Mittwoch, Juni 17, 2009

Reisen bildet und bewirkt arabische Selbstkritik - sagt Najem Wali

Für seine arabischen Nachbarn ist Israel der Feind schlechthin. Und als sehr problematisch kann es sich erweisen, wenn man als Araber das anders sieht und sogar noch in israelisches "Feindesland" reist, um sich selbst vor Ort ein Bild zu machen.

Der 1956 im Irak geborene und heute in Berlin lebende Buchautor Najem Wali gehört zu dieser seltenen Spezies. Er ist ein Tabubrecher im besten Sinne des Wortes und stellt auf seiner politisch brisanten Tour, die er in seinem Buch Reise in das Herz des Feindes beschreibt, einige erstaunliche und überraschende Gemeinsamkeiten zwischen seinem Heimatland Irak und dem Staat der Juden fest. Dabei begegnet Wali vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten - Dichtern, Intellektuellen und Politikern, aber auch dem sprichwörtlichen Mensch auf der Straße.


Wali kann zum Beispiel nicht verstehen, dass alle (arabische) Welt auf Israel eindrischt und das Land manchmal sogar des Rassismus gegenüber der arabischen Minderheit bezichtigt wird, gleichzeitig aber in keinem arabischen Land, sieht man von den Autokraten und Feudalherrschern und deren Klans ab, die Einwohner besser leben als die Araber in Israel. Für ihn ist das schon deshalb kaum nachvollziehbar, wenn man seine Motivation für die Reise berücksichtigt
: er wollte die in Israel lebenden Glaubens-, Lebens- und Flüchtlingsgemeinschaften auf ihre Demokratietauglichkeit hin untersuchen.

Einfach erfrischend, wie Wali mit dem weltweit gehegten Mythos aufräumt, den die arabische Welt um ihres Machterhaltes willen pflegt - nämlich die permanent von ihr am Köcheln gehaltene Flüchtlingsfrage:

Alle arabischen Potentaten würden - so Wali - bei einer Lösung des Palästinenserproblems sofort gestürzt werden, weil sie der Welt keinen Mythos mehr verkaufen könnten. Alles politische Handeln geschehe bisher deshalb fast immer in Verknüpfung mit der Palästinafrage.

Das Argument der arabischen Herrschenden, man bräuchte keine Demokratie, weil Feinde das ausnützen könnten, entfällt somit, und auch die bisherige "Rechtfertigung" der Armut in den eigenen Ländern mit dem kläglichen Hinweis darauf, dass man für die Befreiung Palästinas aufrüsten müsse. Dabei spricht Wali auch den entlarvenden Umstand an, dass vielen in arabischen Staaten lebenden palästinensischen Flüchtlingen die Einbürgerung verweigert wird, damit sie nicht ihre Identität verlieren. So wollen die Regierungen diesen Mythos am Leben erhalten.

Nun kann man sebstverständlich nicht immer davon ausgehen, dass Walis Erfahrungen mit Juden und Arabern in Israel ausschließlich positiv ausfielen, aber er entdeckte einige hoffnungsvolle Ansätze des Zusammenlebens, so zum Beispiel in Haifa, wo das integrative Zusammenleben offiziell von der Stadtverwaltung gefördert wird, oder in Abu Gosh, wo Araber und Juden noch heute wirtschaftlich davon profitieren, dass sich die Araber während der palästinensischen Belagerung 1948 für eine Koexistenz mit den jüdischen Mitbürgern entschieden hatten.


Walis Buch ist ein beherztes Plädoyer für arabische Selbstkritik, für Demokratie und Frieden.

Najem Wali Reise in das Herz des Feindes
Ein Iraker in Israel

Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien

Verlag: Hanser
2009
ISBN-13: 9783446233027

ISBN-10: 3446233024

Best.Nr.: 25617341

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