Dienstag, Oktober 23, 2007

Larifari Laridschani

Facetten eines Tricksers

"Irans Präsident hat seinen Atom-Unterhändler [Ali Laridschani; Castollux] ausgewechselt - ein Indiz für Differenzen in der Staatsführung. Nachfolger soll Vizeaußenminister Dschalili werden" titelte die taz am 22. Oktober 2007.

Sie muss es anscheinend wissen; hat sie sich doch mit dem so genannten "Regimekritiker" Baham Nirumand schon des Öfteren einen Gastkommentator an Bord geholt, der bei linken Blättern und Appeasern ein gern gesehener Gast ist und es so gut wie kein Zweiter versteht, der interessierten Öffentlichkeit ein X für ein U vorzumachen, wenn es um die wahren Absichten Teherans geht, wie Matthias Küntzel (Im o.a. Link, 13. Absatz von oben) treffend diagnostiziert:

„ […] Diesen Zweifel artikuliert beispielsweise Baham Nirumand, der wohl bekannteste und einflussreichste Exiliraner in der Bundesrepublik. Nirumand erwähnt zwar Ahmadinejads Aufruf, Israel auszulöschen sowie dessen Holocaust-Leugnung. ’Mit Antisemitismus’, fährt der Autor fort, „haben diese Attacken wenig zu tun.“

Die WELT wollte der taz in nichts nachstehen, legte brav einen drauf und beeilte sich, die Schlagzeile „Laridschanis Rücktritt gefährdet Dialog zwischen Westen und Iran“ hinterherzuschieben. Als ob man nun vor noch unüberwindlicheren Hürden stehen würde als zuvor, hängt sich im gleichen Beitrag auch noch Patrick Cronin [1)] an und raunt finster, dass "sein Rückzug die Verhandlungen noch schwieriger machen könnte". Und um die Person Laridschani noch mehr zu verklären, verleiht man ihm im gleichen Blatt den Heiligenschein: „Laridschani, ein Vertrauter des obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei, lehne die Fortführung der Urananreicherung ab, weil sie sein Land in die Isolation führe.“ Da es auch schick ist, Quellen nur vage anzudeuten, weiß man natürlich, dass er „Insidern zufolge ein Geschäft mit dem Westen machen wollte, um den Streit zu beenden.“

So weit, so schlecht. Das war zu erwarten. Doch die gespielte Larmoyanz, man hätte in Laridschani einen gemäßigten Verhandlungspartner mit der IAEA verloren, ist nicht sehr seriös, um es behutsam zu formulieren, und sollte mit diesen Silben auch abgehakt sein.

Wenn Laridschani gegen ein Chamäleon jemals in einen Wettstreit darüber eingetreten wäre, wer am schnellsten die Farbe wechselt, hätte das Chamäleon eine Schwarzweißstarre bekommen - so groß waren Laridschanis Verstellungsvarianten in den letzten Jahren als Chefunterhändler des Iran in den Verhandlungen mit der EU 3+3 [2]), was die atomare Aufrüstung des Iran betrifft. Und so viel größer waren seine Gedächtnislücken, wenn es um seine Auskunftfreudigkeit ging, das Atomprogramm des Iran seit 1979 betreffend.

Dabei war er als ehemaliger Beauftragter des staatlichen Rundfunks und Fernsehens ein williger Vasall und seit (2004) aalglatter Trickser im Verschleierungsprozess um die wahren nuklearen Absichten des Iran - so lässt sich wohl am besten die Funktion und (wahrscheinlich) "menschliche" Eigenart eines Menschen beschreiben, der Lüge und Täuschung besser beherrschte als kaum jemand in der Führungsclique des klerikal-faschistischen Mullah-Regimes. Wofür sonst wurde er auch eingestellt?

Laridschani ist ein typisches Produkt der islamischen Revolution von 1979. Sein soziokultureller Hintergrund unterscheidet sich aber deutlich von dem Ahamadineschads. Als „Aqazadeh“ (Herrensohn) entstammt er der Familie des mächtigen Großajatollahs Haschem-Amoli und hat nicht ganz zufällig beste Beziehungen zu Ayatollah Ali Chamenei aufgebaut, dem religiösen Führer und mächtigsten Mann im Staat, der Ahmadinedschad an seinen Fäden tanzen lässt. Seit seiner Amtszeit als Leiter des staatlichen Fernsehens IRIB (1994-2004) unterwarf sich Laridschani bedingungslos den Zielen der Mullahs, die den Weg in die (innenpolitisch) islamische Steinzeit als Prämisse vorgaben.

Diese devote Ergebenheit musste ihn zwangsläufig in Positionen hieven, die mit der atomaren Aufrüstung des Iran in Verbindung zu setzen sind - und mit den handelnden Personen zusammenbringen, die sich seiner brillanten intellektuellen Kenntnisse und Fähigkeiten bedienten. Der Weg zur Zusammenarbeit mit dem Brachialproleten Ahamadineschad war also vorgezeichnet.

Die Verhandlungstaktik des Iran in den Gesprächen um seine nuklearen Ambitionen hat ein Gesicht: Laridschani, der seine Kredibilität als Verhandlungspartner aber schon früh deshalb verlor, weil er den Holocaust als „offene Frage“ behandelte.

Zudem war die in totalitären Staaten bestens geölte Maschinerie des sturen Beharrens im Wechselspiel mit schrittweisem Entgegenkommen in seiner Person so deutlich präsent, dass man oft meinen konnte, der Iran wäre in Atomfragen lediglich mit einer Person vertreten. Dabei war (und ist) es immer Chamenei, der die Richtung vorgab.

Als im Januar 2006 ein Abgeordneter des Bundestages nach einer Unterrichtung durch BND-Chef Ernst Uhrlau berichtete: „Uns wurden die Augen geöffnet, dass die Planungen am Bau einer Atombombe sehr viel weiter fortgeschritten sind, als wir bisher wussten“ [3], hatte Laridschani kurz vorher zum wiederholten Mal - wie immer bisher - in bester taktischer Manier neue Gesprächsbereitschaft angedeutet. Die kurz darauf verlautbarte Aussage Ahamadineschads, man werde bis März 2007 die kritische Schwelle mit der Inbetriebnahme von 3.000 Zentrifugen für die Urananreicherung überschritten haben, ist heute obsolet. Wir schreiben Ende Oktober 2007 und die kritische Phase ist schon überschritten.

Nun folgt auf Laridschani der Ahmadinedschad-Vertraute Saeed Jalili, bisher stellvertretender Außenminister für europäische und amerikanische Angelegenheiten. Im Westen rauft man sich die Haare und sieht eine Verschlechterung der Beziehungen zum Iran heraufziehen, als ob die Situation nicht schon dramatisch genug wäre. Die Einschätzung westlicher Kommentatoren wird sich jedoch schnell als Irrtum herausstellen. Es wird so (schlecht) bleiben wie es ist.

Der gelernte Philosoph und Kant-Leser Laridschari bezeichnet sich als „Usulgara“ - einen Grundsatztreuen, auch wenn er sich selbst einen Hang zum pragmatischen Konservativismus attestiert - pragmatisch eliminatorisch eben, was seine Haltung zu Israel betrifft. Saeed Dschalili wird ihn in dieser Hinsicht nicht überbieten können. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der geschmeidige Laridschani in allen Sesseln bequem sitzt, wenn nur Eines eintrifft - nämlich, dass er an die Schaltstellen der Macht kommt.

Und hört man, dass Chamenei nicht abgeneigt sein soll, Ahmadinedschad durch Laridschani zu ersetzen. In der Sache - den Erwerb der Bombe und die Vernichtungsabsicht gegenüber Israel - wird sich nichts ändern. Aber es soll, geht es nach den Mullahs, geräuschloser und „diplomatischer“ zugehen. Die Ausrichtung ist indes zweitrangig. Für Männer wie Laridschani ist stets das erste Gebot, die eigene Karriere zu fördern, und wenn er über Leichen geht. Bewiesen hat er es bei den Pasdaran (Revolutiosgarden) schon. Er wird auch einen Iran nach den Mullahs überleben. Ein Chamäleon eben. Nur nicht in Schwarzweißstarre.

Fußnoten:

[1)] Patrick Cronin ist Experte für die Nichtverbreitung von Atomwaffen beim britischen Thinktank International Institute for Strategic Studies

[2] Die Abkürzung EU 3+3 (Drei europäische Staaten plus die anderen 3) bezeichnet die Staatengruppe Großbritannien, Frankreich, Deutschland, USA, Russland und China. Sie wurde geprägt, als sich diese Staaten in den diplomatischen Bemühungen um Irans Aktivitäten zusammenschlossen.

[3] Matthias Gebauer, Versteckspiel mit den Kontrolleuren, in: Spiegel-Online, 19. Januar 2006.

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