Donnerstag, Januar 03, 2008

Wenn Gott im Pfarrhaus abhanden kommt


Evangelium ohne Gott?

Pfarrer oder Theologen haben’s nicht leicht. Geben sie zu erkennen, welchem Beruf sie nachgehen oder welche Ausbildung sie haben, folgt nicht selten ein „Ja, dann müssen Sie ja einen besonders guten Draht zum lieben Gott haben“. Schreien könnte man ob solcher abgrundtief oberflächlichen Fragen und darauf erwidern, dass Anliegen wie diese nicht nach Dienstleistungskategorien „abgefertigt“ werden können. Und wie sieht es mit dem Fragesteller aus? Kann er seine Privatangelegenheiten mit dem Gott, an den er zu glauben vorgibt, nicht selbst besprechen, indem er sich betend die Bibel vornimmt? Oder einfach einen Mitchristen bitten, für ihn zu beten - oder mit ihm zusammen?

Nicht wenige evangelische Pfarrer empfinden ihre Berufung, die im „Tagesgeschäft“ natürlich auch „Beruf“ genannt wird, als schwere Bürde. Neben den vielen Aufgaben, die sie gleichzeitig zu bewältigen haben, schleichen sich im Laufe des Berufslebens Anfechtungen und Zweifel ein. Nun sind Zweifel und Glauben Geschwister. Und daran ist überhaupt nichts auszusetzen. Man würde sich in die eigene Tasche lügen, wenn man abstreitet, dass der Spagat zwischen beiden Polen ein Leben lang geübt werden muss. Ein Mensch, der von sich behauptet, er habe seinen Glauben zu diesem oder jenem Zeitpunkt oder da oder dort empfangen oder angenommen und ihn bis heute in der gleichen Form bewahrt, löst bei mir erst einmal skeptisches Kopfschütteln aus, weil dies m.E. nicht nur (geistlichen) Stillstand bedeutet, sondern auch deshalb, weil diese Haltung ein „Verwalten“ und „Verfügen“ des Glaubens impliziert, das sehr viel mit Werkgerechtigkeit zu tun hat. In diesem Fall sieht man den Glauben als Eigenleistung und setzt seinen (falschen) Stolz darauf.

Bei Pfarrern wird oft vorausgesetzt, dass ihr Gottesbild fest im biblischen Fundament verankert sei. Doch wie verhält es sich, wenn ein Pfarrer seinen Glauben an Gott verliert und in eine Sinnkrise stürzt? In den Niederlanden wurde anhand einer Untersuchung festgestellt, dass ein gutes Fünftel aller Pfarrer und Theologen an der Existenz des biblischen Gottes zweifelt. Man kann davon ausgehen, dass sich die Studie auf Deutschland übertragen lässt.

Deutschlandradio Kultur hat das Thema aufgegriffen und in einem Beitrag verarbeitet. Castollux hat den Text unbearbeitet übernommen.


Atheisten auf der Kanzel

Niederländische Pfarrer zweifeln an Gott

Von Michael Hollenbach

Wer die Worte Christi verkündet, der muss sich sicher sein. Zweifel an der Existenz und Allmacht Gottes sind in dem Beruf des Pfarrers nicht vorgesehen. Doch eine niederländische Studie zeigt, dass Theologen damit häufig Probleme haben. 16 Prozent der Pfarrer sind sich Gott nicht sicher, 2 Prozent gestehen ein, nicht zu glauben.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben: Ich glaube an Gott, den Vater.

"Ich bringe es für mich immer so auf die Formulierung: Ob es einen Gott gibt, kann ich nicht sagen, ob es einen Gott nicht gibt, kann ich nicht sagen, die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, stellt sich für mich nicht mehr. Mir sind andere Sachen wichtig geworden", sagt der Hamburger Mario Buletta. "Ich bin gelernter evangelischer Pfarrer und ich mache jetzt Kabarett, Moderationen, rhetorische Schulungen und führe Regie im Bereich Kleinkunst." Mario Buletta ist einer von Hunderten von Theologen, die ihren Glauben verloren haben. Mario Buletta hat die Konsequenzen gezogen und seinen Talar an den Nagel gehängt:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Viele, die als Pastorinnen und Pastoren von Berufs wegen an Gott glauben müssten, wissen nicht mehr so recht, woran sie glauben sollen, sagt der niederländische Religionssoziologe Hijme Stoffels. Er hat den Glauben holländischer Pfarrerinnen und Pfarrer untersucht. Eines seiner Ergebnisse: Für die meisten Theologen ist Gott so etwas wie Licht, Kraft oder eine Vaterfigur, aber ein allmächtiger Schöpfer des Himmels und der Erde ist er nur noch für 40 Prozent der evangelischen Theologen. "Die Leute zwischen 35 und 65, das ist nur eine Minderheit, die sich darin finden kann mit der Deutung: Gott als Allmächtiger." "Ich bin ein Pfarrer und ein Atheist", sagt Klaas Hendrikse. Er ist Pastor der evangelischen Gemeinde im niederländischen Middelburg.

Ist er auch ein Christ? "Ich bin ein Christ, aber ich fühle mich nicht sehr christlich. Ich bin ein christlicher Pfarrer, deshalb ist es schon heftig zu sagen: Ich bin kein Christ. Ich bin hier in einer christlichen Kultur aufgewachsen, ich arbeite in einer christlichen Kirche, aber ich bin mir ziemlich sicher, wenn ich zum Beispiel in Thailand geboren wäre, dann wäre ich kein Christ." Damit zählt Klaas Hendrikse zu jenen Theologen, die gar nicht oder nicht mehr an Gott glauben. Der holländische Religionssoziologe Hijme Stoffels hat bei seiner Untersuchung festgestellt, dass ein erheblicher Teil der niederländischen Pfarrerinnen und Pfarrer Probleme mit dem Glauben hat: "Dann haben wir gefunden, dass 16 Prozent Zweifel an Gott hat und sogar zwei Prozent, die gesagt haben: Ich glaube nicht, dass es einen Gott gibt."

Immerhin: Wenn man die Prozentangaben hochrechnet, bedeutet das: Unter den evangelischen Pfarrern der Niederlande gibt es rund 70 Atheisten und der Amsterdamer Wissenschaftler ist überzeugt, dass sich die Ergebnisse seiner Studie auf die deutsche Pfarrerschaft übertragen lassen. Das würde bedeuten, das es hierzulande rund 450 atheistische, protestantische Pastoren gibt. "Ich hatte nicht erwartet, dass so viele Pastoren einen so existenziellen Zweifel an Gott haben würden, eine kleine Gruppe schon, aber das einer von sechs Pastoren sagt: Ich bezweifle, dass es Gott gibt. Das hat auch einen kleinen Sturm in der Kirche verursacht, dass Gemeindemitglieder ihren Pastor gefragt haben: Sind Sie auch ein solcher, der nicht an Gott glaubt?"

Klaas Hendrikse ist so einer. "Ich glaube nicht, dass Gott existiert, aber ich glaube an Gott." Der evangelische Pfarrer ist sich sicher: "Gott ist der Name für eine Erfahrung." Hendrikse unterscheidet zwischen eher belanglosen Erfahrungen, die nicht weiter bedeutend sind, und jenen Erfahrungen, Erlebnissen, die einen Menschen tief bewegen: "Was kann alles auf der Ebene der zwischenmenschlichen Erfahrungen passieren? Eines der Worte, mit dem man das beschreiben kann, ist Gott. Das ist es, wie ich Gott sehe: Es ist der Name für etwas, was man nur schwer begreifen kann, aber es ist nur ein Wort für Gott." Dieses Göttliche passiere zwischen den Menschen: nicht unbedingt in Gesprächen, sondern auch durch Schweigen, durch Gesten, durch Berührungen. "Du kannst das Gott nennen. Ich nenne es Gott."

Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Nein, Klaas Hendrikse glaubt als atheistischer Pfarrer nicht an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben
. Allerdings glaubt er daran, bald Ärger mit seiner Kirche zu bekommen. Der Grund: In diesen Tagen erscheint sein Buch, in dem er begründet, warum er nicht an die Existenz Gottes glaubt.

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