Roland Nelles ist Mitglied der SPIEGEL-Chefredaktion. Was mich aber nicht davon abhält, zwei Passagen aus einem von ihm heute abgefassten Beitrag zu Osama bin Ladens Tötung zu kritisieren. Ich habe Herrn Nelles angeschrieben und ihn aufgeklärt.
Wie man an einem Titelfoto rechts aus dem Jahr 2002 erkennen kann, kennt sich der SPIEGEL in der Gestaltung aussagekräftiger Botschaften bestens aus. Da ist es auch unerheblich, wenn der Kontext grottenfalsch und antisemitisch konnotiert ist.
Guten Tag Herr Nelles,
Sie schrieben heute in Ihrem Beitrag Auge um Auge, Zahn um Zahn zur Tötung von Osama bin Laden Folgendes:
Nach dem aus der Bibel übernommenen uramerikanischen Grundverständnis ist mit Osamas Tod der Gerechtigkeit genüge getan: Auge um Auge, Zahn um Zahn.Ich möchte Sie dringend bitten, sich zu vergegenwärtigen, was die Redewendung wirklich bedeutet:
Es handelt sich hier um ein so genanntes ius talionis, das nichts, aber auch gar nichts mit einem „mit gleicher Münze heimzahlen“ zu tun hat. Hier - in einer wissenschaftlichen Klarstellung der Universität Heidelberg – können Sie nachlesen, wie das zu verstehen ist. Geben Sie bitte Ihre Erkenntnis an die Kollegen in der SPIEGEL-Redaktion weiter und vor allen Dingen: bitte berichtigen Sie die fragwürdige Passage in Ihrem Beitrag, um nicht weiteren Schaden anzurichten.
Des Weiteren schrieben Sie am Ende Ihres leider auch sonst recht naiven Artikels, in dem Sie für den gesamten Maghreb locker-flockig Demokratien vorhersehen:
Amerika muss endlich für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern sorgen. Sonst wird es wieder einen Osama geben.Was soll denn dieser völlig an den Haaren herbeigezogene Zusammenhang zwischen Al-Qaida, dem Aufstand in der arabischen Welt und einem Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern? Haben Sie irgendwann in den letzten Wochen gesehen, dass die Rebellen israelische Fahnen verbrannten, um damit Zusammenhänge zwischen der eigenen Situation und dem israelisch-palästinensischen Konflikt zu demonstrieren, wie es früher qua totalitärem Erlass regelmäßig angeordnet worden war?
Wenn jemand seit Jahrzehnten solche Zusammenhänge konstruiert, dann die westlichen Mainstream-Medien und - leider - Redakteure wie Sie.
Ihr Fazit „Sonst wird es wieder einen Osama geben“ zeugt überdies von einer ziemlich oberflächlichen Wahrnehmung der Zusammenhänge in Nahost. In diesem Beitrag (aber auch in vielen anderen) können Sie nachlesen, warum ich das sage.
Mit freundlichen Grüßen
XXX
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Update, 9. 5. 2011:
Herr Nelles hat nichts mehr von sich hören lassen. Auch sein Beitrag blieb unverändert so stehen. Da ich davon ausgehe, dass ich nicht der Einzige war, der ihn angeschrieben hatte, muss ich von böswilliger Vertuschung ausgehen.
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