Montag, Juli 13, 2009

Wollen die Palästinenser wirklich einen eigenen Staat?

Bei der Überlegung darüber, ob dies wirklich zutrifft, ergeben sich jede Menge Fragen. Ich beginne mit Robert Malley und Hussein Agha.
Die Palästinenser begannen Ende der 1980er-Jahre, über die Zweistaatenlösung nachzudenken, wenn auch recht widerwillig. Eigenstaatlichkeit bedeutete auch die Annahme von Fallstricken und Unwägbarkeiten, die eine nationale Sache mit sich bringt. Echte nationale Bestrebungen gab es aber nicht. Für die meisten war es eher eine taktische Überlegung - keine, die von Herzen kam; es war wohl dienlicher, ein größeres Ziel anzupeilen, nie aber das Ziel um seiner selbst willen.

Anders als beim Zionismus, für den die Eigenstaatlichkeit das Ziel schlechthin war, ging es beim Kampf um die palästinensische Sache immer wieder um andere Dinge. Das Fehlen von staatlicher Souveränität war nicht die Ursache ihres ganzen Unglücks, und die Schaffung eines palästinensischen Staates würde auch heute nicht als vollwertige Lösung angesehen werden.


Heute existiert die Idee einer palästinensischen Eigenstaatlichkeit hauptsächlich außerhalb „Palästinas“. Diesen Staat zu errichten hatte für die Europäer immer höchste Priorität, weil sie diesen als entscheidend für die Stabilisierung einer Region und die Eindämmung von Extremismus betrachtet haben, und für die Amerikaner, weil er für sie im Zentrum ihrer Bemühungen stand, das iranische Regime und die radikalen Islamisten zurückzudrängen sowie eine Koalition zwischen den so genannten gemäßigten arabischen Staaten und Israel zum Wohle beider Seiten schmieden; und selbst für viele Israelis, die zu der Meinung gelangt sind, dass dieser Staat die einzig wirksame Antwort auf die demografische Bedrohung darstellt, die von den arabischen Staaten ausgeht.

Alles triftige Gründe, obwohl keiner von ihnen bedeutende Relevanz für die Palästinenser hat; und jeder weitere entfremdet sie von einer Vision der Eigenstaatlichkeit, der vorgegebenen Prämisse ihres Kampfes.


Die allgemeine Befürwortung hat eine Kehrseite. Je mehr die Zweistaatenlösung einem westlichen oder amerikanischen Modell entspricht (von der israelischen Vorstellung ganz zu schweigen, sic!), desto weniger entspricht sie der palästinensischen Vorstellung.
Der israelische Kolumnist Sever Plocker beurteilt den Sachverhalt so:
Die Botschaft, die in diesem Artikel übermittelt wird, entspricht in großem Maße dem Argument, das Benny Morris, der führende Historiker des arabisch-israelischen Konflikts, in seinem neuen Buch anführt. Das Buch mit dem Titel One State, Two States (Yale University Press, 2009) beschreibt detailliert die Idee von „zwei Staaten für zwei Völker“, beginnend mit den Anfängen des Zionismus bis heute. Die Conclusio lautet wie folgt:

Die Palästinenser nahmen nie die Idee eines unabhängigen und souveränen palästinensischen Staates neben Israel auf, unabhängig vom Grenzverlauf; in ähnlicher Weise haben die Palästinenser auch die Vorstellung eines bi-nationalen Staates zurückgewiesen....

Der von Agha und Malley verfasste Artikel, der eher die linke Position widerspiegelt, offenbart ebenso wie Morris’ Buch ernüchternden Pessimismus. Die Palästinenser sind weder dazu bereit, das Land aufzuteilen noch es gemeinsam (mit Israel; [Anm.: Castollux]) zu besitzen. Sie hängen weiter ihrem revolutionären Traum „der nationalen Befreiung“ nach, und bis diese unrealistische Befreiung Gestalt annimmt, ziehen sie es vor, als nationale statt als politische Einheit zu existieren - eine Einheit, die keine Verpflichtungen kennt und sich stets als Opfer betrachtet sehen will - in eigener Sichtweise und in den Augen der Welt.
Anfang dieses Jahres sprach Professor Jakub Grygiel die gleiche Frage in einem sehr lesenswerten Beitrag an:
Der Staat wird nicht mehr länger als einziges Medium gesehen, das große gesellschaftliche Gruppen zu organisieren und führen in der Lage ist. Neue Technologien vermitteln (neue) Bindekräfte und stärken in zunehmendem Maße eine größere Zahl einzeln agierender Individuen.

Die Proliferation von Waffen und Dual-Use-Technologien fordern das Gewaltmonopol des Staates heraus, wenn sie Einzelpersonen oder kleinen Banden die Möglichkeit eröffnen, größtmögliche Sicherheit und strategisch-aggressive Herausforderung zu garantieren.

Die Präsenz von Großmächten heute, und speziell der amerikanische Machtfaktor zusammen mit zunehmenden militärischen Kapazitäten, andere Staaten zu vernichten, dient als starker Anreiz, ein niedrigschwelliges eigenes und staatenloses Profil zu halten: Keinen eigenen Staat zu haben bedeutet, den eigenen Fußabdruck zu minimieren oder beinahe unkenntlich zu machen (und die eigene Verantwortung für Fehlentscheidungen; [Anm.: Castollux]); das heißt auch, dass die Wahrscheinlichkeit, Ziel eines Vergeltungsangriffes zu werden, minimiert und damit die eigene Überlebenschance erhöht wird.

Viele dieser neuen Gruppierungen stützen radikale Ideen, gefärbt durch fromme und/oder extreme Ansichten und lassen sie als wenig interessiert an Bildung von Staaten erscheinen. Staaten müssen irgendwie geartete Kompromisse eingehen, und selbst wenn sie autoritär oder totalitär geführt werden, können sie selten die Erwartungen von Extremisten vertreten oder bündeln, die dazu neigen, politische Lösungen rundweg abzulehnen, weil sie ihre Existenz überflüssig erscheinen lassen.
Der Essay verdient es, vollständig gelesen zu werden. Aber das letzte Wort soll hier Robert Kaplan (The Atlantic) haben (und eigentlich hätte es mir auch den Beitrag erspart):
Aber die USA sollten sich auf einen nie endenden israelisch-palästinensischen Konflikt vorbereiten, weil die Palästinenser bereits haben könnten, was sie sich wünschen.
Quelle: HonestReporting Media BackSpin

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