Freitag, November 21, 2008

"Keine Absicht" oder: "Erfahrung ist der beste Lehrer"

Er wolle mit seiner Zeichnung keinen Vergleich zwischen den Nazigräueln und dem israelischen Sicherheitszaun herstellen (mehr zu den Daten hier), so Dylan Woodliff, Student an der Emory University, um sein ekelhaftes Geschmiere zu "rechtfertigen". Deborah Lipstadt hat auf Woodliffs Machwerk und die peinliche Bildunterschrift (“Erfahrung ist der beste Lehrer“) reagiert.

Eine falsche und unfaire Karikatur

Deborah Lipstadt

In der Wheel-Ausgabe der Emory University vom Freitag war eine beunruhigende Karikatur abgebildet, in der die Ghettos der Nazis mit dem von Israel an der Grenze zur Westbank
errichteten Sicherheitszaun verglichen werden. Diese Gleichung ist historisch falsch und überaus unangebracht. Die Deutschen steckten Juden in ganz Europa in Ghettos, wo diese entweder einen qualvollen Tod durch Hunger, Entbehrungen oder Krankheit starben, oder einen schnelleren Tod durch eine Gewehrkugel- oder Giftgas.

Unabhängig davon, was man über den Zaun/Mauer denkt (Der größte Abschnitt davon ist ein Zaun; über 90%), wurde er nicht zu diesem Zweck errichtet. Er wurde als Defensivvorrichtung gebaut. Selbst wenn man ihn ablehnt kann man die Tatsache nicht ignorieren, dass er die Zahl der mörderischen Bombenanschläge (manchmal fälschlicherweise „Selbstmordattentate" genannt) auf israelische Ziele ungemein reduziert hat. Es gab vor diesen Bombenanschlägen auf Bussen, Schulen und andere zivile Einrichtungen keinen Zaun/Mauer. Sein Bau war die Antwort auf diese Anschläge.


Was den unterschiedlichen Wohlstand betrifft, den Woodliff mit der Existenz des Zaunes erklärt: Den gab es schon lange vor dessen Bau. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat Abermilliarden
Dollar empfangen, um ihren Bewohnern zu helfen. Während der Zeit des korrupten Regimes unter dem verstorbenen Yasser Arafat verschwanden die meisten Gelder aus den Hilfsfonds. (Sehen Sie auf Schweizer Konten nach, um einige zu finden, oder in Paris, wo Arafats Witwe ein Leben in ausschweifendem Prunk lebt). Die Hilfsgelder waren offensichtlich nicht als Hilfe bei den Palästinensern angekommen, und viele von ihnen leiden sehr.

Als Israel sich aus dem Gazastreifen zurückzog ließ es ertragreiche Farmen zurück, Treibhäuser mit fortschrittlichen Hydrokultursystemen zum Gemüseanbau sowie weitere Anlagen, die genutzt hätten werden können, um die Situation der Palästinenser zu verbessern. Die meisten wurden von den Palästinensern zerstört. Internationale Finanzmittel wurden aufgebracht, um den Bewohnern von Gaza zu helfen. Auch sie haben wenig zur Verbesserung beigetragen.
Unterdessen werden weiterhin Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Städte abgefeuert. Nach einer Salve letzten Samstag mussten 18 Menschen ins Krankenhaus gebracht werden. Als Reaktion darauf hat Israel die Grenze zu Gaza geschlossen, was das Leid der Bewohner von Gaza vermehrt.

Es gibt ein ernsthaftes Problem in Nahost, aber Woodliffs unbedachter Vergleich von Juden
mit Nazis in der NS-Zeit zeugt nicht nur von schlechtem Informationsstand; er demonstriert auch ein bestimmtes Vorurteil - Antisemitismus -, das niemals dazu beitragen wird, die Probleme zu lösen. Was immer man auch von Israels Politik halten mag - sie mit der Nazipolitik in Verbindung zu bringen, die die Ermordung aller europäischen Juden zum Ziel hatte, bedeutet, dass man sich an Antisemitismus und Holocaustleugnung beteiligt.

Schließlich war ich wie vom Blitz getroffen von der Erläuterung, die Woodliff unter die
Karikatur setzte (”Erfahrung ist der beste Lehrer”). Keine redaktionelle Karikatur sollte eine Erklärung oder Beifügung notwendig haben. Ein guter Karikaturist lässt seine Arbeit für sich sprechen.

Montag, November 17, 2008

Mensch Ulla - Mir graut vor dir!

(Vorweg: Abbitte an Homer Simpson und seine Familie im Bild links). Überall dort, wo in der Republik tatsächliche oder vermeintliche Gefahr von Rechts im Verzuge zu sein scheint, ist sie da - die neben Sahra Wagenknecht wohl emsigste und widersprüchlichste “Faschistenjägerin“ innerhalb der SED-Nachfolgepartei Die Linke - Ulla Jelpke, ihres Zeichens auch Vertreterin von Die Linke im Bundestagsinnenausschuss, einem Gremium, in dem besonders sensible Sicherheits- und Gesetzesfragen dieser Republik behandelt werden. Und was „rechts“ ist bestimmt Frau Jelpke immer noch selbst; wäre ja noch schöner, wenn man darauf hinweist, dass zwischen Links- und Rechtstotalitarismus sowie Politischem Islam mehr als nur eine Schnittmenge besteht.

Sieht man sich auf der
Webseite der Abgeordneten mit dem ausgeprägten „Sozial- und Gerechtigkeitsbewusstsein“ um, dann fragt man sich, warum die umtriebige Dame noch nicht für einen der zahllos ausgelobten Friedenspreise gehandelt wird.

Frau Jelpke, die zuletzt auch gerne Treibjagden auf gegenüber ihr - und ihrer Partei - kritisch eingestellte konservative Bundestagskollegen wie Dr. Hans-Peter Uhl und Kristina Köhler betrieb, fehlen elementare Eigenschaften, welche man erst recht bei einer Abgeordneten, die im Innenausschuss Funktionsträgerin ist, erwarten muss - Selbstdisziplin, nüchterne Selbsteinschätzung, Lernfähigkeit und eine demokratische Gesinnung. Ja, richtig gelesen, eine demokratische Gesinnung. Und die simpelsten Anstandsregeln scheinen ihr abhanden gekommen zu sein.

Dabei ist die Mandatsträgerin aus der Stahlbetonfraktion der Partei Die Linke (Betonköpfe sind eh’ die meisten in diesem Verein), immer von herzlicher Großzügigkeit beseelt, wenn es gilt, SED/DDR-Unrecht zu bagatellisieren, Diktaturen wie Kuba, den Iran, Nordkorea oder Weißrussland mit Hinweis auf die eigene Heimerziehung kleinzureden oder dem neuen aggressiven Hegemonialstreben der UDSSR - Entschuldigung, ich meinte natürlich den gutmütigen Bären Russland - eine glühende Fürsprecherin abzugeben. Eine Enkulturation wie die ihre lässt sich eben doch nicht so leicht abstreifen, zudem, wenn man die Möglichkeit genießt, die eigene stalinistische Kontinuität und die eines guten Fünftels ihrer Fraktion ohne Brüche fortzuschreiben -; hoch lebe der demokratische Pluralismus! Denn zum praktizierten Pluralismus - wir gönnen es Frau Jelpke - zählt eben auch, dass man gemeinsam mit Hamas- und Hisbollah-Sympathisanten durch die Straßen zieht und damit Israels Vernichtung billigend in Kauf nimmt.

Auf die Spitze trieb es Frau Jelpke - zusammen mit 10 Fraktionskollegen*- als sie nach der Entscheidung der Bundestagsfraktionen am 4. November, die Antisemitismus-Erklärung des Bundestages ohne Die Linke zu verabschieden, unverzüglich mit einer Presseerklärung reagierte, in der eine Passage abgelehnt wurde, die an Deutlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig ließ.

Worum ging es im Kern?

Prof. Dr. Julius Schoeps, Direktors des Moses-Mendelssohn-Zentrums, hatte in dem gemeinsam abgesegneten Papier aller anderen Bundestagsfraktionen (Die Linke ausgenommen) Folgendes formuliert:
"Die verschiedenen Vorurteile - etwa eines 'antiimperialistischen Israelkritikers' aus den Reihen der politischen Linken, eines neonazistischen Holocaust-Leugners und eines islamistischen Djihad-Jüngers - sind aufeinander bezogen, kommunizieren miteinander und beeinflussen sich gegenseitig."
Wie wahr. Dieses Zitat hätte eigentlich in Stein gemeißelt und sowohl in den Redaktionsräumen des „Neues Deutschland“ als auch im Fraktionsraum der Partei Die Linke als Pflichtlektüre und Anregung zum Nachdenken verteilt werden sollen. Doch dass man das bei den Altvorderen und Stalinisten vor dem Herrn so nicht auf sich sitzen lassen wollte und permanent auf den staatlich verordneten „Antifaschismus“ Marke DDR verwies, der, wie wir wissen, weder die Welt noch den einzelnen Menschen auch nur ein Stückchen ethisch voran gebracht hat, zeigt eigentlich, wie viel Mörtel noch heute in den Köpfen etlicher extrem Linker angerührt wird.

Verschlimmbessernd kam noch hinzu, dass ausgerechnet die Grünen kurz vor der Erklärung der Bundestagsfraktionen darauf bestanden, die oben zitierte Passage Professor Schöps’ „doch bitte [Um des lieben Friedens willen] zu streichen“, um wenigstens eine gleichlautende Erklärung noch vor dem 9. November zu verabschieden, was wiederum ein bezeichnendes Licht auf die Fraktion der Dosenpfandkämpfer und Krötenschützer wirft. Nach quälend enervierenden Debatten darüber, ob man angesichts des heraufdämmernden 70. Jahrestages der Pogromnacht vom 9. November nicht wenigstens diesmal die SED-Nachfolgepartei mit ins Boot holen sollte, und grandiosen Aussetzern wie dem Gregor Gysis, der geradezu hysterisch mit seiner „Confessio“ um sich warf, dass die „DDR immer auf der Seite der Schwachen“ gewesen sei, war der Karren endgültig in den Sumpf gefahren. Nichts ging mehr. Deshalb war auch die Erklärung des Bundestages ohne Die Linke und deren reflexhafte Gegenbewegung eine gerade logische Folge, wollte man noch vor dem 9. November wenigstens halbwegs sein Gesicht waren.

Frau Jelpke (Im Bild rechts (Mitte) mit Fraktionskolleginnen Dağdelen und Hirsch vor einem Porträt des Hisbollah-Chefs Nasrallah; Quelle: Weapons Of Modern Democracy) und Genossen wissen, dass, so wie es jetzt aussieht, sie mittel- und langfristig die SPD auf ihrer Seite haben werden - schon angesichts zukünftiger Konstellationen im Bundesrat. Und das lässt sie weiterhin mit jener Unverschämt agieren, die sie vermehrt an den Tag legen. Pieck und Grotewohl ließen schon seit dem Hamburger Parteitag des letzten Jahres grüßen, als unter der Ägide eines gewissen Pfälzers Kurt Beck („Man muss mit den gemäßigten Taliban verhandeln“) der Demokratische Sozialismus neu ausgerufen und das Godesberger Programm (vorübergehend) im Prinzip - trotz aller gegenteiligen Beteuerungen - beerdigt wurde. Nur Hubertus Heil, Generalsekretär der alten Tante SPD, scheint das bis jetzt nicht kommunizieren zu wollen oder dürfen. Die kommenden Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland werden ihm wohl einen steifen Hals und eine schwere Zunge bescheren.

Frau Jelpke sicherlich nicht, denn sie, Paech und Co. bleiben stramm auf Kurs. Das Volk, der Lümmel (Heinrich Heine) will es so.

-------------
*Darunter so illustre Köpfe und extrem antijüdische und antiisraelische „Volksvertreter“ wie Prof. Dr. Norman Paech, die bildungspolitische Sprecherin Nele Hirsch, der europapolitische Sprecher Dr. Dieter Dehm (Googeln lohnt sich hier auch ganz besonders), der für internationale Beziehungen zuständige Sprecher Wolfgang Gehrke und die Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik Severim Dagdelen, um nur fünf zu nennen.