Samstag, Juli 26, 2008

Atomwaffenfreie Welt? Die gefährlichen Tagträume Barack Obamas

Billiges Jonglieren mit Friedenssehnsüchten 
Ein gefährliches Spiel war es schon, das Obama an der Berliner Siegessäule mit den Friedenssehnsüchten vieler Zuhörer trieb - insbesondere mit den emotional oft überfrachteten Zukunftserwartungen junger Menschen.

Nachdem sich der Hype um die Wahlkampfrede des smarten, aber stets unverbindlichen Senators aus Illinois ein wenig gelegt zu haben scheint, ist es angebracht, sich näher mit der Aussage zu beschäftigen, die nahezu alle Kommentatoren im deutschen Blätterwald zu überschwänglichen Lobeshymen hinriss (lobenswerte Ausnahmen ausgenommen), nämlich seinem Versprechen, als gewählter Präsident weltweit alle Atomwaffen abschaffen zu wollen.

Dabei beschrieb er seinen Fahrplan wohlweislich sehr knapp: Weiterverbreitung und Entwicklung von Atomwaffen durch noch mehr Staaten sollen (wie?) verhindert und danach alle Atomwaffenarsenale auf diesem Globus beseitigt werden. Masterplan eines infantilen Geisterbahnfahrers? 

In welcher Welt lebt Barack Obama? Oder noch drastischer: Vielleicht im Wolkenkuckucksheim? 

Hehre und großsprecherische Ankündigungen also.

Und wer hört solch’ wohl klingende Botschaft nicht gerne? Petra Kelly hätte es in ihren besten Tagen nicht treffender formulieren können. Und auch ich war in den 1980er-Jahren (damals ziemlich naiv)  ganz hingerissen von den Friedenskundgebungen auf der Bonner Hofgartenwiese, als es gegen den NATO-Doppelbeschluss ging. Seit meiner politischen und theologischen Katharsis vor etlichen Jahren sehe ich das allerdings genau umgekehrt. Kelly und ihre Mitstreiter hatten eine Utopie, die in ihrer ethisch-pastoralen Substanz und monokausalen Sicht zum Teil sicherlich ihre Berechtigung zu haben schien und damals ob ihres sanften Wohlklangs ihresgleichen suchte, was das Wollen betraf - nicht aber das Können und die praktische Umsetzung dieses Traumes, der allein schon daran scheitern musste und immer wieder scheitern wird, weil er einem Menschenbild geschuldet ist, das sämtliche anthropologischen und sozio-politischen Faktoren schlichtweg negiert.

Ich sehe Anzeichen dafür, dass sich in unserer weitgehend säkularisierten und hedonisiert geprägten westlichen Welt (nichts gegen ausgelassene Freude, um nicht missverstanden zu werden!) und der zum Ersatz-Messias verklärten Person Obama das Bonner Hofgarten-Event wiederholt hat, speziell, was diese so eminent wichtige Frage der atomaren Bewaffnung betrifft.

Besonders in Krisen- oder politisch entscheidenden Umbruchssituationen wie seit dem Fall der Berliner Mauer lechzen viele Menschen nach ethischen Vorgaben, was umso schwieriger wird, je mehr der Markt anwächst, auf dem esoterische, religiöse und politische Ismen versprochen werden. Einschneidende Zäsuren in der Weltgeschichte erfordern und zeitigen oft Stellungnahmen und Machtverschiebungen, die spalterisch wirken (können). Diese Zäsur-Erfahrungen kennen wir, was das deutsche Beispiel betrifft, aus der Zeit nach den beiden Weltkriegen: zuerst negativ (Hitler 1933), dann positiv (das Grundgesetz 1949).

Hohle Versprechungen

Was liegt also näher, als Luftballons hochsteigen zu lassen und Obama beim Wort zu nehmen, auch wenn das Erwachen nach dem November 2008 umso erbärmlicher, weil realistischer ausfällt?


Unredlichkeit im Umgang mit historischen Fakten, Entwicklungen und späteren Schlussfolgerungen der von mir oben kurz angerissenen Zeit der 1980er-Jahre und gezielte Desinformation widerspiegeln am Beispiel Berlin exakt, dass hier ein disregardful Scriptwriter am Werke war, der Obamas Rede auf emotionale Öffentlichkeitswirkung getrimmt hatte - ein echter Strohmann eben. Denn so naiv kann dieser Kandidat aus Chicago nicht sein, dass er das in seinem Postulat angesprochene Atomwaffenproblem nicht schon vor seiner Rede, die mit Allgemeinplätzen für seine Graswurzler nur so gespickt war, gekannt hätte. Das allein schon deshalb nicht, weil er über seinen (dubiosen) rassistischen Prediger Jeremiah Wright über Jahrzehnte hinweg sein „geistliches“ Rüstzeug bezogen hatte.

In dieser Beziehung steht ihm McCain allerdings in nichts nach, um der journalistischen Sorgfaltspflicht und Ehrlichkeit Rechnung zu tragen. Es gibt also mehr als einen Grund, den „theologischen Beratern“ hinter beiden Präsidentschaftskandidaten auf die Finger zu klopfen und sich die ideologischen Strukturen dahinter genau anzusehen.

Wie kann man zukünftige (diktatorische) Atommächte wie den Iran durch Verhandlungen von der Bombe abhalten? 

Eigentlich nicht, wenn man sich die Kandidaten "Nordkorea" und "Iran" ansieht. Der nordkoreanische Steinzeitkommunismus einerseits und die schiitische Parusie (Endzeiterwartung) andererseits im mindestens ebenso geknechteten Iran des Zwölfer-Imam-Irrsinns sind zwar im politischen und weltanschaulichen Ansatz so unterschiedlich wie Feuer und Wasser, gleichen sich aber in ihrer totalitaristischen Ausrichtung und politischen Brisanz wie parallel geschaltete Hochspannngsleitungen ohne Isolierung.

Und auch da liegt noch nicht alles offen, es sei denn um den Preis der Selbstauflösung dieser totalitären Systeme durch - von der freien Welt unterstützte demokratische (!) Widerstandsbewegungen - in den Ländern vor Ort (also im Iran heute), oder durch äußeren Druck und militärische Intervention, um die Nuklearanlagen auszuschalten; also keine Gewaltanwendung gegen das iranische Volk.

Gezielte Schläge gegen iranische Atomanlagen werden von "Radikalpazifisten" oft als "Krieg gegen den Iran" bezeichnet, so, als wolle Israel einen Krieg gegen die iranische Zivilbevölkerung führen. Das stimmt aber nicht, ganz abgesehen davon, dass ich mir keine israelische Militärdoktrin vorstellen kann, die so dumm geplant wäre, dass sie diesen Aspekt außer Acht lässe. Israel hat kein Interesse darean, die iranische Bevölkerung zum Feind zu erklären. Umgekehrt haben viele oppositionelle Kreise im Iran auch keine Vorbehalte, was eine eventuelle gezielte Ausschaltung der iranischen Atomwaffenindustrie beträfe. Ich gebe aber gerne zu, dass dieses Thema unter (liberaldemokratischen) iranischen Dissidenten sehr kontrovers diskutiert wird, und das sollte man im Disput mit ihnen auch respektieren.

Wenn aber Konstantin Wecker, das gequält-bayerische und dissonant-schräg artikulierte musikalische Weltgewissen* und kongeniale Äquivalent zum antiamerikanischen Bochum-Barden Grönemeyer, sich bemüßigt fühlt, iranische Anlagen zur Herstellung von Atomwaffen mit seinem unglaublich wichtigem Bierbauch-Corpus zu schützen - bitte schön. Bei Saddam hatte er sich ja auch schon angedient; also hat er genügend Erfahrung, was die Begehung von Schleimspuren zu Diktaturen betrifft.

Hat Israel 1981 einen Krieg gegen den Irak geführt, als es dessen Osirak-Reaktor ausschaltete? Nein!

Die Behauptungen einiger „Iran-Spezialisten“ wie Nirumand, Amirpur, Volker Perthes oder Norman Paech, um einige Protagonisten nennen, man müsse nur die inneriranische Entwicklung abwarten, trügen schon deshalb, weil hinter dem iranischen Präsidenten die klerikal-faschistische Nomenklatur steht, die dieselben Absichten verfolgt wie er. Die Aufgabenverteilung zwischen Ahmadinedjad und dem Ajatollah-System ist klar definiert und folgt einem stringent innenpolitisch ausgerichtetem Pfad, der in erster Linie das Ziel verfolgt, die Opposition zu knechten und zum Schweigen zu bringen.

Der Unterschied zwischen Nordkoreas Führung einerseits und Ahmadinejad sowie Chamenei (Oberster Ajatollah, eigentlicher Herrscher über den Iran sowie Oberbefehlshaber über alle bewaffneten Kräfte) andererseits besteht lediglich darin, dass bei Letzteren die theologische Führung aus außenpolitischen Erwägungen heruas taktisch aus der zweiten Reihe heraus operiert, aber die gleichen Ziele verfolgt und sich der westlichen Welt gegenüber als seriöser Verhandlungspartner gibt, oder wie es Stephan Grigat einmal vortrefflich formulierte (nicht wortwörtlich, aber inhaltlich richtig):

Irrationale Mahdi-Erlösungsvorstellungen pragmatisch formuliert verpackt und an die Presse als „moderate Stimme“ weitergegeben. Stichwort "Irrationaler Pragmatismus", was die iranische Aufrüstung betrifft.

Hätte Israel im Jahr 1981 noch länger zuwarten sollen, bis das Schlächterregime Saddam Husseins vielleicht irgendwann durch inneroppositionelle Kräfte auf demokratischem Wege gestürzt worden wäre, um in der Sprache Nirumands und Kollegen zu sprechen?

Ich denke, dass die Freie Welt sich diese Frage damals selbst sehr gut beantwortete, als sie die Ausschaltung des irakischen Atommeilers Osirak stillschweigend hingenommen hatte - sicher in der Gewissheit, das ihr die Drecksarbeit durch sensationell gut operierende israelische Kampfpiloten abgenommen wurde.

Heuchelei seitens des Westens?

Ganz entschieden, ja. Denn schließlich sollten auch bis heute die Wirtschaftsbeziehungen zum Mittleren Osten intakt gehalten werden. GI’s und iraelische Kampfpiloten gehen das Risiko ein - Westeuropa macht die Geschäfte und kauft sich notfalls raus wie 1991, als die Befreiung Kuwaits durch die UNO abgesichert worden war.

Oder denken wir an den Coup, den die israelische Luftwaffe landete, als sie im Herbst 2007 (nochmals zur Erleichterung aller westlichen Demokratien) in Syrien eine Atomwaffenfabrik ausschaltete. Wenn es irgendwelche Zweifel daran gegeben hätte, dass die Anlage in Syrien der nuklearen Aufrüstung gedient haben sollte: wäre dann nicht großes Gezeter ausgebrochen? Selbst Syrien hüllte sich damals in Schweigen. Und Assad weiß, warum.

Hat Obama ein Neville-Chamberlain-Syndrom („Peace in our Time!“), das heute lautet: „Man kann Diktaturen ihre Atomwaffen abverhandeln, auch wenn sie zu allem entschlossen sind und er (Obama) dem Diktator Ahmadinejad Gespräche ohne Vorbedingungen angeboten hat, wie vor Wochen erst von ihm selbst formuliert? Kann ein (vielleicht zukünftiger) amerikanischer Präsident mit einem Mann und einem Regime, das die Juden und Israel von der Weltkarte tilgen will, Verhandlungen führen, ohne diesen Verbrechern die Stirn zu bieten? 


Der atomare Geist aus der Flasche - kann man ihn bändigen?

Um es vorweg zu sagen: Der Geist ist längst entwichen (zuerst aus Nazi-Deutschland in den 1930er-Jahren), und es gibt keine Möglichkeit mehr, ihn in die Flasche zurückzuzwängen. Das Wissen zur Konstruktion der Bombe ist vorhanden und nicht mehr reversibel. Auch - und gerade deshalb - ist Obamas Ausführung zur Abschaffung aller Atomwaffen nicht nur unaufrichtig, sondern auch gemeingefährlich und antidemokratisch.

Man kann den Geist aber halbwegs bändigen oder zivilisieren, wenn man seine Verfügbarkeit in den Händen demokratischer Regierungen belässt und gleichzeitig dem Zugriff totalitärer Regimes entzieht. 

Zu Israel in diesem Zusammenhang 

Das mehr als scheinheilige und törichte Argument, man müsse Israel seine atomaren Kapazitäten absprechen bzw. darüber verhandeln, um ein Gleichgewicht im Nahen und Mittleren Osten herzustellen (Atomwaffenfreie Zone in Nahost), impliziert die Aufforderung, Israel seines einzigen glaubhaften Abschreckungspotentials zu berauben, das es gegenüber der arabischen Welt und dem Iran besitzt, wenn es seine Überlebensgarantie absolut, (und das ist mehr als geboten) sichern will. Damit würde man zu einem Startschuss für einen Angriff der arabischen Staaten auf den einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten ermutigen und ihn der Gefahr seiner Vernichtung anheim geben. Die einzige demokratische Bastion des freien Westens in Nahost wäre dann übrigens auch perdu.

Zum Schluss möchte ich Obamas eigene Worte zitieren: 

„Lasst uns die Geschichte bedenken“. 

Welche Geschichte meint er? Seine sozialistischen Phantasien aus seinem marxistisch inspirierten Studentenleben?

Hoffentlich lernt er als Person zuerst daraus, denn eine Weltmacht zu führen mehr bedeutet, als rhetorisch banales Blabla an einer geschichtlich belasteten Siegessäule zu inszenieren. Und vielleicht akzeptiert er auch endlich, dass Stars and Stripes sich in einer Wahlkampfkampagne nicht schlecht machen.

Er ist der einzige Präsidentschaftskandidat bisher, so weit ich das überblicke, der auf die amerikanische Flagge verzichtet. Stattdessen lässt er ein blasses Wahlkampflogo zirkulieren, das überhaupt keinen Hinweis darauf gibt, dass er Präsident der Vereinigten Staaten Amerikas werden will und für was er eigentlich steht, denn:

Patriotismus hat berechtigterweise in den USA einen positiven Klang, und wird es Gottseidank immer haben, ob Obama es wahrhaben will oder nicht.

Spricht Obama da vielleicht seiner Frau aus dem Herzen, die sich unlängst vor laufenden Kameras den unfreiwilligen Lapsus erlaubte, dass „ich das erste Mal stolz auf mein Land bin?“

Echter US-Patriotismus ist mit Obama nicht kompatibel - so viel steht jedenfalls fest. Und der nächste Präsident der USA wird zum Glück nicht von deutschen Tageszeitungen und deutschen Umfragen gekürt. 

=======

*Ich bin Bayer und erlaube mir deshalb diese Charakterisierung Weckers.




Keine Kommentare: