Dienstag, Oktober 02, 2007

Putins ultimativer O Goshi


Was Wladimir Putin anpackt gelingt meist - bisher. Der sich zuweilen bieder gebende russische Präsident vereinigt in sich Eigenschaften, die man nicht jedem seiner Konkurrenten, geschweige denn seinen Vorgängern im Amt attestieren kann. In Sankt Petersburg als Sohn eines Waggonbauers und einer Sanitäterin geboren lernte er in den ärmlichen Hinterhöfen seiner Stadt schnell, seine Talente Gewinn bringend einzusetzen und in einem atemberaubenden Karrieretempo das Zentrum der Macht in Moskau zu besetzen. Der Mann, dessen sportliche Fähigkeiten (Judo-Schwarzgurt) und ungebremster Karrieredrang, gepaart mit einer anständigen Portion Raffinesse und Rücksichtslosigkeit, für seinen katapultartigen Start in die Nomenklatur der sowjetischen und späteren Jelzin-Ära sorgten, steht wieder einmal auf der Matte und versucht, einen O Goshi (großer Hüftschwung) anzubringen.

Doch wie alle politischen Karrieristen erreicht auch Putin einmal die Wegscheide, die ihm abrupten Absturz oder nahezu lebenslange Machtfülle bescheren kann, auch wenn er sich in letzter Zeit des Öfteren in Posen ablichten ließ, die ungebrochene Kraft symbolisieren sollen. Kraftmeierei dieser Provenienz nutzt jedoch wenig angesichts der Tatsache, dass er es diesmal mit einem Gegner zu tun hat, den er schon im Griff hatte - der Duma. Die russische Volkskammer soll dem Präsidenten, der laut Verfassung im nächsten Jahr seinen Stuhl räumen muss, den Weg für eine dritte Amtsperiode ebnen. Wenn schon nicht gleich, dann wenigstens ab 2012. Dies allerdings würde eine Zweidrittelm
ehrheit und eine Verfassungsänderung durch die von ihm in den Wahlkampf geführte Partei Einiges Russland voraussetzen.

Das von Putins Anhängern angestrebte Szenario: Seine Partei erringt ob dessen derzeit überaus großer Popularität mehr als 300 der 450 Parlamentssitze und hievt ihn ins Amt des Ministerpräsidenten. Parteifunktionäre wie Andrej Worobjow schwelgen in Vorfreude angesichts dieser Aussichten, die an die Wiederauferstehung der KPDSU erinnern, wenn sie damit prahlen, dass sämtliche Wünsche der Kreml-Führung nur noch durchgewinkt werden brauchen. Putin bräuchte demnach nur bis 2012 zu überwintern und die nötigen Verfassungsänderungen durch seine Zweidrittelmehrheit durchpeitschen lassen.

Ganz so einfach wie von den Parteistrategen von Einiges Russland anvisiert dürfte der Durchmarsch allerdings nicht unbedingt werden. Den einen oder anderen Ippon (Höchster Wertungspunkt im Judosport) dürfte ausgerechnet der Mann erzielen, den Putin zu seinem Nachfolger auserkoren hat - und das auch noch mit einem Eigentor, um in die Fußballersprache zu wechseln: Viktor Subkow (66), der zwar auch, wie Putin, den Geheimdiensten und dem Militär nahesteht, aber in der Bevölkerung nur etwa 4-5% Unterstützung genießt.

Zwei Szenarien, die sich an Subkow festmachen, könnten für Putins Zukunft bestimmend werden: Zum einen ist es russische Gepflogenheit seit Ende der Dikatatur, dass jeder Präsident, sobald er installiert war, alle Machtfülle absorbiert hat, die ihm das Gesetz einräumte und so den Premier in Schach
hielt.

Eine andere Gefahr könnte Putin aus der Schwäche Subkows erwachsen, wenn diese auf Putins Regierungsgeschäfte abfärbt und ihn mit in die Bedeutungslosigkeit ziehen sollte.

Doch geht es nach Garry
Kasparow, dem Spitzenkandidaten des Bündissses Das andere Russland, wird der Kampf diesmal auf dem Schachbrett und nicht auf der Judomatte ausgetragen und Gegner Putin sein Eröffnungsspiel nach allerhöchster Wahrscheinlichkeit mit Rochade und Matt beenden. Im März kommenden Jahres werde es noch zu keinen großen Veränderungen kommen, sagte er, der bereits mehrfach das Ende der Putin-Ära verkündet hatte. In einem Interview mit der Moskauer Zeitung Nowaja Gaset räumte er nun ein, dass die Mächtigen noch genug Ressourcen haben, ihre Position zu sichern.

Nur werden diese Potentaten dann unter Umständen weder Putin noch Subkow sein, wenn sich erstgenannter doch noch dazu durchringen könnte, unter den Vizepräsidenten Sergej Iwanow und Dmitri Medwedew seinen Nachfolger auszuloben, denn schließlich stammt von ihm selbst ja der Satz "Ich kann mir vorstellen, im Team mit einem anständigen Präsidenten selbst Ministerpräsident zu sein".

Ippon für Putin
hieße das dann - und der Punkt wäre sogar verdient, auch wenn ihm Iwanow und Medwedew den Weg zurück an die Macht für immer versperren sollten.

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