Montag, Juli 11, 2011

Lupenreine Ehrung für lupenreinen Demokraten

Am 3. Oktober soll Wladimir Putin, Muskelprotz und Ex-KGB-Scherge in der DDR, den Quadriga-Preis verliehen bekommen.

Ich muss zugeben, dass ich bis heute nichts von jenem Anhängsel gewusst hatte, das seit 2003 von der Berliner Netzwerk Quadriga GmbH mehreren Persönlichkeiten gleichzeitig in einem Jahr - Politikern, Kulturschaffenden und anderen Persönlichkeiten der Society, sagen wir’s mal so -, ans Revers geheftet wird. Darunter sind durchaus ehrenwerte und verdiente Persönlichkeiten wie Armin Mueller-Stahl, Norman Foster, Michail Gorbatschow, Helmut Kohl, Bärbel Bohley, Schimon Peres, Lothar de Maizière (?) u.a.

Für die Kunst der Diversifizierungs-Qualität des Kuratoriums spräche prinzipiell auch, dass es sich nicht an weltanschauliche Vorgaben hält - siehe Preisträger wie den Israel-Kritiker und Ex-Genesis-Frontmann Peter Gabriel, den SPIEGEL (Stefan Aust), die Antisemiten Recep Tayyip Erdoğan, Hamid Karzai und andere leckere Kandidaten.

Interessant und aufschlussreich die Kriterien, nach denen der Preis vergeben wird. Geehrt werden sollen vor allem Persönlichkeiten und „Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind“. Na prima.

Umso überraschender - oder vielleicht doch nicht? -, dass nun mit Putin ein Mann geehrt werden soll, der jede Menge Dreck am Stecken hat, höflich formuliert. Noch surrealer mutet die Begründung an, die ihm am Tag der Deutschen Zweiheit so überaus freundlich zuteil wird:
„Berechenbarkeit gepaart mit Stehvermögen, Verlässlichkeit gepaart mit Kommunikationsfähigkeit machen den Charakter des Preisträgers aus.“
Ja - kommunizieren konnte der neo-sowjetische Autokrat schon immer, auch mit Duzfreund Basta-Gerhard (natürlich auch Quadriga-Preisträger; 2007), der dessen Herrschaft das Gütesiegel „Lupenreine Demokratie“ verpasst hatte; ein Bonmot, das in historischer Hinsicht wohl noch den allerletzten Gazprom-Kubikmeter nach Gelsenkirchen überdauern wird.

Michail Chodorkowski, der als Einziger der wirtschaftspolitischen "Elite" Russlands wagte, Putins Alleinherrschaft und Duma-Kontrolle scharf zu kritisieren, wurde 2005 in einem widerlichen Schauprozess abgeurteilt und sitzt heute in einem Straflager in Russisch-Karelien.

Vielleicht wird er einmal von Putins Jugendfreund Medwedew begnadigt, wenn der einen guten Tag hat. Doch das kann dauern - zumindest so lange, bis Letzterer sich von Putin, der in Russland nicht mehr beliebt ist, endlich emanzipiert haben wird. Doch dann wird Chodorkowski wahrscheinlich psychisch und politisch ausgebrannt sein. Zu wünschen ist ihm jedenfalls von Herzen, dass er durchhält.


Die größte Hypothek jedoch schleppt Putin seit dem 7. Oktober 2006 mit sich rum. Seine schärfste Widersacherin, die bewundernswerte Journalistin und Schriftstellerin Anna Politkowskaja, wurde ausgerechnet während seiner Geburtstagsfete ermordet - ganz unglücklich natürlich.

Handelte es sich um ein Geburtstagsgeschenk?

Ich wünsche dem Laudator schon heute viel Feingefühl bei der Abfassung seiner Bauchpinselrede.

Wäre ja auch zu dumm, wenn sich irgendwann herausstellen würde, dass die Killerbrigade des FSB in Putins Auftrag gehandelt hatte.

Zu Leben und Leiden von Anna Politkowskaja hier mehr, auch wenn mir ttt-Moderator und Bio-Bauer Dieter Mohr mit seiner Ökologismus-Esoterik furchtbar auf den Geist geht.

UPDATE:
Beinahe eine Woche ist nun seit meinem Beitrag vergangen, und vorgestern (!) hatten sich die Öffentlich-Rechtlichen das erste Mal ausführlich mit der Quadriga-Story befasst.

Quizfrage: Wer ist da quicker, und wer dockt da an wen an: die Blogger an den Öffentlich-Rechtlichen oder umgekehrt?

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