Dienstag, Februar 08, 2011

Ein Chamäleon beim Wort genommen: El-Baradei wird zitiert

Okay, Chamäleons wie El-Baradei kann man eigentlich nicht beim Wort nehmen. Sie wechseln sprunghaft ihre Farbe und sind ebenso dingfest zu machen wie Aale, die in Olivenöl getaucht worden sind.

Mohamed El-Baradei war von 1997 bis 2009 Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), für die er 2005 den Friedensnobelpreis wegen der erfolglosen Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak nach dem Sturz des Saddam-Regimes einheimste. Heute fragt sich nicht nur der Rest der halbwegs klar denkenden Welt, warum er diese Auszeichnung erhalten hat.

Er spielt eine zentrale Rolle in der aktuellen ägyptischen politischen Krise, die im Januar 2011 begann. Von mehreren Gruppierungen, darunter der Muslimbruderschaft, wird er als Führer der Opposition gegen den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak angesehen und unterstützt.


Mitchell Bard hat im Folgenden eine Sammlung von Baradei-Zitaten zu Ägypten, den Vereinigten Staaten, Israel und zur Verbreitung von Atomwaffen unter die Lupe genommen.

Castollux
hat die wichtigsten Passagen von Baradei-Zitaten übersetzt und (teilweise) ganz unten kommentiert (Besten Dank an Mitch!).

Baradei sagt:

Zur Muslimbruderschaft

"Die Muslimbruderschaft ist immer wieder eine dieser falschen Fiktionen, die erfunden wurden, nämlich, dass sie, wenn sie einen religiösen Staat nach dem Vorbild des Iran gründete, Extremisten wie Al-Qaida hervorbringen würde. Die Muslimbruderschaft, wie man sie in den Straßen sieht, ist religiös konservativ, aber bereit, im Kontext eines zivilen Staates zu arbeiten im Rahmen einer Verfassung (1), die gleiche Rechte und Pflichten gewährleistet." (Wall Street Journal, Februar 2011.

"Die Muslimbruderschaft ist konservativ-religiös, sie stellt überhaupt keine Extremisten und sie wendet in keiner Weise Gewalt an .... Man kann sie in die Regierung einbinden wie Evangelikale in den USA oder orthodoxe Juden in Jerusalem." (ABC), Januar 2011


"Die Muslimbruderschaft hat nichts mit Extremismus zu tun ... Ich habe Kontakte zu ihr. Wir müssen sie einbeziehen." (CNN), Januar 2011


Zum Iran


"Wir haben viel Zeit mit den "Vorbedingungen" der Bush-Administration zur Aufnahme von Verhandlungen verloren, die nicht verhandelt werden sollten, bevor nicht alles, was zu positiven Verhandlungen geleistet werden würde, vorher zugesagt werden würde." (Huffington Post), August 2010

"Ich gehe nicht davon aus, dass die Iraner tatsächlich Atomwaffen produzieren." (Der Spiegel), Juli 2010 (2)


"Ganz allgemein wird die Gefahr eines nuklear bewaffneten Iran überschätzt." (Der Spiegel), Juli 2010


Zur Wahrscheinlichkeit eines Friedens zwischen Israel und Palästinensern


"Wir alle wissen, wie diese Lösung aussieht: Grenzen vor 1967, Teilung Jerusalems, Wiederansiedlung der Flüchtlinge. Nur darin besteht die Lösung. Nicht durch die Schaffung von mehr Unsicherheit, nicht durch mehr Demütigung." (Huffington Post), August 2010

"Wir sprechen seit den letzten 20 Jahren über Frieden, aber in der Palästina-Frage gibt es keine Fortschritte" - (Palästinensisches Information Center), Dezember 2010


"In Israel muss eine Regierung an die Macht kommen, die die Grenzen von 1967 anerkennt.“ - (Der Spiegel), Juli 2010


Zum Status Israels als jüdischem Staat


"Dazu gebe ich keine Stellungnahme ab." - (JTA), Februar 2009

Zur israelischen Blockade und Politik, Gaza betreffend


"[Die Blockade ist] ein Schandmal auf der Stirn aller Araber, aller Ägypter und jedes menschlichen Wesens." - Al Quds al Arabi, Juni 2010

"Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um das Leid der Menschen [in Gaza] zu mindern: Öffnung der Grenzen, Ende der Blockade! "- (Der Spiegel), Juli 2010


"Unterdrückung ist keine Lösung." - (Der Spiegel), Juli 2010


"Zurzeit ist ... Gaza das größte Gefängnis der Welt." (3) - (Foreign Policy), Februar 2010


"Gaza erhält nur 31 der "lebensnotwendigen Güter" von der israelischen Seite, obwohl es Tausende von Produkten benötigt. Es bekommt keinerlei Baumaterialien. Es bekam 41 Lkw-Ladungen Baustoffe; alles liegt in Schutt und Asche. Das widerspricht meiner Meinung nach gegen die "Schutzpflicht", die mit viel Getöse im Jahr 2005 von allen Staatsoberhäuptern bei der UN angenommen worden war. Die Erfordernis, dass man Politik von humanitärer Hilfe und Schutz für die Zivilbevölkerung trennen muss, wurde vor hundert Jahren in den Haager und Genfer Konventionen etabliert."- (Foreign Policy), Februar 2010


"Die Politik gegenüber Gaza ist ein Fehlschlag. Mehr als das: welche Nachricht sendet diese Politik an den Rest der arabischen Welt aus? Gaza erlebte eine der ersten demokratischen Wahlen in der Region. (4) Und es ist in Schutt und Asche gelegt worden; seine Bevölkerung hungert wegen der scharfen politischen Auseinandersetzungen zwischen ihren gewählten Vertretern und Israel. " (Huffington Post), August 2010


"Vor allem aber müssen wir den eklatanten Verstoß gegen die Grundprinzipien des Völkerrechts festhalten, wie etwa das Recht auf einseitige Gewaltanwendung, Verhältnismäßigkeit von Selbstverteidigung und Schutz der Zivilbevölkerung während Feindseligkeiten, um eine Wiederholung der Blutbäder in der Zivilbevölkerung….in Gaza….zu vermeiden" - (Reuters, Februar 2009


Zum israelischen Angriff auf den syrischen Reaktor im Jahr 2007 (5)


"Was die Israelis taten, war Verletzung des Völkerrechts. Wenn die Israelis und die Amerikaner Informationen über eine illegale kerntechnischen Anlage gehabt haben sollten, hätten sie uns unverzüglich benachrichtigen müssen."[Es darf herzlich gelacht werden (bd)] - (Der Spiegel), Mai 2009

Zur ägyptischen Politik gegenüber Gaza


"Ich sehe ein großes Problem bezüglich [Ägypten] das weiterhin denen als Komplizen dient, die das palästinensische Volk demütigen." - (Der Spiegel), Juli 2010


Zu einem Militärschlag gegen den Iran


"Es wäre völlig verrückt, den Iran anzugreifen. Es würde die Region in einen großen Feuerball verwandeln, und die Iraner würden sofort damit beginnen, eine Bombe zu bauen."- (Der Spiegel), Mai 2009 [Wenn das nicht bittere Realsatire ist, was dann? (bd)].

"Konfrontation….würde absolut in einer Katastrophe enden. Ich sehe keine militärische Lösung. Die einzige dauerhafte Lösung sehe ich in Verhandlungen und Inspektionen. " (CNN) [Bitte nach Inhalt googeln (bd) , Oktober 2007 (5)


Zur US-Außenpolitik


"Sie sollten Mubarak fallen lassen, und sie müssen sich auf die Seite der Menschen stellen." - (CNN), Januar 2011.
Einwurf von Castollux:

Ich sehe in Ägypten sehr wenige Frauen demonstrieren. Im Iran war das anders: da sahen wir eine Unmenge hoffnungsvoller weiblicher Gesichter auf den Straßen, ohne Schleier, geschminkt und geradezu provokativ auftretend: "Wir sind da, wir sind die Jugend und Zukunft Persiens"!

Sie wurden schnell weggeprügelt, verschleppt, ermordet und von unseren Medien vergessen.

Zufall?

Gibt es da nicht auch Berührungsängste seitens der Friedensbewegung und Medien getreu der Maßgabe: "Frauen sollten nicht in die Berichterstattung über Demos eingebunden werden, weil die Scheichs das nicht wollen?"

Gibt es hier nicht auch Berührungsängste, weil man glaubt, präkolonioale "Sünden" aufarbeiten zu müssen? Wenn das so wäre, fände ich das mehr als schäbig - sowohl gegenüber den Leidenden in Ägypten als auch gegenüber der Leserschaft hier im Westen.

Abgesehen davon fand am 12. Juni 2009 im Iran das erste Mal! eine groß angelegte Demonstration gegen ein islamisches Regime statt.

Heute passiert in Ägypten eine Revolution ähnlichen Ausmaßes gegen ein diktatorisches Regime, das nicht (!) islamisch gestützt war, sondern sich vielleicht auf dem Weg zum sunnitischen Klerikalfaschismus befindet, wenn nach der friedlichen Revolution nicht die richtigen Weichen gestellt werden.

Hat der Westen prinzipiell ein Problem damit, wenn es um Solidarität mit Menschen geht, die gegen ein islamisches Regime aufstehen?

Ja, und ich davon bin überzeugt davon, weil sich unsere Intellektuellen, unsere Behörden und Kirchen mit der islamischen Bedrohung arrangiert haben. Sie haben aufgegeben....

Anders kann man sich die Vehemenz, mit der die Medien jetzt vorgehen, kaum erklären, denn: es geht ja darum, unsere eigenen Beziehungen zu Mubarak und anderen Despoten in Frage zu stellen, und nicht darum, was der Islamismus in den heute zur Frage stehenden Umbruchländern vorbereitet bzw. in den Köpfen reformbereiter Jugendlicher anstiftet.

Ich behaupte ganz frech: Die Demokratiebewegung in Ägypten - und ich unterstelle ihr einmal, dass sie tatsächlich eine ist -, wird hauptsächlich von muslimischen und antisemitischen Männern bestimmt. Wer das nicht sieht ist blind - auch Broders Freund Hamed Abdel-Samad (siehe Fußnote (1), der am Sonntag von Anne Will hofiert wurde und teilweise dummes Zeug daherredete. War ich im falschen Film?

Noch weiter mit El-Baradei:


"Amerika pusht Ägypten und die ganze arabische Welt geradezu in eine Radikalisierung mit dieser plumpen Politik der Unterstützung von Repression." - New York Times, Januar 2011


"Was können Sie von [einer Bush] -Administration erwarten - einer Mixtur aus Ignoranz und Arroganz -, unzählige diplomatische Möglichkeiten auslassend und übergehend? Der gesamte Nahe Osten wurde in ein Riesen-Chaos verwandelt."- (Der Spiegel), Mai 2009


"Die Amerikaner dachten, sie könnten dem Iran mit der großen Keule drohen und zur Aufgabe zwingen. Aber die Arroganz, ein Land wie den Iran wie einen Esel zu behandeln, führt zu einer Verhärtung der Positionen." (5) - (Der Spiegel), Mai 2009


Zur Nichtverbreitung von Kernwaffen


"Die US-Regierung fordert, dass andere Nationen nicht über Atomwaffen verfügen sollten. Inzwischen bewaffnen sie sich selbst." - (Reuters), August 2003


"[Nichtverbreitung] muss bei den Besitzern von Atomwaffen beginnen: USA, Russland vorweg. Sie gingen bisher nicht mit gutem Beispiel voran. (6). Sie verbreiteten weiterhin die Botschaft....dass sie in völligem Widerspruch zu den im Jahr 1970 vereinbarten Vereinbarungen zur atomaren Abrüstung stehen."- Academy of Achievement, September 2010


"In Wahrheit gibt es keine guten oder schlechten Atomwaffen. Wenn wir nicht aufhören, mit zweierlei Maß zu messen, werden wir am Ende mit mehr Atomwaffen dastehen" - (Reuters), August 2003


"Israel ist die größte Bedrohung für den Nahen Osten wegen seiner Atomwaffen." - (Nachrichtenagentur IRNA), Oktober 2009


"Was das Problem verschlimmert hat, ist, dass das Gebot zur Nichtverbreitung von Atomwaffen seine Legitimität in den Augen der arabischen Öffentlichkeit bezüglich Israel, des einzigen Staates in der Region außerhalb des Non-Prolifaration-Treaty (NPT) verloren hat, des einigen Staates außerhalb des NPT-Abkommens, von dem man weiß, dass er Atomwaffen besitzt."- (Reuters), Februar 2009


-------------
1) Hamed Abdel-Samad, der sonst gerne letztes Jahr mit Henryk M. Broder durch Deutschland tingeln ging und schöne Scherzchen riss, illustriert hier unverständlicherweise (und unverhohlen?) das Bild einer Muslimbruderschaft, die reformfähig wäre. Ganz ehrlich: Nach dieser Sendung pfeife ich auf alles, was er bisher an positiven Verlautbarungen zu Israel und Demokratie schlechthin rausgelassen hat. Er agiert höchst indifferent. Einfach nur naiv.

Ich kann ihm nicht mehr glauben, insbesondere auch deshalb, weil er Netanjahu in Anne Wills Sendung Unaufrichtigkeit unterstellt hatte. Er hätte sich zudem vorher besser informieren sollen.


2) 2006 hatte Al-Baradei mit seinen Freunden in der iranischen Führungsspitze, darunter Ali Larijani, dem Chefunterhändler des Teheraner Mörderregimes, eine Absprache getroffen, die seinem ihm unterstellten Chefinspektor Chris Charlier sämtliche weiteren Untersuchungen verwehren sollte. Charlier Fehler: Er hatte schlicht und einfach zu genau geprüft und musste dann Büroklammern zählen.

3) Zu Gefangenenlager bzw. semantischer Steigerung siehe hier.


4) Das kannten wir schon, siehe in diesem äußerst interessanten Diskussions-Video ab Minute 4:45: Ralph Giordano und Daniel Goldhagen haben völlig Recht.

5) Darüber hatte ich 2007 geschrieben. Weitere Infos bei Lizas Welt und Heplev. Bitte googeln, weil die beiden Genannten zu WordPress wechselten).


6) Schön, dass El-Baradei hier wieder Verhandlungslösungen anbietet. Wie wir wissen, kennt er sich darin besonders gut aus.


7) El-Baradei ist mit einer Iranerin verheiratet. Das allein muss nicht viel sagen. Aber die Frechheit, anderen Mächten anzukreiden, dass sie den Iran (Persien!) wie Esel behandeln würden, muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wenn man sich ansieht, wie die Mullahs mit ihrem(?) Volk umspringen. Da schaltet El-Baradei auf Blindflug. Ist seine Frau komplett verschleiert?


8) Wieder eine Lüge von El-Baradei, der es nun wirklich genau wissen müsste: Das Abkommen START (Stratetic Arms Reduktion Talks) zur Reduzierung von Atomwaffen wurde von Ronald Reagan (er wäre übrigens dieses Jahr 100 geworden) initiiert und vom amerikanischen Kongress sowie Duma abgesegnet.
Das Chamälon sollte (und muss) eigentlich wissen, warum Israel aus seinem Nuklear-Gemeimnis kein öffentliches macht. Wieder einmal ein ganz dickes Minuszeichen für ihn. Wenn er denn schon so viel weiß, warum diskutiert er dann Israels militärstrategische Interessen nicht öffentlich?

Keine Kommentare: