Dienstag, Juli 22, 2008

"Israelische Siedlungen müssen weg!"

Premierminister Gordon Brown stößt ins gleiche Horn

Monat für Monat, Jahr für Jahr wiederholt es sich bis heute: Präsidenten und Staatsmänner aus dem Westen wie Clinton, Bush und andere, Emissionäre wie Toni Blair und hochrangige Minister wie Condoleeza Rice und Minister aus Europa bereisen den Nahen und Mittleren Osten; sie sprechen in Jerusalem, Ramallah, Amman, Kairo und Damaskus vor und lassen immer die gleiche Leier ab: Der Iran ist brandgefährlich, Israel darf nicht angetastet werden, die Roadmap muss eingehalten werden (von Annapolis ganz zu schweigen), und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) muss endlich auf eigenen Füßen stehen - sprich, ein eigenes funktionierendes Justiz- und Exekutiv-System installieren, um die Grundlagen für ein einigermaßen funktionierendes Gemeinwesen zu schaffen. So auch vorgestern der notgedrungen nachfolgende britische Premier Gordon Brown.

Doch dann kommt’s - kurz vor der Abreise: “Was ist mit den israelischen Siedlern“? Die müssen weg! (Im Bild oben links: Mitglieder des Kibbutz Hachshara).

Bisher gab es keinen Staatsgast, der diese Forderung nicht ausgesprochen hätte - sei es Prof. Dr. Gerd Pöttering in seiner unnachahmlich erbärmlichen Art und Weise vor der Knesset, US-Außenministerin Rice völlig unüberlegt, oder später ihr Chef Bush:

Der legte noch einen Scheit Holz drauf: Er hatte sich vor ein paar Wochen einmal zu einer ähnlichen Aussage verstiegen wie Uri Avnery vor etwa 20 Jahren (ich hatte das im SPIEGEL gelesen, als er schon damals die südafrikanischen Homelands mit den heutigen PA-Gebieten verglichen hatte): Er (Bush) sagte, dass die Westbank (Westjordanland) nicht wie ein Schweizer Käse zerstückelt werden dürfe, und gebrauchte Anlehnungen an Südafrika.

Abgesehen davon, dass dieser Vergleich unsinnig war und ist, weil in Israel über 110 Nationalitäten leben und es dort keinen Rassismus gibt, ist diese Einschätzung (auch von Bush) dämlich und ziemlich kurzsichtig:

1)

Die Straßen, die durch die Westbank (Westjordanland) führen, werden nach einem Friedensschluss Palästinensern und Israels gemeinsam dienen. Es wird keine Zerschneidung des Landes mehr geben. Das hängt aber von einem zu vereinbarenden Friedensschluss ab. Und dieser Friedensschluss steht am Ende der Roadmap. Eigentlich sollten die Palästinenser froh darüber sein, dass Israel schon jetzt die nötige Infrastruktur bereitstellt - wenn auch zugegebenermaßen zurzeit unfreiwillig.

2)

Auch wenn heute israelische Siedler im Westjordanland leben heißt das noch lange nicht, dass sie (in Zukunft nach Gründung eines palästinensischen Staates) wegziehen müssten. Nach einem (echten) Friedensschluss könnten sie sich mit der palästinensischen Mehrheit genauso arrangieren wie die palästinensisch-arabische Minderheit in Israel mit den Juden seit vielen Jahren. Wo ist also das Problem? Und immerhin leben 20% Araber in Israel. Hat Israel die Araber aus seinem Territorium vertrieben? Nein. Und dürfen sie nicht wählen? Ja, sie dürfen wählen. Sogar arabische Minister und Botschafter gibt es. So furchtbar schlimm ist der Staat Israel.

3)

Israelische Siedler hätten sicher kein Problem damit, in einem demokratisch geführten palästinensischen Staat zu leben - wenn denn überhaupt einer zustande kommt. Das ist die entscheidende Frage. Abgesehen davon würden bei einem Friedensschluss viele Israelis sowieso ins Kernland abziehen. Man braucht sich nur die Umfragen anzuhören.

4)

Da die ersten drei Voraussetzungen, die ich bisher angesprochen habe, angesichts der aktuellen Situation (Hamas und andere islamistische Gruppierungen), wohl kaum verwirklicht werden können, kann man es dem israelischen Staat und der IDF wohl kaum übel nehmen, wenn sie auf Nummer Sicher gehen und eine Stand-by-Situation halten, die sowohl der Sicherheit als auch dem nötigen Vertrauen in einem geordneten Rahmen Geltung verschafft.

Mehr ist im Westjordanland momentan sowieso nicht möglich, auch wenn man realistisch ist und berücksichtigt, dass die Machtkämpfe dort zwischen Hamas, Islamischer Jihad und Fatah noch längst nicht entschieden sind.

Selbst wenn man sich vorstellen könnte, dass die Fatah im Westjordanland die Oberhand behalten würde, wäre noch längst nicht gewährleistet, dass sich nicht die Variante des Politischen Islam in ihren Reihen Bahn brechen würde.

Abschließend:

Ich gebe gerne zu, das ich in völkerrechtlichen und juristischen Fragen, was die PA und speziell das Westjordanland betrifft, nicht sehr viel Auskunft geben kann und noch dazulernen muss.

Deshalb habe ich mich nach anderen zuverlässigen Quellen umgesehen.

Und eine dieser zuverlässigen Quellen ist das israelische Außenministerium. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass dies sich einen großen Lapsus leisten kann.

Das Außenministerium hat im Mai 2001 eine Stellungnahme veröffentlicht, die heute noch ihre Gültigkeit hat.

Sie wurde damals von meinem Freund HEPLEV übersetzt und hat heute noch ihre Gültigkeit. Er hat es mir auf Nachfrage bestätigt.

Alles, was im nachfolgenden Text steht, kann zitiert werden. An der Übersetzung habe ich keine Veränderungen (außer Tippfehlern) vorgenommen.

Deshalb ist es umso wichtiger, sich diesen Text noch einmal durchzulesen und - falls nötig - als Argumentationshilfe abzuspeichern.

Herzlichen Dank an HEPLEV

Hier der Originaltext übersetzt:

Israelische Siedlungen und das (internationale) Recht

Der historische Kontext

Informationsbüro des Außenministeriums des Staates Israel
Jerusalem

Papier zur Rechtsposition

Mai 2001

Original: Israeli Settlements and International Law

Israelische Siedlungen und internationales Recht

- Jüdische Siedlungen in Gebieten der Westbank und des Gazastreifens gab es seit undenkbaren Zeiten und wurden vom Völkerbund im Mandat für Palästina ausdrücklich als legal anerkannt. Dieses Mandat sorgte für die Errichtung einer jüdischen Heimstatt im antiken Heimatland des jüdischen Volkes. Artikel 6 des Mandats sagt ausdrücklich: "Die Verwaltung Palästinas soll - wobei sicher gestellt werden soll, dass die Rechte und Position anderer Teile der Bevölkerung nicht beeinträchtigt werden - die jüdische Immigration unter passenden Bedingungen fördern und in Kooperation mit der Jewish Agency, auf die in Artikel 4 verwiesen ist, die dichte Besiedlung des Landes durch Juden ermutigen. Das soll auch staatliches Land beinhalten, das nicht in öffentlichem Gebrauch ist."

- Einige jüdische Siedlungen, wie z.B. Hebron, gab es durch die Jahrhunderte der Ottomanischen Herrschaft, während Siedlungen wie Neve Ya'acov, nördlich von Jerusalem, der Gush Etzion-Block in Judäa und Samaria, die Gemeinden nördlich des Toten Meeres und Kfar Darom im Gazastreifen unter britischer Mandatsverwaltung vor der Gründung des jüdischen Staates errichtet wurden. Um sicher zu gehen sind viele israelische Siedlungen an Orten errichtet worden, die für jüdische Gemeinschaften früherer Generationen Heimat waren. Das war ein Ausdruck der tiefen historischen und religiösen Verbindungen des jüdischen Volkes mit dem Land.

- Seit mehr als tausend Jahren war die einzige Verwaltung, die jüdische Besiedlung verbot, die jordanische Besatzungsverwaltung, die in den neunzehn Jahren ihrer Herrschaft (1948 - 1967) den Verkauf von Land an Juden zu einem Kapitalverbrechen (mit Todesstrafe) erklärte. Das Recht der Juden, in diesen Gebieten Häuser zu errichten und die rechtlichen Ansprüche an dem Land, das erworben wurde, konnten von der jordanischen und ägyptischen Besatzung nicht außer Kraft gesetzt werden. Diese Besatzung war das Ergebnis ihrer bewaffneten Invasion Israels im Jahr 1948; die Rechte und Titel bleiben bis zum heutigen Tag gültig.

Internationales Menschenrecht in der Westbank und dem Gazastreifen

- Das internationale Menschenrecht verbietet den erzwungenen Transfer von Teilen der Bevölkerung eines Staates auf das Gebiet eines anderen Staates, den es als Ergebnis eines Rückgriffs auf bewaffnete Gewalt besetzt hat. Dieses Prinzip, das sich in Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention widerspiegelt, wurde direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs formuliert. Wie maßgebliche Kommentare der Konvention durch das Internationale Rote Kreuz bestätigen, sollte das Prinzip die örtliche Bevölkerung vor Verdrängung schützen, einschließlich der Gefährdung ihrer Existenz als gesonderter Rasse, wie es bezüglich des zwangsweisen Bevölkerungstransfers in der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn vor und während des Krieges vorkam. Das ist bezüglich der Westbank und Gazas eindeutig nicht der Fall.

- Der Versuch, israelische Siedlungen als Verletzung des Prinzips darzustellen, ist schlichtweg unhaltbar. Wie der frühere Unterstaatssekretär im Außenministerium, Professor Eugene Rostow, geschrieben hat:

"das jüdische Recht auf Siedlung in dem Gebiet ist in jeder Hinsicht dem Recht der örtlichen Bevölkerung, dort zu leben, gleich gestellt"
(AJIL, 1990, Band 84, S. 72).

- Die Vorkehrung der Genfer Konvention bezüglich erzwungener Bevölkerungstransfers in besetztes souveränes Gebiet kann nicht als Verbot der freiwilligen Rückkehr Einzelner in die Städte und Dörfer angesehen werden, aus denen sie oder ihre Vorfahren vertrieben wurden. Sie verbietet auch nicht den Umzug Einzelner auf Land, das nicht der legitimen Souveränität eines Staates unterlag und das nicht Objekt privaten Besitztums ist. Diesbezüglich sind israelische Siedlungen nur nach einem ausführlichen Untersuchungsprozess unter der Aufsicht des Obersten Gerichtshofs Israels errichtet worden; dieser Prozess ist so gestaltet, dass er sicher stellt, dass keine Orte auf privatem arabischen Land errichtet werden.

- Es sollte betont werden, dass der Umzug Einzelner in die Gebiete völlig freiwillig geschieht, während die Siedlungen selbst nicht darauf abzielen, arabische Bewohner zu vertreiben; auch in der Praxis geschieht dies nicht.

- Wiederholte Vorwürfe bezüglich der Illegalität der israelischen Siedlungen müssen daher als politisch motiviert angesehen werden, ohne Grundlage im internationalen Recht. Gleichermaßen können die israelischen Siedlungen nicht als illegal angesehen werden; sie können keine "grobe Verletzung" der Genfer Konvention darstellen, womit jede Behauptung, sie stellten ein "Kriegsverbrechen" dar, keine rechtliche Grundlage hat. Solch politische Anklagen können in keiner Weise palästinensische Terrorakte und Gewalt gegen unschuldige Israelis rechtfertigen.

- Politisch sind die Westbank und der Gazastreifen als Gebiet zu betrachten, zu dem es konkurrierende Ansprüche gibt, die in Friedensprozess-Verhandlungen gelöst werden sollten. Israel hat gültige Ansprüche in diesen Gebieten, die sich nicht nur auf seine historischen und religiösen Verbindungen zu diesem Land stützen, sondern auch auf die Tatsache, dass dieses Gebiet nicht unter der Souveränität eines Staates stand und in einem Verteidigungskrieg unter israelische Kontrolle kam, der Israel aufgezwungen wurde. Zugleich erkennt Israel an, dass die Palästinenser auch legitime Ansprüche an dem Gebiet unterhalten. Die Tatsache, dass beide Parteien darüber überein gekommen sind, Verhandlungen bezüglich der Siedlungen zu führen, deutet darauf hin, dass sie sich einen Kompromiss in der Sache vorstellen können.

Israelisch-palästinensische Vereinbarungen

- Die zwischen Israel und den Palästinensern erzielten Vereinbarungen beinhalten keinerlei Verbot zum Bau oder Ausbau der Siedlungen. Im Gegenteil: Es wurde besonders dafür gesorgt, dass die Frage der Siedlungen Endstatus-Verhandlungen vorbehalten bleibt, die am Ende der Friedensgespräche stattfinden sollen. Beide Parteien verständigten sich darüber, dass die palästinensische Autonomiebehörde bis zum Abschluss eines Endstatus-Abkommens keinerlei Rechtsgewalt oder Kontrolle über die Siedlungen oder Israelis hat.

- Es wird behauptet, dass das Verbot einseitiger Schritte, die den "Status" der Westbank und des Gazastreifens, das in der Interimvereinbarung und in folgenden Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen wurde, ein Verbot von Siedlungsaktivitäten beinhaltet. Diese Haltung ist unaufrichtig. Der Bau von Häusern hat keine Auswirkungen auf den Status des Gebiets. Man einigte sich auf das Verbot einseitiger Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass keine Seite Schritte unternimmt, die den rechtlichen Status des Gebiets - abhängig vom Ausgang der Endstatus-Verhandlungen - verändern (wie Annexion oder einseitige Ausrufung eines Staates). Würde dieses Verbot auf Baumaßnahmen angewendet, würde dies zu der lächerlichen Interpretation führen, dass keiner Seite der Bau von Häusern erlaubt ist, die die Bedürfnisse der jeweiligen Gemeinschaften stillt.

- Es ist wichtig anzumerken, dass im Geist des Kompromisses und im Versuch konstruktive, Vertrauen bildende Maßnahmen im Friedensprozess zu unternehmen, aufeinander folgende israelische Regierungen ausdrücklich die Notwendigkeit territorialer Kompromisse im Gebiet der Westbank und des Gazastreifens anerkannt haben und freiwillig eine Politik der Einfrierung des Baues neuer Siedlungen verfolgten.

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