vermeintlichen Zeugen israelischer Aggression ist noch nicht welterschütternd, hat aber in angesehenen Medien zu einer intensiven Berichterstattung geführt. (Meinen Beitrag zur Filmvorführung finden Sie zusammen mit weiteren Quellen hier.) Doch weder die knappe Erklärung von Agence France Press (AFP) noch die internationale Aufregung konnte die französische Medien-Firewall durchdringen.


Die Vorführung des Filmmaterials bewies, dass der France 2-Bericht zu al-Dura jeglicher Grundlage entbehrte. Dennoch behauptete Charles Enderlin sieben Jahre lang, das Rohmaterial zeige, dass der Beitrag genau, authentisch, verifiziert und nachprüfbar sei. Und dann stellte er sich vor die drei Richter und trug ein monotones Märchen über die Intifada vor, während die Bilder liefen. Wie ist es möglich, dass niemand sich daran erinnerte, was auf der Kassette war? 18 oder 27 Minuten – das ist nicht die Frage. Man dachte, es sei das Filmmaterial zu dem Leidensweg al-Duras, das nach Angaben des Kameramanns und des Vaters – den beiden einzigen lebenden Zeugen – 45 Minuten umfasste. Talal Abu Rahma erklärte drei Tage nach dem Vorfall unter Eid, dass er sich an jenem Tag seit 7 Uhr morgens nahe der Netzarim-Kreuzung befunden, die Schießerei um 15 Uhr begonnen und er mit Unterbrechungen – „um den Akku zu schonen“ – insgesamt 27 Minuten des schrecklichen Geschehens gefilmt habe.
Man stelle sich vor, der Vorfall um Dan Rather wäre überall durchgesickert, nur nicht in den Vereinigten Staaten. Man stelle sich vor, Dan Rather gälte sieben Jahre nach seiner Fälschung immer noch als vertrauenswürdiger Reporter. Über den Schaden hinaus, der durch den verleumderischen Bericht zu al-Dura verursacht wurde, werden nun weit reichende Fragen zur Ethik der Medien gestellt. Und sie betreffen alle Medien in der freien Welt.

Die Vorführung des Filmmaterials bewies, dass der France 2-Bericht zu al-Dura jeglicher Grundlage entbehrte. Doch der für France 2 tätige freie Korrespondent filmte den ganzen Tag über. Die 18 Minuten, die im Pariser Gerichtssaal gezeigt wurden, sind nicht das Rohmaterial jenes Tages, und auch nicht die 27 Minuten, die er selbst unmissverständlich beschrieb. Während der angesehene, in Jerusalem arbeitende französische Journalist Charles Enderlin möglicherweise in großer Eile handelte, als er das Videomaterial schnitt, in die Hauptnachrichten jenes Abends brachte und seine Nachricht den Medien weltweit kostenlos zur Verfügung stellte, musste er am nächsten Tag – als er die Kassetten des Kameramanns erhielt – feststellen, dass das komplette Rohmaterial zur Szene mit al-Dura fehlte. Daraus folgt: Nichts, was zu dem Vorfall gesagt wurde, kann man in den 55 Sekunden des einzigen existierenden Films sehen. Kein Kreuzfeuer, keine Schüsse, die den Mann oder den Jungen treffen, und nicht die Dauer der Qualen. Es gibt kein Filmmaterial, das den Bericht oder die damit verbundene Rahmengeschichte untermauert.

Ist das verantwortungsvoller Journalismus? Ist diese Praxis schon so weit verbreitet, dass Fachleute – speziell französische Medien – dies nicht für kritikabel halten? Gibt es keinen Unterschied zwischen einem Bericht, der auf hinreichend nachprüfbaren Fakten beruht, und einem Beitrag, der sich auf nicht beweiskräftige Schnipsel einer ungeschickt inszenierten Szene von einer Minute bezieht? Wie ist es möglich, dass sich alle dem ungeschriebenen Gesetz fügen, nach dem niemand bei den französischen Medien aus der Reihe tanzt und die Fakten zu dieser umstrittenen Angelegenheit liefert? Eine Woche vor dem heiklen Treffen in Annapolis ist die Affäre al-Dura ein schlagkräftiges Beispiel für das große Geschäft medialer Sabotage. Das Schicksal der freien Welt hängt von unserem Vermögen ab, eine freie Presse zu bewahren. Informierte Bürger müssen Entscheidungen über Leben und Tod treffen – für sich selbst und für die Angelegenheiten ihrer Nation. Wie ist es möglich, dass eine palästinensische Interessengruppe (oder Einzelperson oder Instanz – wir wissen es nicht) falsche Nachrichten produzieren und sie direkt in die internationalen Medien einspeisen konnte, ohne auch nur auf geringsten Widerstand zu stoßen, während der Verfasser des Exposés, das zeigt, dass der Bericht keinerlei normale journalistischen Kriterien erfüllt, mit dem Kopf gegen die Wand rennt und die Öffentlichkeit nicht erreichen kann?

Dies erklärt die gewinnende Leidenschaft der Aufklärer im Fall al-Dura, die sich oft nachteilig für sie (und uns) auswirkt. Das Thema ist brandheiß, und die Flammen breiten sich noch immer aus. Sie könnten durch intelligente internationale Untersuchungen gelöscht werden. Vielleicht erfordert dies eine brillante Strategie, die noch nicht ersonnen worden ist.

(1) Philippe Karsenty wurde von Stéphane Juffa von der Metula News Agency gemeinsam mit Richard Landes und vielen anderen mit den Informationen versorgt.

(2) Das Urteil wird für den 27. Februar 2008 erwartet.

Hattip: Lizas Welt, Gudrun Eussner, HonestReporting

Donnerstag, November 29, 2007

Die Pfusch-Chronologie der Gray Lady


Als ich am 19. Juli 2007 auf Medien BackSpin den Halbjahresbericht von HonestReporting zum seltsam-journalistischen Gebaren der BBC (Im Volksmund „Beeb“ genannt), einstellte, schwante mir schon diffus, welcher Papiertiger - und das im wahrsten Sinne des Wortes - das nächste Mal auf der Kritik-Matte landen könnte. Drei hatte ich im virtuellen Köcher - die Washington Post, die New York Times (Im Folgenden Times der Einfachheit halber) und den Guardian. Ja, the good old „Gray Lady“ (auch: „Grey Lady"), die altehrwürdige Times, machte nun also doch das Rennen. Für viele Leser noch heute die angesehenste Zeitung weltweit, und das vielleicht nicht zu Unrecht, steht sie gleichzeitig aber auch für eine Entwicklung, wie sie sich schon seit Jahren abzeichnet und immer mehr verfestigt - schlampigem und (mehr oder weniger schlecht verkapptem) antiisraelischem Journalismus bei den Etablierten.

Nun gut, wenn ich einen Stuss zusammenschreibe und mies recherchiere, ist das mein Problem und ich bekomme Häme oder verbale Prügel ab. Nichts ist schlimmer, als zuhause auf den Nägeln rumzukauen und die erste Hass-Mail abzuwarten. Da geht die alte Dame Times schon ganz anders mit Kritik um - sie lässt sie abperlen. Sollen doch die Anwälte, die in Legion in ihrem Sold stehen, die Kastanien aus dem Feuer holen. Und wenn schon grottenschlecht oder falsch berichtet wird und Prozesse verloren werden, was soll’s, die nächste Auflagensteigerung (falls überhaupt noch möglich) ist damit vorprogrammiert. Das Blatt leistet in der Nahost-Berichterstattung und -Kommentierung keine gute Arbeit, um es höflich zu formulieren, und damit sind wir schon beim Halbjahresbericht von HonestReporting zum Sujet. Der kritische Beobachter hat über diesen Zeitraum hinweg die Arbeitsweise der Times genau analysiert und kam zu einem Ergebnis, das alle, die Medienkritik betreiben, wohl nicht allzu sehr überraschen dürfte. Der Medienriese berichtet „biased“, wie es so schön im Englischen heißt.

Voreingenommen oder parteiisch also, ganz wie der geneigte Leser das Wort übersetzen möchte. HonestReporting konnte mittels sorgfältigerer Recherche nachweisen, dass die Times in der Berichterstattung zum israelisch-palästinensischen Konflikt oft - wir meinen zu oft - zu Lasten Israels berichtete, sei es aus einem schlampigen Berufsethos heraus oder aus überzogener Sympathie für eine der beiden Konfliktparteien. Gegessen. Falsch ist falsch. Und besser wird die Sache auch nicht, wenn man sämtliche festen Korrespondenten vor Ort abzieht, wie es mittlerweile nahezu alle großen Blätter machen, Parachute-Journalismus mit dem Laptop betreibt und „ausgewogen“ berichtende einheimische palästinensische (!) Freelancer zum Filmen und Fotografieren einstellt, die ab und zu auch Preise für dreiste Lügen einheimsen.

Da sind es dann nicht palästinensische Terroristen, die Raketengeschenke verteilen, sondern - wie durch ein Wunder und von Zauberhand gesteuert - machen sich die Raketen eigensinnig auf die Reise und fallen in Israel ein. Oder wie soll man eine Schlagzeile wie „Rakete verletzt 40 israelische Soldaten“ anders interpretieren? Ross und Reiter werden nicht benannt. Anders herum leistete sich die „Gray Lady“ immerhin des Öfteren den Luxus, IDF-Soldaten als blutrünstige Subjekte hinzustellen, die anscheinend unschuldige Zivilisten umnieten. Ross wird in diesem Fall benannt, Reiter aber nicht - oder umgekehrt? Schlimm, ja schlimm, dass die „Israelische Armee in Gaza drei Menschen tötet“. Schlimm aber auch, dass man hier mit Emotionen, Mitleidseffekten und Beschützerinstinkten der Leser spielt, hetzt man doch den Goliath (Israel; bis 1967 war’s noch anders) auf den David (Palästinenser). Letzterer beherrscht die Klaviatur des Underdog-Parts seit 1948 so gut, dass er bis heute unerreicht bleibt. Was war im konkreten Fall geschehen? Die IDF hatte an der Grenze drei Mitglieder der Hamas beim Bombenlegen erwischt und ihnen die Lebenslizenz entzogen, weil sie partout nicht bereit waren, ihr unsinniges Treiben einzustellen. Geschichten über Geschichten.

HonestReporting hat sich die Mühe gemacht, das Treiben zu dokumentieren, Ferdinand (Identität ist mir bekannt) war bienenfleißig und hat für Castollux den Text vollständig übersetzt.

Halbjahresstudie zur Berichterstattung der New York Times

HonestReporting Communiqué, 22. November 2007

Gibt es irgendwelche Muster von Voreingenommenheit in der Berichterstattung der New York Times?

HonestReporting verwendet eine größere Anzahl an Werkzeugen, um auf ungenaue oder voreingenommene Nachrichtenartikel schnell antworten zu können. Unsere wöchentlichen Communiqués identifizieren die schlimmsten Fälle von Voreingenommenheit, und unser 24-Stunden-Megaphon benachrichtigt Abonnenten zu Fragen, die sofortige Aufmerksamkeit erforderlich machen.

Jedoch sind nicht alle Fälle tendenziöser Berichterstattung sofort klar ersichtlich. Oft ist es hilfreich, einen Schritt zurückzugehen und eine Nachrichtenorganisation über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Subtile Elemente von Voreingenommenheit wie die Auswahl von Überschriften und Fotos werden so klarer. In unserer zweiten tiefgehenden Medienanalyse beobachteten wir die Berichterstattung der New York Times, einer der beliebtesten und einflussreichsten Zeitungen der Welt, über einen Zeitraum von sechs Monaten.


New York Times: April-September 2007 – Zusammenfassung der Resultate:

  • Ausgewogenheit: Trotz einer in der ausgeglichenen Anzahl von Artikeln über Israel und die Palästinenser legte die New York Times mehr Gewicht auf Vorfälle, an dem das israelische Militär beteiligt war, als auf Angriffe, die von palästinensischer Seite ausgingen, was die Platzierung in Texten, Überschriften und Auswahl der Fotos betraf. Mehr als 60% der Bilder, die Sympathie für die eine oder andere Seite erweckten, zeigten die Palästinenser in einem guten Licht.
  • Übereinstimmung: Israelische und palästinensische Aktionen wurden in der Sprachwahl nicht gleichwertig behandelt. Israel oder das israelische Militär war in 18 von 20 Fällen (90%) scharf formulierten und direkten Überschriften unterworfen. In den 20 Fällen hingegen, in denen die Palästinenser für Angriffe die Verantwortung trugen, war die Sprache meist im Passiv und die verantwortliche Gruppe wurde nur in 8 Fällen genannt (40%)
  • Kontext und Genauigkeit: Ungenaue Stellungnahmen oder wichtige Kontexte, die dem Leser ein genaueres Bild hätte geben können, wurden oft ausgespart. Begriffe wie „Militante“, „besetztes Gebiet“ und „illegale Siedlungen“ wurden benutzt, ohne sie sauber zu erklären.


Resultate im Detail:


I. Ausgewogenheit:

Ein wichtiger Indikator für Voreingenommenheit ist, dass Nachrichtenquellen den sich widersprechenden Behauptungen über einen Zeitraum hinweg gleiches Gewicht geben.

Während des Beobachtungszeitraums (1. April bis 30. September 2007) analysierten wir insgesamt 121 Artikel, die sich hauptsächlich mit Israel oder den Palästinensern befassten, davon 40, in denen es um einen gewalttätigen Angriff oder um eine Militäraktion von palästinensischen Terrorgruppen oder der IDF ging. Einige Artikel beschreiben Vorfälle zwischen Israel und palästinensischen Gruppen, andere wiederum interne Kämpfe der Palästinenser. Wir fanden heraus, dass die Berichterstattung die palästinensische Seite sowohl in Text als auch bei Bildauswahl bevorzugte.


Textgewichtungen

In Artikeln, die über gewalttätige Aktionen berichteten, wurden israelische Aktionen fast immer zuerst genannt, gleichgültig, ob sie einer palästinensischen Attacke vorausgingen oder lediglich eine Antwort darauf darstellten. Indem man Berichte über israelische Militäraktionen zeitlich vor die palästinensischen Angriffe setzte, schienen die israelischen Aktionen nicht gerechtfertigt zu sein.


Der Artikel "8 israelische Luftangriffe töten im Gazastreifen mindestens 7 Menschen" macht zum Beispiel mit folgendem Absatz und Bild auf:

Israel kam mit einigen Panzern und Soldaten über die Grenze zum Gazastreifen und traf die Hamas mit acht Luftangriffen, die mindestens sieben Palästinenser töteten - am Donnerstag und Freitagmorgen.


Erst danach erfährt der Leser:


14 Raketen, die von der Hamas-Miliz aus dem Gazastreifen am Donnerstag abgefeuert wurden, landeten in Israel, 6 davon in der Nähe von Sderot, einer Grenzstadt, so die Auskunft der israelischen Armee. Die Regierung evakuierte einige Bewohner in Hotels, was sie als Ruhepause, nicht als Evakuierung bezeichnete.


Auch wenn die Berichterstattung technisch gesehen genau ist, wurde die Tatsache, dass die Hamas aus dem Gazastreifen Raketen abfeuerte, von der Darstellung der israelischen Antwort überschattet. Tatsächlich begannen 20 von 24 Artikeln, in denen Kämpfe zwischen Israel und den Palästinensern beschrieben wurden, mit der israelischen Aktion, gleichgültig, was zuvor stattfand.


Die Redakteure hatten viele Auswahlmöglichkeiten bei der Zuordnung der Fotos zu ihren Nachrichtenartikeln. Wir sahen uns die Bilder an, die den Artikeln Times zugeordnet waren und kamen zu dem Ergebnis, dass es eine unausgewogene und unpassende Hervorhebung von palästinensischem Leid und israelischen Militäroperationen zu geben schien. Manchmal passten die für die Artikel ausgewählten Fotos überhaupt nicht zum Kernthema des Artikels. Zum Beispiel veröffentliche die Times am 17. Mai „Einheit zerbricht während palästinensischer Kämpfe in Gaza“. Der Haupthandlungsstrang des Artikels beschreibt Kämpfe zwischen den palästinensischen Organisationen Hamas und Fatah. Und doch zeigt das ausgewählte Foto, das dem Artikel beigestellt wird, einen israelischen Angriff.

In unserer Studie konzentrierten wir uns auf Bilder, die klar die eine oder die andere Seite favorisierten. Bilder von palästinensischem Leid oder israelischen Angriffen stellten die palästinensische Seite ins rechte Licht. Bilder von israelischem Leid oder maskierten palästinensischen Terroristen förderten die israelische Sichtweise. Von den Bildern, die die eine oder die andere Sichtweise zum Ausdruck brachten, zeigten über 60% mehr Verständnis oder Sympathie für die palästinensische Seite. Der Leser bekommt also den Eindruck, dass es weit mehr israelische Militäraktionen gegen palästinensische Zivilisten gab als Raketenangriffe der Palästinenser gegen israelische Zivilisten.


II. Übereinstimmung:

De Machart kann einen entscheidenden Einfluss darauf ausüben, wie Nachrichten aufgenommen werden. Das ist besonders bei Schlagzeilen wichtig, da sie den Tonfall eines Artikels bestimmen. Manchmal lesen die Leute den Beitrag überhaupt nicht und sehen nur kurz auf die Überschriften. Wegen der Wirkung, die Schlagzeile hinterlassen, ist es zumutbar, anzunehmen, dass Nachrichtenmedien bestimmte Richtlinien für konsequente Berichterstattung adaptieren würden. Jedoch fanden wir beim verwendeten Stil der Times ernsthafte Ungereimtheiten.


Eine Überschrift sollte klar und direkt sein, also keinerlei Missverständnis darüber aufwerfen, wer eine Aktion begann und was geschah. Zum Beispiel ist "Israelische Armee tötet 3 Menschen im Gaza" ins Aktiv gesetzt und identifiziert das Subjekt der Handlung („Israelische Armee“), aber lässt uns im Unklaren, wer die Adressaten waren („3“ - Zivilisten?). Der Artikel bezog sich eigentlich auf ein Ereignis, bei dem 3 Mitglieder der Hamas beim Legen von Bomben entlang der Grenze getötet wurden. Die Redakteure jedoch wählten jene Überschrift aus, die die israelische Armee hervorhebt, während sie den Charakter der Getöteten herunterspielt. (Eine alternative Schlagzeile hätte lauten können: „Terroristen sterben, während sie Bomben legen“. Eine solche Überschrift hätte die Aufmerksamkeit auf die Terroristen und deren Tun gerichtet)


Auf der anderen Seite wird in der Regel bei Schlagzeilen, die sich auf palästinensische Angriffe beziehen, ein anderer Stil verwendet. Zum Beispiel ist "Rakete verletzt 40 israelische Soldaten" in einem eher neutralen Stil gehalten und lässt vieles aus. Die „Rakete“, nicht die Terrororganisation, die sie abfeuerte, ist das Subjekt des Satzes. Aus der Schlagzeile erfahren wir jedoch nicht, ob sie jemand abfeuerte oder die Rakete durch einen unglücklichen Zufall losging. Alles, was wir wissen, ist, dass die Opfer zum Militär gehörten, also keine Zivilisten waren. Wäre die Times konsequent gewesen, dann hätte sie eine Überschrift wie „Terrorgruppe feuert Rakete ab, die 40 Israelis verletzt“ gebracht.


Diese Ungereimtheiten mögen subtil sein, sie sind aber bedeutsam. Wären dies isolierte Beispiele, könnte man dies als unbeabsichtigte Ergebnisse schludrigen Schreibens abtun. Doch wir fanden dieses Muster regelmäßig vor. Selbst wenn der Artikel über interne Kämpfe der Palästinenser berichtete, fanden wir sehr häufig passive Satzkonstruktionen, die den Aggressor nicht identifizierten. ("Bei einem Zusammenstoß an einer von der UN-geführten Schule werden 6 verwundet", "Palästinenser im Kampf an der Grenze: Einer getötet."


In zwanzig Fällen, in denen Israel eine militärische Aktion startete, benannten 18 Schlagzeilen (90%) Israel oder die IDF in scharf formulierten, „eindeutigen“ Schlagzeilen. In 20 Fällen, bei denen die Palästinenser zuerst Gewalt anwendeten, wurden nur 8 (40%) in ähnlichem Stil gehandhabt.

III. Sorgfalt und Kontext

Wir entdeckten eine Reihe von Artikeln, die nicht sorgfältig geschrieben waren oder wichtige Kontextinformationen ausließen. Zum Beispiel führte der Artikel "Israel feuert auf Militante, die Bomben legen" an, dass der "Militante", der die Bombe platzierte, ein Mitglied der Democratic Front for the Liberation of Palestine (DFLP) gewesen wäre. Das einzige Wort, das die Times benutzt, um die DFLP zu beschreiben, ist "linksgerichtet." Tatsächlich ist die DFLP jedoch eine extrem gewalttätige Terrororganisation, die wegen ihrer Angriffe auf Schulkinder weithin bekannt ist. (Der Ma'alot Angriff 1974 und das Avivim-Schulbusmassaker von 1970 sind nur zwei Beispiele.) Deren Website enthält zahllose Aufrufe zur Gewalt gegen Isarel. Etwas mehr Details hätte man schon bringen müssen, um den Leser darüber zu informieren, dass der Mann, der von der IDF getötet wurde, Mitglied einer berüchtigten Terrororganisation war - nicht lediglich ein „Linker“.

Wie vorher schon angemerkt, kann ein kurzer, irreführender Hinweis in einem Artikel zu falschen Auffassungen führen. "Unsichtbare Palästinenser leben in legalem Gefängnis im Libanon" ist ein Bericht über Palästinenser, die im Libanon leben und dort von den Vereinten Nationen nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Viele gehörten früher der PLO an und kamen schließlich in den Libanon, als die PLO aus Jordanien vertrieben wurde. Und so weißt der Artikel auf ihre Herkunft hin:

Herr Hamdallah floh 1948 nicht, als Israel auf dem Boden des früheren Palästina errichtet wurde, und so erfüllten er und seine Familie nicht den von den Vereinten Nationen festgelegten Status als palästinensische Flüchtlinge.

Israel wurde nicht auf dem Boden des früheren „Palästina“ errichtet. So, wie der Artikel formuliert ist, wird jenen zu Unrecht Glaubwürdigkeit verliehen, die argumentieren, dass Israel auf „palästinensischem“ Land existiert, und dass Israel einen Staat „Palästina“ übernahm, der schon vorher existierte.

Die Times könnte weit bessere Arbeit leisten, wenn sie zu komplizierten Sachverhalten bessere Erklärungen und Kontextinformationen lieferte. Die Verwendung von Begriffen wie „illegale Siedlungen“ und „besetzte Gebiete“ bedürfen der Erläuterung, da viele Meinungen existieren, die die Tatsache stützen, dass die Siedlungen nicht „illegal“ sind und dass das Gebiet besser als „umstritten“ denn als „besetzt“ zu bezeichnen ist. (Siehe zum Beispiel „Over The Line"). Indem die Times die Sprache einer Konfliktpartei benutzt, überschreitet sie ihre Rolle als objektive Informationsquelle.


Schlussfolgerungen

Als eine der meistgelesenen und einflussreichsten Zeitungen der Welt hat die New York Times eine besondere Verpflichtung, sicherzustellen, dass ihre Berichterstattung ausgewogen, aufrichtig und sorgfältig ist. Doch hinsichtlich Ausgewogenheit, Sorgfalt und Übereinstimmung sowie Kontext kamen wir zu dem Ergebnis, dass ihre Berichterstattung eher mit der palästinensischen Seite sympathisiert. Die New York Times sollte Schritte ergreifen, um sicherzustellen, dass:

  • die Berichterstattung über den Nahen Osten insgesamt ausgewogen ist, wobei man israelische und palästinensische Aktionen objektiver behandelt;
  • die Schlagzeilen folgerichtig formuliert sind, dass nicht die eine oder der andere Seite unterstützt wird; und…
  • die Artikel sorgfältiger redigiert werden, um Sorgfalt zu gewährleisten und sicherzustellen, dass komplizierte Sachverhalte im Kontext gesehen werden.

Die Abonnenten von HonestReporting können dazu beitragen, dass auf die New York Times Druck ausgeübt wird, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, indem sie den Redakteur für Öffentlichkeitsarbeit bei der New York Times [In Englisch] anschreiben (public@nytimes.com).

Wir beabsichtigen, zukünftig langfristig angelegte Analysen zu ausgesuchten Medien zu veröffentlichen, um zu untersuchen, ob die Berichterstattung der Sache gerecht wird und frei von Ungereimtheiten oder Widersprüchen ist. Unsere Analyse zur BBC können Sie hier lesen.

Hattip: HonestReporting