Mittwoch, März 26, 2008

Die Persönlichkeitsrechte des "IM Schubert"


Oder wie ein Ex-Stasimitarbeiter erfolgreich einen couragierten Theologen und seine Schulklasse zu Denunzianten umdeklarieren ließ


Wenn es um die Abwehr der Aufdeckung von Machenschaften des ehemaligen VEB „Horch und Guck“ geht, kennen die ehemaligen Herren Spitzel, Zerstörer menschlicher Existenzen und Verursacher von noch heute nachwirkenden tiefen menschlichen Verletzungen kein Pardon. Da herrscht Kontinuität pur. Ähnlich wie die Kameraden von der Pappnasenfraktion rechtsaußen sind sie flugs mit dem scheinheiligen Denunziationsvorwurf zur Stelle, um diejenigen einzuschüchtern, die bisher übersehene und unter dem Teppich gehaltene Schweinereien publik machen.

So geschehen in einer schäbigen Burleske aus dem sächsischen Reichenbach, die seit Tagen die örtliche Presse umtreibt. Der Zwickauer Pfarrer und Religionslehrer Edmund Käbisch ist seit einigen Tagen mit einer einstweiligen Verfügung konfrontiert, die der Rechtsanwalt des ehemaligen Stasi-Spitzels „IM Schubert“ beim Landgericht Zwickau erwirkt hatte.

Was war vorgefallen?

Seit 2005 hatte Edmund Käbisch seine Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“ schon an 13 Orten in Westsachsen - darunter auch am Landgericht Zwickau - gezeigt. Dabei erfuhren die Besucher bisher 13 Mal schockierende Details über die Machenschaften von Mitarbeitern der Stasi, darunter „IM Schubert“, der auf einem Foto abgebildet war. Schon in jungen Jahren (während seiner Schulzeit an der Oberschule Reichenbach) hatte „Schubert“ sich vom MFS anwerben lassen und war auch relativ schnell „erfolgreich“ im Geschäft: Vier Inhaftierungen als Ergebnis seiner Spitzeltätigkeit und kontinuierlichen „Zersetzung politisch-operativer Randgruppen“, darunter Bausoldaten und Mitglieder evangelischer Studentenbünde, die dem Hammer-und-Zirkel-Staat den Dienst an der Waffe verweigert hatten und schon deshalb stigmatisiert und benachteiligt waren. „IM Schubert“ wurde für seine treuen Dienste mit viel Geld und Sachpreisen eingedeckt und erhielt ein Ticket für die Olympiade in Moskau 1980.

„Für Pfarrer Käbisch, der die Ausstellung gemeinsam mit Zwickauer Gymnasiasten zusammengestellt hatte, war „Schubert“ kein Mitläufer, sondern ein ’Premium-Spitzel’“, so die FAZ. Der Klarname „Schuberts“ war bei jeder Ausstellung angegeben worden, was in diesem Fall ja wohl nicht in den Bereich der Denunziation fällt, oder sehe ich das falsch?

“Schubert“ sah das anders. Er erwirkte beim Landgericht Zwickau eine einstweilige Verfügung, die in der Feststellung der Juristen gipfelte, „dass die Veröffentlichung des Klarnamens einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstelle.“ Draufgesattelt der Satz, der das Heuchelei-Fass überlaufen ließ: „Da der IM keine exponierte Position im Stasi-Gefüge gehabt hat und heute keine herausragende Stellung im öffentlichen Leben einnehme, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung höher zu werten als das Grundrecht auf Meinungsfreiheit.“

Zwischenzeitlich hat Pfarrer Käbisch beschlossen, die Ausstellung wieder abzubauen. Einen Rechtsstreit könnte er - so sieht es zumindest vorläufig aus - finanziell nicht durchstehen. Und so kündigte er an, „dass wir, um drohenden Schaden abzuwenden, die Ausstellung am [vergangenen] Samstag wieder abbauen."

Er weiß, was ihm blüht, wenn er weiterhin auf der Nennung des wahren Namens von „Schubert“ bestehen würde: Ein Zwangsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Haft bis zu sechs Monaten. Es ist wahrlich nicht leicht, gegen einen Mann wie Thomas Höllrich, Rechtsanwalt und Kommunalpolitiker mit Mandat der Linken, der die Interessen des betreffenden IM vertritt und die Vergangenheit der DDR als abgewickelt betrachtet, juristisch zu bestehen. Höllrich, ("In Reichenberg herrscht Pogromstimmung"): "Persönlichkeitsrechtsverletzungen bestehen unabhängig davon, ob der Antragsteller als IM tätig war."

“Vergangenheitsbewältigungsversuche“ wie im Fall “Schubert“ sind keine Seltenheit und der Unverfrorenheit der ehemaligen Peiniger scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. So können z.B. die Besucher der Gedenkstätte „Roter Ochse“ in Halle nicht immer davon ausgehen, dass die biografischen Angaben zu ehemaligen MfS-Offizieren mit den Originalnamen versehen sind - betroffene Offiziere reichten beim Landesbeauftragten für Datenschutz in Sachsen-Anhalt eine Beschwerde ein.

Frau Birthler, bitte übernehmen Sie!

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