Samstag, Februar 16, 2008

"Du kannst jeden für alles einsperren"


Willkürliche Schattenjustiz im Iran

Die iranischen (und syrischen) Machthaber scheinen Justitia zu lieben, wie man anhand der Reaktionen nach dem unverhofften Ableben des Terrorfürsten Imad Moughniyah feststellen kann. So schnell konnte man gar nicht mit den Fingern schnippen, da kündigten sie schon an, dass sie den Anschlag auf den Hisbollah-Kommandeur gemeinsam untersuchen wollten, so die amtliche iranische Nachrichtenagentur IRNA am Freitag.

Überraschen muss es wahrlich nicht, wenn verbrecherische Regimes an der Aufklärung von Fällen wie dem oben angesprochenen ein gesteigertes Interesse haben, dessen Protagonisten Verbrecher und Gangster der übelsten Sorte sind, die auf diesem Globus ihr Unwesen treiben. Und ebenso folgerichtig ist daher, dass es in den Staaten Iran und Syrien selbst alles andere als rechtsstaatlich zugeht.

Human Rights Watch nimmt die Menschenrechtsverstöße des Iran schon seit Jahren näher unter die Lupe und beschäftigt sich im unten stehenden Beitrag mit der Willkür, der die iranische Opposition ausgesetzt ist. Castollux hat die Zusammenfassung übersetzt.

Herzlichen Dank an Nasrin Amirsedghi für die Anregung.


"Du kannst jeden für alles einsperren"

KurdishMedia.com

Zunehmend mehr Menschen aus politischen Gruppen im Iran werden wegen ihrer Aktivität und ihres friedlichen Widerstandes gegen die Regierung eingesperrt - aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Die Inhaftierten werden oft in Einrichtungen gefangen gehalten, die nicht der allgemeinen Gefängnisverwaltung unterstehen. Die berüchtigste ist die Sektion 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, wo die Gefangenen Folter und brutalen Verhörmethoden ausgesetzt sind. Oft lassen die Behörden nach Wochen oder Monaten nur diejenigen frei, für die eine Kaution hinterlegt oder deren Gefängnisstrafe aufgehoben wird, wobei die Schergen stets mit der Wiedereinlieferung ins Gefängnis drohen, um die Häftlinge einzuschüchtern, sich forthin nicht mehr politisch zu betätigen oder offen abweichende Meinungen äußern.

Unterdrückung abweichender friedlicher Meinungsäußerungen war und ist ein Merkmal aller Regierungen der Islamischen Republik Iran, und es gab schon reichlich gesetzlichen Ermessensspielraum für die Verfolgung von Regimekritikern, als Mahmoud Ahmadinejad im August 2005 das Amt des Präsidenten übernommen hatte. Allem Anschein nach ist es die große Ausweitung in den Wirkungsbereich und die Zahl der Menschen und Organisationen hinein, die Ahmadinejads Amtszeit heute von den vorherigen unterscheidet.

Seit August 2005 haben iranische Sicherheitskräfte mindestens 35 Mitglieder der iranischen Frauenbewegung in Evin 209 inhaftiert. Sie sperrten auch Lehrer ein, die für bessere Gehälter und Altersvorsorge demonstrierten, Studenten und Aktivisten, die sich für soziale und politische Reformen einsetzten, außerdem Journalisten und Wissenschaftler, die sich politisch nicht aktiv betätigt hatten. In der Mehrzahl aller Fälle verbrachten die Inhaftierten einen Teil ihres Freiheitsentzugs oder die ganze Zeit über in Isolationshaft (manchmal monatelang) ohne die Möglichkeit, von ihren Familien besucht zu werden oder mit ihnen sprechen zu können; sie wurden massivem psychischen und physischen Druck ausgesetzt, um Geständnisse erpresst zu zu bekommen, ob wahrheitsgemäß oder nicht. Eine Reihe von Gesetzen im islamischen Strafgesetzbuch des Iran mit dem Titel "Verstöße gegen die nationale und internationale Sicherheit des Landes" ("Sicherheitsgesetze"), verschafft der Regierung breiten Spielraum, jegliche friedliche Aktion zu unterbinden, die sie als Kritik an ihrer Politik wahrnimmt.

Das iranische Gesetz beinhaltet auch die Verweigerung eines fairen Verfahrens für Häftlinge, die aus Sicherheitsgründen eingesperrt sind. Obwohl die iranische Verfassung eine Strafprozessordnung kennt und das Gesetz für Bürgerrechte einige Vorschriften zum Recht der Inhaftierten und den Vernehmungsmethoden enthält, bietet das iranische Gesetz auch Grundlagen, diese Rechte vorzuenthalten und die vorgeschriebenen Bestimmungen zu missachten. Mehr als in jeder anderer Periode der neueren iranischen Geschichte haben die Behörden die Sicherheitsgesetze als Vorwand für politisch motivierte Festnahmen und Inhaftierungen angewandt. Oft gibt es weder Haftbefehl noch andere gesetzliche Grundlagen, mit der Festnahmen begründet werden; stattdessen verhören die Behörden die Inhaftierten ohne Beisein eines Rechtsanwaltes, mit der Absicht, ihm ein „Geständnis“ abzupressen.

Dieser [Human Rights Watch] Bericht skizziert das rechtsstaatliche Verfahren unter Berücksichtigung der iranischen Strafprozessordnung ebenso wie die sicherheitsrelevanten Vorkehrungen, die quasi die Rechte aushöhlen. Ein weiteres besonderes Merkmal politisch motivierter Inhaftierungen unter Ahmadinejads Regierung betrifft nicht nur die Aktionen Einzelner, sondern auch ihre Verbindungen zu ausländischen Institutionen, Einzelpersonen oder (finanziellen) Unterstützerquellen. Regelmäßig wendet die Regierung die allgemein konzipierten Sicherheitsgesetze an - gegen Frauenrechtlerinnen, Studentenführer und Gewerkschaftsfunktionäre, um nahezu jeden unter Anklage zu stellen, „Spionage“ zu betreiben, „gegen die nationale Sicherheit zu agieren“, „aus dem Ausland finanziert zu werden“ oder eine „geheime Revolution" zu planen. Die Regierungspolitik der USA, Unterstützungsfonds für einen "Regime Change" im Iran zu fördern, wurde von der iranischen Regierung aufgegriffen, unabhängige iranische Bürgerrechtler zu beschuldigen, Agenten ausländischer Pläne zu sein. Prominente iranische Aktivisten haben aufgezeigt, wie die iranische Regierung die US-amerikanische Unterstützung dieser Fonds propagandistisch ausbeutete, um ihr brutales Vorgehen gegen eine bürgerliche Gesellschaft zu intensivieren.

Human Rights Watch fordert die Regierung des Iran auf, die vagen Sicherheitsgesetze und andere Gesetzgebungsverfahren zu ergänzen oder abzuschaffen, die es der Regierung ermöglichen, Menschen wegen ihrer friedlich geäußerten politischen Meinung in Interessengruppen und Verbänden willkürlich zu unterdrücken und zu verfolgen - ; dies im Bruch mit den Verträgen zu den internationalen Menschenrechten, zu denen auch der Iran sich verpflichtet hatte. Human Rights Watch fordert ebenso die Regierung auf, die Inhaftierten in Übereinstimmung mit den internationalen Standards zu behandeln und Evin 209 entweder unter Aufsicht der regulären Gefängnisverwaltung zu stellen oder endgültig zu schließen. Human Rights Watch appelliert an die Regierung der USA, sich offen auf die Seite der iranischen Zivilgesellschaft bezüglich seiner Unterstützungsfonds zu stellen, damit die Unterstützung durch die USA kein bequemer Vorwand für weitere Unterdrückung ist.

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Update Iran: 90 Prozent der Reformer dürfen nicht kandidieren

Bei der iranischen Parlamentswahl sind 90 Prozent der wichtigsten Reformkandidaten nach Angaben ihrer Parteien nicht zur Wahl zugelassen worden. Die Koalition der Reformgruppen werde sich nach den Verboten des Wächterrates nur noch um 67 der 290 zur Wahl stehenden Sitze bewerben können, sagte ein Sprecher der Gruppe gestern. Der Rat überprüft die Kandidaten nach Kriterien wie Loyalität zum islamischen Staatssystem.

Beim ersten Durchgang hatten mehr als 2.000 der 7.200 registrierten Bewerber keine Zulassung erhalten. Die Islamische Republik wählt am 14. März ein neues Parlament. Die nächste Präsidentenwahl steht 2009 bevor.

Hat tip: Nasrin Amirsedghi

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