Ich war doch sehr überrascht, ausgerechnet von Hamed Abdel-Samad einen Gastbeitrag im Der Freitag zu lesen.
Ob er sich dort bei Co-Autoren wie Jakob Augstein (Zionisten- und Islamkritiker-Hasser) und Avraham Burg (Alibijude für bourgeoise Antisemiten und Zionistenhasser) wohlfühlt, kann ich nicht beurteilen, aber mich nervt seine Geschmeidigkeit.
Bildquelle: WELT
Zu seinem Beitrag (kursiv) und meiner kritischen Abgleichung:
Religiöse Aufrüstung
Die einen reagieren auf die Integrationsdebatte mit Re-Christianisierung, die anderen mit Islamisierung. Diesen Wettlauf werden alle verlieren.
Schon die Überschrift ist falsch, weil eine Äquidistanz zwischen Islam und Christentum suggeriert wird, was inhaltliche Ausprägung und religionspädagogische Didaktik/Konsequenz betrifft.
Dazu folgende Memo für Hamed:
Christliche Religionspädagogik zielt auf emanzipatorisches Verhalten, Befähigung zum demokratischen Willensbildungsprozess und demokratischer Teilhabe ab; islamische (falls man dort überhaupt von Religionspädagogik sprechen kann) auf letztlich kritiklose Rezeption des Koran, der Sunna und Hadith.
Wie viel Muslimbruderschaft schlummert eigentlich noch in Hamed Abdel-Samads Unterbewusstsein, wenn er leichtsinnig solche unsinnigen Parallelen zieht?
Ärgerlich auch der Teaser: Der Terminus „Re-Christianisierung“ geht in die gleiche Richtung und sogar noch darüber hinaus: er inkludiert unterschwellig eine massive und aggressive Mission durch Christen heute. Mehr als ärgerlich angesichts der Tatsache, dass etwa 100 Millionen Christen weltweit allein deshalb diskriminiert und verfolgt werden, weil sie an Jesus Christus glauben - und das vorwiegend in islamisch dominierten Ländern.
Es geht auch nicht um einen missionarischen Wettlauf, der von den Christen aufgenommen worden wäre, sondern um eine Rückbesinnung auf biblische Kernsätze/Wahrheiten und das friedliche und nötigenfalls diskursive Einstehen zu christlichen Glaubensüberzeugungen - nicht mehr und nicht weniger. Wenn jemand in einen missionarischen Wettlauf eintritt, dann die Umma - siehe Afrika und Zentralasien, wo die christlichen Kommunitäten immer mehr zurückgedrängt werden.
Denn was Europa im Mittelalter geprägt hat, war nicht der Islam, sondern die arabisch-persische Kultur.Schon wieder falsch: Um prägend wirken zu können, hätte die arabisch-persische Kultur spätestens ab dem ausgehenden Mittelalter ihre originär-kulturellen Wurzeln im abendländischen Kulturraum so verankern müssen, dass deren Spuren heute noch einen dominierenden Einfluss auf die europäischen Kulturgeschichte haben (man lese Voltaires vernichtende Kritik).
Mit Übersetzungen aristotelischer Schriften, (zugegebenermaßen) wertvollen Beiträgen zum medizinischen Fortschritt und imperialistischem Plagiat des indischen Zahlensystems alleine ist es nicht getan. Auch arabische Prosa und Lyrik hinterließ bei weitem nicht die prägende Wirkung auf die europäische Geistesgeschichte, wie manchmal behauptet wird. Eher sollte man hier von kulturhistorischen Marginalien sprechen. Abgesehen davon sollte der Historiker Hamed Abdel-Samad wissen, dass die persische Hochkultur alles andere als islamisch geprägt war.
Sowohl Wulff als auch Friedrich haben mit ihren symbolisch aufgeladenen Soundbites die einen erfreut und die anderen verstimmt.Was soll der Schmarrn? Mittlerweile sollte es sich bis zu Hamed Abdel-Samad herumgesprochen haben, dass zumindest Friedrichs (leider unscharf formulierte) Aussage so zu verstehen ist, wie es Wolfgang Bosbach (CDU) völlig zutreffend exegetisiert hat: "Der Islam ist Teil der Realität in Deutschland, aber nicht Teil der Identität."
Was macht Hamed Abdel-Samad? Er schließt sich im Folgesatz völlig der Krokodilstränensemantik des linksradikalen Kampfblattes Der Freitag an:
Von einem Bundespräsidenten wie von einem Innenminister ist zu erwarten, dass sie sich mit Kernproblemen befassen: Bildungs-Ungerechtigkeit, mangelnde Teilhabemöglichkeiten, ein verzerrter Arbeitsmarkt.Wow! Hätten Sie’s gewusst?
Die Integrationsdebatte in Deutschland ist seit dem 11. September 2001 islamisiert worden, und es hat ihr nicht gut getan. […] Dafür (für den Islamunterricht; [Castollux]) spricht, dass die muslimische Community sichtbarer geworden ist, nach Aufmerksamkeit für ihren Glauben auch verlangt. Die Minarette wachsen. Doch sollte man dies nicht als Zeichen wachsender Glaubenstiefe missverstehen. Es hat vielmehr damit zu tun, dass viele Muslime in ihrer Identität noch stärker verunsichert sind als der Rest der Republik.Eben denke ich darüber nach, was Hamed Abdel-Samad unter (scheinbar gewünschter?) wachsender Glaubenstiefe und deren Konsequenzen versteht bzw. deren Auswirkungen auf Mohammed Atta.
In staatlichen Institutionen hat Religion grundsätzlich nichts zu suchen. Auch das Christentum übrigens nicht. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat für die christlichen Kirchen Steuern eintreibt.1) Der Staat treibt nicht Steuern nach Gusto ein. Vielleicht sollte sich der Historiker Abdel-Samad einmal mit der Entstehung des Landeskirchentums während der Reformation und dessen Auswirkungen befassen. Dann dürfte ihm das eine oder andere Licht aufgehen.
2) Die finanzielle Unabhängigkeit hat den Vorteil, dass die Pfarrer in ihren Predigten und ihrer Seelsorgearbeit keine Rücksicht darauf nehmen müssen, was ein Mäzen oder die spendende Gemeinde von ihnen erwartet. Kleine Einschränkung: Die Frage der Politischen Korrektheit und Blauäugigkeit im Umgang mit der islamischen Umma hat damit nichts zu tun - die findet man in allen christlichen Denominationen, bedauerlicherweise aber zu oft in der Amtskirche.
Sie brauchen Unterricht in der Bedeutung der Religionen, aber nicht von kirchlich gebundenen und daher voreingenommenen Lehrern.Schlampig argumentiert. Hamed Abdel-Samad versucht, dem gesamten deutschen Schulwesen die Diskussion um Ethik- oder Religionsunterricht aufzudrücken - so, als bestünde nur die Wahl zwischen Entweder und Oder. Eigentlich dachte ich, dass diese Diskussion seit dem Berliner Streit um den Religionsunterricht beendet sei.
Außerdem nervt mich die Formulierung „kirchlich gebundene und voreingenommene Lehrer“:
Was sollen sie denn sonst sein, wenn sie - wie ich auch - bekenntnisorientiert arbeiten? Vielleicht hat Herr Hamed Abdel-Samad schon einmal die Hilfe diakonischer oder karitativer Einrichtungen in Anspruch genommen bzw. gerät einmal in die Verlegenheit, diese in Anspruch nehmen zu müssen. Stellt er sich dann auch die Frage nach kirchlicher Gebundenheit und Voreingenommenheit?
Die von ihm beanstandeten kirchlichen Eigenschaften haben, so weit ich weiß, dem friedlichen und gedeihlichen Zusammenleben von Kirche und Staat seit 1949 nicht geschadet. Oder täusche ich mich da? War die Kirche der Pfahl im Fleisch des Staates, wie Samad hier glauben machen will?
[doch]… gibt es auch viele Anzeichen für eine religiös aufgeladene Selbsterzählung der Anhänger einer „christlich-jüdischen Leitkultur“ – was auch immer das sein soll.Hier kann ich Hamed Abdel-Samads Gedanken allerdings sehr gut nachvollziehen: der stetige Bezug auf eine quasi parallel und gemeinschaftlich agierende christlich-jüdische Leitkultur über zwei Jahrtausende hinweg ist mehr als heuchlerisch. Wir kennen die Ergebnisse. Doch flugs zeigt Hamed wieder, warum sein Beitrag gut zu Augsteins Käseblatt passt:
Es hat verschiedene Gründe, warum christlich-konfessionelle Schulen im Aufwind sind, eine neue bourgeoise Distinktionsabsicht gehört wohl dazu.Wo ist das Problem, Herr Klassenkämpfer?
Doch darf vermutet werden, dass viele Eltern sich den Herausforderungen der Multikulturalität schlicht nicht gewachsen fühlen.Schon wieder dieser undifferenzierte Gebrauch von „Multikulti“. Warum ich diesen Begriff für völlig verfehlt halte und ihn durch „multiethnisch“ ersetzt sehen will, können Sie hier nachlesen.
Das Kind auf die katholische oder evangelische Schule zu schicken, dient bei ihnen der Identitätshygiene und nicht bloß einer neo-elitären Abgrenzung. Gleichzeitig wächst die Zahl der türkischen Privatgymnasien mit Islam-Schwerpunkt.Und ewig grüßt das Äquidistanz-Murmeltier. Siehe dazu meine einleitenden Worte ganz oben.
Es zeugt von einem Mangel an Kreativität, dass wir auf die enormen Verunsicherungen im Zuge der marktwirtschaftlichen Umbrüche, der Globalisierung und der sie begleitenden Politik nach ganz altem Muster reagieren: Trost und Identität durch Religion.Herr Hamed Abdel-Samad scheint nicht zu begreifen, dass man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen - dass man die Probleme der Welt leidenschaftslos erkennen und als Christ (gleichzeitig) eine lösungsorientierte Sachlichkeit aus der Zuversicht des Glaubens an den einen liebenden und persönlichen Gott der Bibel (den gibt es im Islam nicht) entwickeln kann. Mit Rückzug aus der schnöden Welt hat das nichts zu tun - im Gegenteil: diese Sicht befähigt sogar zum entschlossenen und umsichtigen Handeln in der Welt. So verstehe ich Christsein. Und was spricht gegen Trost? Kann Hamed Abdel-Samad darauf verzichten?
Bedürfnis nach Spiritualität ist legitim, es sitzt tief, es ist nicht immer und bei allen von Angst getrieben – aber oft und bei vielen. Es ist eine Angst, die daher rührt, dass viele Menschen nicht trainiert haben, multiple Identitäten zu leben, sich Elemente anderer Kulturen anzueignen.Ich brauche dieses Training nicht. Und angstbefrachtet ist der Glaube an Jesus Christus schon gar nicht - genau das Gegenteil ist der Fall: Christus macht frei von (Todes-) Angst, weil er durch sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung den Tod überwunden hat. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Und eine multiple Identität muss ich schon gar nicht leben: lieber eine und die richtig.
Hamed Abdel-Samad hat allerdings insofern Recht, wenn er den Islam - was auch auf viele Naturreligionen zutrifft - als „angstbefrachtet“ bezeichnet. Das kann man am Verhalten der Gläubigen ablesen.
Meine Achtung anderer Kulturen und der Respekt vor ihnen orientiert sich allein an der Abgleichung mit den universellen Menschenrechten. Da halte ich es mit Wafa Sultan, die zwischen Barbarei und Zivilisation unterscheidet. Aber um das zu erkennen bräuchte ich keine Christentumschelte. Die ist so überflüssig wie ein Kropf im Voralpenland und ein Gastbeitrag Hamed Abdel-Samads in einem kommunistischen Blatt.
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Quelle: Der Freitag
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