Dienstag, Juni 22, 2010

Kommentar: Werden Niebel und die FDP rückfällig?

Ich will nicht so weit gehen und Dirk Niebel (FDP), dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder seiner Partei generell antiisraelische oder gar antisemitische Neigungen unterstellen. Wer kann schon in seinen Kopf schauen, noch dazu, wo in der Vergangenheit stets die Solidarität mit Israel relativ deutlich artikuliert wurde, wenn auch mit wenig überzeugenden Verweisen wie jetzt von ihm auf seine frühere Tätigkeit in einem Kibbuz, seine Hebräischkenntnisse (ja und?; ich kenne etliche Antisemiten, die perfekt Hebräisch bzw. Ivrit sprechen) und seine Mitgliedschaft bei der oft unglaubwürdigen DIG* bzw. mancher ihrer Dependancen (noch einmal ja und?).

Genauso gut könnte ich sagen, dass ich als Evang. Theologe qua Ausbildung immun gegen Antisemitismus sei. Bei etlichen Kollegen in der EKD stelle ich aber sehr oft das Gegenteil fest. Ein unheilvoller Trend - leider!

Festzuhalten gilt jedenfalls: Niebels pro-israelische Aktivitäten beziehen sich zum größten Teil auf die Zeit vor seiner Ernennung zum Minister (auch seine Blogeinträge)!


Dass er in Jerusalem (Zitat: „5 vor 12 für Israel“) weit überzogen und sich jetzt dafür entschuldigt hatte, spräche eigentlich(?) dafür, dass er in den letzten zwei Tagen ein wenig über seine katastrophale Verirrung nachgedacht hätte.
Gleichzeitig sagte er aber, dass er inhaltlich nichts zurücknehme.

Was heißt das?
Und redet so ein Mann, der Einsicht gewonnen hat?

Nein, so redet ein Politiker, der permanent auf die innenpolitische Situation und auf negative Umfrageergebnisse in Deutschland schielt während er durch die Lande tingelt.

So schlicht äußerte sich Niebel: Die FORMULIERUNG sei zurückgenommen bzw. abgeschwächt, aber der [anklagende] Inhalt werde beibehalten.

Nichts, aber auch gar nichts wurde zurückgenommen, weil Niebels Eitelkeit keine Einsicht zulässt.
Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung besteht also weiterhin darauf, dass die Seeblockade Gazas (letztendlich) aufgehoben werden müsste. Er akzeptiert lediglich die Negativliste des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman, die Waffen oder waffentaugliche Waren (Dual-Use-Produkte) auf dem Landwege nicht durchlässt. Damit begibt Niebel sich übrigens auf einen sehr gefährlichen Pfad, denn in seinem Schlepptau argumentierten viele bundesdeutsche Politiker, auch die Europäische Union und – was noch schlimmer ist – die Partei Die Linke und islamistische Organisationen.

Abgesehen davon, dass Niebel jetzt mit dazu beitrug, eine gewaltige und hässliche antiisraelische Welle in den Medien weltweit anzustauen, die kein Wort über den von der Hamas seit vier Jahren in Geiselhaft gehaltenen israelischen Feldwebel Gilad Shalit verliert, ist noch ein weiteres Element sehr fatal: Er stellt indirekt die Solidarität der Bundesrepublik mit Israel zur Disposition, wenn er Ultimaten stellt und Korrelationen zwischen Israels und Deutschlands Verhalten
konstruiert.

Was soll das?

Und damit bin ich wieder bei meiner Headline, wenn auch mit leicht veränderten Vorzeichen:

Wie stehen die FDP bzw. hochrangige Vertreter dieser Partei zu Israel?


Erinnern wir uns:


Möllemann hatte im Jahr 2002 eine Flyer-Kampagne gegen Michel Friedman und Ariel Sharon gestartet (Burkhard Hirsch hatte löblicherweise scharf interveniert), die eindeutig antisemitische Züge hatte, und – ich sehe mich im Nachhinein noch bestätigt – nur dazu diente, den ultrarechten Rand der Wählerschaft in Deutschland zu bedienen. Ziemlich schäbig, oder?

Gleichzeitig wurde die so genannte 18-Punkte-Aktion der FDP in Gang gesetzt, also ein mehr als unappetitlicher Wahlkampftrick, der dazu diente, mit nazistischen Symbolen zu spielen, was natürlich seitens der Freidemokraten heftig dementiert wurde (Die Zahl 18 weist auch heute noch mehr oder weniger (un)verschämt auf die Initialen Adolf Hitlers hin: „1“ für Adolf und „8“ für Hitler). Die rechtsextreme Szene hatte sich damals kaputtgelacht ob dieses wahlkampftaktischen Rohrkrepierers, der auf Westerwelles Schuhsohlen zu bewundern war.


Was sehr bedenklich stimmt: Bis heute haben sich Westerwelle und die gesamte FDP niemals von dieser Aktion distanziert.


So lange diesbezüglich keine Einsicht herrscht, glaube ich diesen Leuten kein Wort mehr, denn Westerwelle hatte auch bei seinem Antrittsbesuch in Israel als Außenminister alles andere als eine gute Figur gemacht.


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*Mit dem Kürzel DIG wird häufig auch Deutsche Israelkritische Gesellschaft assoziiert bzw. die DIG verballhornt. Ich denke, dass dies nicht selten zu Recht geschieht. In manchen Ortsvereinen mag das nicht zutreffen (z.B. Frankfurt und Freiburg, um zwei positive Beispiele neben anderen wenigen herauszugreifen), aber ist in DIG wirklich das drin, was außen draufsteht?


Damit erledigt sich abschließend auch die Frage, ob Dirk Niebel unangreifbar wäre, nur weil er Vizepräsident der DIG ist.

L
achhaft.