Stephanie Gutmann
… sie ist es, weil sie einfach nur doof ist. So z.B., wenn sie immer nur das Offensichtliche anspricht, wenn sie niemals auf der Höhe ist oder wenn sie einen Ton anschlägt, der sich so anhört wie „Wir sind Vorschullehrer und ihr seid eine Klasse zappeliger Vierjähriger, die wir erziehen müssen.“
Nehmen Sie beispielsweise die Schlagzeile auf der Titelseite (Ausgabe 22. November): „Experten sagen, dass der Iran die Todesstrafe anwendet, um die Opposition einzuschüchtern“ (In der Online-Ausgabe ist der Titel kürzer gefasst). Also wirklich! Das hätte ich nie gedacht.
Gestern, als ich nicht viel zu tun hatte und noch eine Tasse Kaffee vor mir stehen, blätterte ich lustlos durch das New York Times Magazine und blieb bei einem Beitrag mit dem Titel „Obama-Markenzeichen wirksam einsetzen“ hängen. Cool. Ich steh’ schon immer auf so Zeugs über Markenartikel.
Aber bevor man etwas Interessantes zum Thema liest, muss man durch die Unterüberschrift, wo es heißt: „Der Präsident mag möglicherweise keine „Coattails“ haben (dt. etwa: Rockschöße, auch Frack; siehe Erläuterung hier und unten [Castollux]*) . Aber wenn es darum geht, den Kongress auf seine Seite zu ziehen, hat er mehr zu bieten.“
Ja toll! Ich bin fasziniert. Was könnte das sein? Aber bevor der Verfasser uns das erklären wollte, musste er eine große Times-typische Erörterung darüber anstoßen, ob es denn zuträfe, dass der Präsident keine Rockschöße trage (vielleicht ja doch; der Beweis kann so oder so angetreten werden). Nachdem er sich dort durchgewurstelt hatte und - so hoffte ich - fortfuhr, nahm er einen unerwarteten Umweg. Er definierte das Wort „Coattail“:
Diese ganze Konversation über Rockschöße muss die meisten Wähler unter 40 verwirren, die keine visuelle Vorstellung davon haben, wie so etwas wirklich aussieht, falls sie nicht ein Riesenvermögen verdient haben oder für einen Abschlussball herausgeputzt sind. Der Begriff geht zurück auf Abraham Lincoln….Danach verschwendete der Autor etwa 400 Wörter an seine Leser „unter 40“, um die äußeren Merkmale eines Rockschoßes zu beschreiben (So, als könne man es sich aus der Kombination von “coat” und „tail“ nicht zusammenreimen), gefolgt von einer Abhandlung darüber, was es bedeute, den Begriff „Coattails“ als politische Metapher zu verwenden (als ob seine Leser wirklich denken würden, er würde über Leute schreiben, die tatsächlich auf Obamas Anzugjacke sitzen).
Das Problem mit der Times und den meisten amerikanischen Tageszeitungen ist (Wall Street Journal und New York Post stellen eine große Ausnahme dar), dass sie herablassend und geschwätzig sind. Herausgeber müssen sich für eine Lesergruppe entscheiden und dann eine Verpflichtung eingehen, die dies in Stil und Inhalt reflektiert. Die Times besitzt dafür nicht die Kraft, also verzettelt sie sich andauernd und vergewissert sich immer wieder ihrer selbst - wie ein verunsicherter Pfadfinderführer, der Angst hat, dass er jemanden aus seiner Gruppe auf dem Anstieg zum Berg verloren hat.
So hatte ich also nie herausgefunden, wie Obamas Markenzeichen wirksam eingesetzt worden wäre, wenn er keine Rockschöße hätte. Die Tasse Kaffee war leer und ich hatte genug.
Quelle: Stephanie Gutmann
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*Kleine Anmerkung zu Coattails:
Damit ist (in diesem Fall in den USA) gemeint, dass der Präsident der siegreichen Partei „quasi auf seinen Rockschößen“ weitere Stimmen für seine Partei erringen kann und so weiteren Leuten aus den eigenen Reihen den Einzug in den Kongress ermöglicht.
Coattail kann aber auch mit Korsett, Frack oder Mieder übersetzt werden. Deshalb auch der krampfhafte Versuch des NY Times-Autors, eine unmissverständliche Beschreibung hinzubekommen.
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