Mittwoch, September 16, 2009

Protokolle aus der Hölle

Shiva Mahbobi über ihre Erlebnisse in iranischen Gefängnissen

Mein ausschweifendes Vorwort braucht es da nicht. Ich lass' alles so stehen, wie ich es von meiner Freundin Shayla bekommen habe, damit es authentisch und nicht geglättet ist. Und vergesst bitte wachsweiche und heuchlerische Solidaritätsbekundungen wie die von Claudia Roth oder ihrem Büroleiter Ali Mahdjoubi, die Regimegegner als Friedensfeinde abtun und damit den klerikalen Staatsterroristen in den Allerwertesten kriechen.

Lassen wir besser Shayla sprechen:

Ich möchte gern eine kurze Zusammenfassung bzw. stichpunktartig das wiedergeben, was eine junge Iranerin namens Shiva Mahbobi in den Gefängnissen von Iran erleben musste, damit auch unsere nicht-iranischen Freunde ein besseres Gefühl bekommen, wie es hinter den Mauern Irans ausschaut.


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-Mit 16 wurde Shiva unter der Islamischen Republik Iran für ca. 3,5 Jahre inhaftiert.

-In dieser Zeit lernte sie ca. fünf unterschiedliche Gefängnisse von innen kennen, u. a. auch das berühmte Evin.

-Als sie später mit Freunden ausserhalb Irans sprach, erzählten diese ihr von ihrem grossem Tag, an dem sie 18 wurden. Wie sie besondere Parties veranstalteten oder sonstwie diesen besonderen Geburtstag feierten. Auch Shiva wurde gefragt, was sie zu ihrem 18. Geburtstag, den grossen Tag der Volljährigkeit, machte. Shiva schluckt, und in der Tat fällt ihr ein, dass sie an diesem besonderen Geburtstag im Gefängnis sass - im Evin - wo sie eine Zelle mit 16 anderen Gefangenen teilte.

-Das Essen war immer extrem knapp, so dass Hunger ein Dauerzustand war. Um auf das WC gehen zu können, musste man oftmals betteln oder sich schlagen lassen.

-Während Shiva an diese schlimme Zeit ihres 18. Geburtstages denkt, wird ihr bewusst, dass diese grausamen Erinnerungen nicht erst dann stattfanden. Sie waren da - seit ihrem 16. Lebensjahr - seit dem Tag, als man sie als junges Mädchen ins Gefängnis warf. Bereits am allerersten Tag liess man sie bis zum nächsten Tag nicht auf die Toilette, und sie krümmte sich regelrecht vor Schmerzen, weil sie auch vor lauter Angst so dringend musste.

-Wenn sie kamen, um sie zu verprügeln und zu foltern, banden sie Shiva mit ihren Händen und Füssen an ihrem Bett fest. Sie wusste nicht genau, womit man auf sie einprügelte, aber es war etwas sehr Hartes. Noch in diesem Augenblick, sobald sie ihre Augen schliesst, spürt sie regelrecht die Schläge und die Schmerzen in ihren Zehen. Sie schlugen sie direkt in die Mitte ihrer Fussohlen, das sich wie ein Elektroschlag durch ihren gesamten Körper anfühlte.

-Sie brachten sie in andere Gefängnisse. In einem Gefängnis (Kermanshah) hielt man sie sieben Monate gefangen, in einer Zelle, die ca. 1m x 1,5 m gross war. Von diesen sieben Monaten verbrachte sie sechs Monate, mit Ausnahme des Toilettenbesuchs, AUSSCHLIESSLICH in ihrer Zelle.

-Eines der schlimmsten Erinnerungen an diesem Gefängnis war, dass sie nachts Angst hatte, zu schlafen. Die Angst, nachts vergewaltigt zu werden. Sie wollte wenigstens wach sein, sollte dies geschehen, damit sie nicht völlig irre werden würde. (*ich hoffe, das hatte ich so richtig verstanden)

-Im nächsten Gefängnis (Kamyaran) verbrachte sie wieder mehrere Monate, wovon sie einen Monat lang in einer sehr kleinen Zelle verbrachte, wo es absolut kein Licht gab. Den Tag konnte sie durch den kleinen Sonnenstrahl durch das Mini-Gitterfenster erahnen, doch die Abende waren unendlich durch ihre Unfähigkeit, sehen zu können.

-Wenn sie ihr Essen brachten, so merkte sie nur anhand des Geruchs, dass es irgendwas zu essen war, und vor lauter Kälte umschlang sie ihren warmen Teller, um sich daran etwas aufzuwärmen.

-Wenn sie heute an ihre Jugend zurückdenkt, hat sie absolut keine positiven Erinnerungen. Erinnerungen von Gewalt, Angst, Folter, Sehnsucht nach ihrer Familie usw... all das sind die Erinnerungen, die Shiva heute an ihre Jugend hat.

-All die Qualen der Schmerzen durch die wiederholten und massiven Schläge hat sie heute vielleicht überwunden. Was sie nicht überwinden kann und wohl nie wird überwinden können, ist der seelische Schmerz, der Schmerz in ihrem Herzen.

-Aber es geht ihr nicht nur um ihre Erinnerungen, Schläge gegen sie, Folter gegen sie. Es sind auch die Erinnerungen an andere Menschen, die sie nicht loslassen. Wie z. B. ein junges Mädchen aus ihrer Zelle, das so dermassen gefoltert und vergewaltigt wurde, dass man durch den Geruch, der an ihr klebte, nicht mal richtig mehr atmen konnte. Dieses Mädchen wurde so schlimm misshandelt und vergewaltigt, dass sie völlig verrückt geworden war.

-Ein Mädchen aus dem Gefängnis Kermanshah fiel ihr auf, dessen Fussnägel regelmässig eiterten und abfielen. Shiva wunderte sich, warum das so war. Warum? Die Antwort sollte Shiva bald erhalten. Während dieses Mädchen bereits gefoltert und gequält wurde, drohte man ihr, etwas mit ihr anzustellen, das sie nie im Leben vergessen sollte. Man steckte Nadeln unter ihre Fussnägel und liess sie dort eine Weile stecken. Immer wieder passierte es, dass das Mädchen sich vor Schmerzen krümmte. Ihre Zehen eiterten, sie musste operiert werden. Danach tat man ihr das wieder an und wieder und wieder... Sie wird das wohl nie im Leben vergessen haben.

-Ein anderes wunderschönes Mädchen im Gefängnis Rezaie, das auch Gefängnis des Meeres genannt wird, über das erzählt wurde, dass sie ein sehr intelligentes Mädchen war, wurde so brutal misshandelt und gefoltert, dass sie völlig verrückt geworden war. Aus ihr kamen nur noch Tierlaute heraus. Und weil sie das tat, wurde sie, trotz dem ihre Zeit im Gefängnis abgelaufen war, nicht wieder freigelassen. Shiva sah sie wie eine beste Freundin - eine Freundin, die vor ihren Augen starb - und sie nur hilflos dabei zusehen konnte. Auch diese Erinnerungen lassen Shiva nicht mehr los.

-Als Shiva freikam, versprach sie sich selbst, dass sie dafür sorgen würde, dass kein einziges junges Mädchen oder Junge jemals solche Erfahrungen in ihrer/seiner Jugend, ihren/seinen besten Jahren machen sollte wie sie das einst durchleben musste.

-Erinnerungen der Stimmen ihrer alten Klassenkameradinnen, 12, 13, 14 Jahre alt damals, die man festnahm, folterte, vergewaltigte, exekutierte.
Die Pasdaran (Regime-Polizei), die die jungen Mädchen vergewaltigten, kauften danach einen Karton "Shirini" (süsses Gebäck), brachten es der Mutter der Vergewaltigten mit den Worten:
"Ich habe Deine Tochter geheiratet."

-"Ich will ihre Stimme sein, ich war ihre Stimme und werde immer ihre Stimme sein", sagt Shiva Mahbobi.

shiva.mahbobi@gmail.com

Hier das Video.


Und ich sage: Danke Shiva, dass Du Deine Geschichte, die mir so unendlich Gänsehaut bereitet, mit uns teilst. Dass Du bereit bist, durch Deine Erzählungen und Erinnerungen jedes Mal von Neuem durch diese Schmerzen und Qualen zu gehen, um die Stimme all der Shivas im Iran zu sein. Ich danke Dir, und ich verbeuge mich vor Deinem Mut!

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Hattip: Shayla

Crossposting mit FreeIranNow!

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