Montag, Januar 26, 2009

Jürgen T: Nicht zuhause

Jürgen Trittin, ehemaliger Umweltminister im Kabinett Schröder und Spitzenkandidat für Bündnis 90/ Die Grünen bei der Bundestagswahl im September 2009, ist eigentlich um keine Antwort verlegen; seine Schlagfertigkeit ist legendär und sein joviales Lächeln hat fast schon Kultstatus.

Sein Plus: Er beantwortet stets eifrig die an ihn gerichteten Fragen auf der Kummerkasten-Webseite
Abgeodnetenwatch. Immerhin 55 von 58 bis jetzt. Mehr als Claudia Roth, die gerne von Adlaten und Hiwis beantworten lässt.

Abbildung rechts (© taz) Jürgen Trittin in Reiseführerpose vor der Kulisse zerstörter Häuser eines Stadtviertels im Süden Beiruts 2006. Die Aufnahme wurde von der taz sehr geschickt in Szene gesetzt, weil sie ein völlig zerstörtes Beirut suggeriert. Dabei handelte es sich lediglich um eng begrenzte Zielgebiete und Stadtteile in Beirut, in denen die Hisbollah ihre Kämpfer platziert hatte. Der große Rest der Stadt blieb nahezu unversehrt, auch der Flughafen. Aber das interessiert heute wohl niemanden mehr, der an der Dämonisierung Israels ein Interesse hat.

Und nun der Wermutstropfen:

Einmal platzte Trittin der Kragen, als er auf seine
Mission bei der Hisbollah angesprochen wurde -; da war’s schnell dahin mit seiner Nonchalance. Er verbat sich, vom Fragesteller in eine Neonazi-Ecke gestellt zu werden, obwohl das Auskunftsersuchen völlig sachlich und unverfänglich vorgetragen worden war, was den Bezug auf die Holocaustleugnung der Hisbollah betrifft und wohl kaum zu beanstanden sein dürfte. Grund für seine Erregtheit war die [seine] vom Fragesteller zitierte Aussage
"Ich habe eher den Eindruck, dass die Hisbollah sich sehr positiv in die Gestaltung des politischen Prozesses im Libanon einbringt".
Interessant übrigens, dass Herr Trittin den Schlusssatz des Fragestellers gleich auf sich bezog.

Sie können sich deshalb vielleicht vorstellen, wie „mutig“ ich vor 12 Tagen war, als ich den Entschluss fasste, einige Fragen an das Zugpferd von Bündnis 90/ Die Grünen zu richten.

Die Fragen sind raus – die Antwort steht noch aus.

Sehr geehrter Herr Trittin,

in der Debatte des Bundestages zur aktuellen Lage in Nahost am 14. Januar sprachen Sie mit sehr besorgter Miene davon, dass Sie angesichts der Opferzahlen Schwierigkeiten hätten, den Begriff der Unverhältnismäßigkeit, was das Handeln der israelischen Verteidigungsstreitkräfte ZAHAL betrifft, überhaupt anzuwenden.

Meine Fragen:
1) Wessen Schuld ist es in Wirklichkeit, dass viele Opfer zu beklagen sind und warum stellen Sie - wie viele andere Abgeordnete - eine ethische Äquidistanz zwischen Israel und einer Terrororganisation her, die ihre Bevölkerung als menschliche Schutzschilde missbraucht?

2) Welches Quellenmaterial verwenden Sie? (Das der israelischen Botschaft nicht; da brauchen Sie nicht nachzusehen)


3) Wo waren Sie und die meisten Ihrer Kollegen, als seit 2001 gut 11.000 Raketen und Mörsergranaten auf den Süden Israels abgefeuert wurden? Und wie verhielt es sich bei Ihnen zwischen 2000 und 2006, als im Norden Israels mehr als 6000 Katyushas einschlugen?


4) Wie erklären Sie ihren moralischen Impetus gegenüber den Einwohnern von Sderot, Beer Sheva und Ashkelon?


5) Glauben Sie, dass "selbstgebastelte" Quassam oder GRAD-Katyushas, die nun bis Beer Sheva reichen, am ehesten Ihrer Vorstellung von "Verhältnismäßigkeit" entsprechen, weil sie nicht so zielgenau sind und nur ein bisschen töten?

6) Fühlt sich die Hamas "verantwortlich" für ihre Kinder, wenn sie diese in Kampfhandlungen einbezieht?


7) Schlussfrage: Glauben Sie, dass Antizionismus und Antisemitismus zwei Seiten derselben Medaille sind?


Die Beantwortung der letzten Frage interessiert mich ganz besonders.


Mit freundlichen Grüßen

Bernd Dahlenburg, M.A.

Ich vermute mal, dass Herr Trittin an der Antwort auf die letzte Frage noch arbeitet. Anders kann ich mir sein beharrliches Schweigen nicht erklären. Vielleicht denkt er aber auch, dass ich ihn in die rechte Ecke stellen will - was nicht der Fall ist. Aber Schweigen auf gestellte Fragen produziert Nachfragen. Damit muss auch Herr Trittin leben können.

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