Samstag, Januar 26, 2008

Bold Bluffing Broadcasting*


Für das Jahr 2007 unterzog der Medienbeobachter HonestReporting die Berichterstattung der BBC einer genauen Untersuchung. BBC hat die Ergebnisse nicht bestritten, reagiert aber nichtsdestoweniger pikiert und will die Seriosität von HonestReporting infrage stellen. Statt sich den Ergebnissen zu stellen setzt der Nachrichtenkrösus auf die Abteilung Attacke. Kein Wunder eigentlich - welcher Mediengigant lässt sich von einer Handvoll Kritikern sagen, dass er Mist gebaut hat und wird das bitte schön auch öffentlich bekennen?

Viele HonestReporting-Leser hatten die BBC angeschrieben, um eine Antwort auf die Jahresanalyse zu bekommen, die systematisch und quantifizierbar der BBC eine einseitige Berichterstattung zu Ungunsten Israels nachwies und die Ergebnisse des Halbjahresberichts berücksichtigte. Ebenso verfuhren die Jewish Chronicle and die Jewish News, die, zusammen mit den Abonnenten, von der BBC in gewohnt abschätziger Art gerügt wurden, denn HonestReporting, so der Broadcaster, „hat einen speziellen Blick auf den Konflikt und kann nicht als unabhängiger Schiedsrichter unserer Nachrichten gesehen werden.“ Um der eigenen journalistischen (Fehler-) Bilanz quasi noch ein Gütesiegel anzuheften, schiebt das Unternehmen eine Alibi-Erklärung hinterher, in der es mit treuem Augenaufschlag versichert, dass es „sich der „unparteiischem Berichterstattung zum israelisch palästinensischen Konflikt verpflichtet“ weiß - und jetzt kommt die Weihe der selbst erteilten Absolution - „ein unabhängiger Untersuchungsausschuss zur Unparteilichkeit der BBC-Berichterstattung zu Nahost im Jahr 2006 zu dem Ergebnis [kam], dass es in unserer Berichterstattung zum Konflikt keine absichtliche oder systematische Parteilichkeit gab.“

Nun hat HonestReporting sicher keine Scheu davor, eine andere „Sicht zum Konflikt“ des moralischen Relativismus der BBC einzunehmen. Die Analyse von HonestReporting hat jedoch die Berichterstattung der BBC nicht nach subjektiven Kriterien untersucht, sondern auf der Grundlage rein journalistischer Standards, deren Befolgung und Aufrechterhaltung die BBC für sich beansprucht. Die britische Dame muss sich deshalb wohl oder übel an ihren Ansprüchen messen lassen.

Es stimmt - die BBC hat die Statistiken und Schlussfolgerungen der Studie von HonestReporting nicht bestritten, wandte dann aber einen beliebten Kunstgriff an. Sie verlegte sich darauf, die Arbeit von HonestReporting selbst anzuzweifeln. So also agiert eine Organisation, die der Veröffentlichung ihres eigenen Balen-Reports zur Nahost-Berichterstattung - weil äußerst peinlich - einen Riegel vorschob und alle rechtlichen Mittel ausschöpfte, um die Veröffentlichung des Berichts zu verhindern. Zur Erinnerung: Die BBC gab 200,000 £ für Anwaltsgebühren aus, um den internen Bericht zur Nahostberichterstattung des Nachrichtensenders zu vertuschen. Was die Belange des öffentlich finanzierten Senders betrifft war das Geld gut ausgegeben; die "Beeb" hat eine Klage des Londoner Anwalts Steven Sugar abgewiesen, der bei Freedom of Information Act (FOI) eine Kopie angefordert hatte. Sugars Erfolg in einer früheren Phase juristischer Schritte führte zu einer Lawine von ähnlichen Anfragen bei FOI (darunter eine von HonestReporting). Alle wurden abschlägig beschieden.

Staunend fragt man sich: Wenn die BBC nichts zu verstecken hat, warum ist sie dann so versessen darauf, Geld von britischen Steuerzahlern auszugeben, um den Balen-Report zu vertuschen? Und warum weigert sie sich, die Ergebnisse der HonestReporting-Analyse anzusprechen? In Berichten von HonestReporting kann man nachlesen, dass a) „die BBC praktisch aufgehört hat, über palästinensische Raketenangriffe zu berichten, aber detailreich zahlreiche israelische militärische Operationen in Gaza auflistet.“ So gingen allein im Jahr 2007 fast 1.500 Raketen und Mörsergranaten auf israelische Zivilisten nieder, was im Durchschnitt einem Beschuss alle 10 Stunden entspricht. HonestReporting listete auf, dass die BBC während des ganzen Jahres „nur 6 Artikel verfasst hatte, die sich mit dem Raketenbeschuss befassten“, dafür aber 56 Berichte, die von israelischen Operationen im Gazastreifen handelten.

Sicher ist es nicht falsch, über innerpalästinensische Gewalt zu berichten - geht es doch auch darum, dass die Leute dort im Umgang miteinander nicht zimperlich verfahren (und das dann über diverse NGO's als Opfer israelischer Gewalt ausgeben) -; denken wir nur an die Machtübernahme durch die Hamas. Dennoch muss die überproportional gestaltete Berichterstattung im Gesamtkontext "Israel-Palästinenser" überraschen: 41 Berichte waren der BBC diese Ereignisse wert - im zweiten Halbjahr 2007 berichtete die Organisation aber über lediglich 6 Raketenangriffe auf Israel, obwohl diese an Intensität immer mehr zunahmen.

Was jeden Leser verständlicherweise sofort „anspringt“ ist b) die Gestaltung von Schlagzeile und Header; also konnte nicht übersehen werden, dass “die Schlagzeilenauswahl der BBC bei vielen Artikeln widersprüchlich [war] und in unausgewogener Weise die palästinensische Seite bevorzugte.“ In der Halbjahresuntersuchung 2007 hatte HonestReporting festgestellt, dass die Vorgehensweise der BBC in dieser Hinsicht überhaupt nicht stimmig war. 60% der Artikel benannten Israel bzw. die IDF direkt als Täter, wohingegen den Palästinensern ein geradezu überschwängliches Attest ausgestellt wurde: 15% aller Berichte benannten sie direkt als Täter. Wie die nächste Grafik zeigt, hat sich das bis zum Jahresende 2007 nicht nur nicht geändert, sondern zeigt eine gerade groteske Voreingenommenheit auf, auch wenn man berücksichtigt, dass sich dank des Sicherheitszaunes die Lage für die israelische Zivilbevölkerung spürbar verbessert hatte: 0% (!) auf Seiten der Palästinenser. Dazu noch einen Kommentar abgeben zu müssen grenzt an verbaler Vergewaltigung.

Da Bilder oft mehr als tausend Worte sagen, kam HonestReporting c) zu dem ernüchternden Ergebnis, dass „Fotos, die den Artikeln zu Kämpfen oder Terrorattacken beigefügt wurden, äußerst mitfühlend die palästinensische Perspektive zeigten - in einem Verhältnis von drei zu eins zu Ungunsten Israels.“ Die Bildauswahl ist für die subjektive Aufnahme einer Geschichte von enormer Bedeutung - besonders wenn es um Kampfeinsätze und Terrorangriffe geht. In der zweiten Jahreshälfte 2007 registrierte HonestReporting, dass Bilder, die bei Artikeln zu Angriffshandlungen eingebaut wurden, dreimal so viel Sympathie für Palästinenser erzeugten als für Israelis.

Während also eine „home made“-Kassam bei vielen „neutralen“ Beobachtern im behaglichen Westen ein müdes Lächeln entlockt, weckt der Anblick eines Kampfflugzeuges oder eines Apache-Helikopters mit Davidstern so warme Mitleidsempfindungen für die Palästinenser-Freunde, dass dem eben noch gelassen reagierenden „unabhängigen Friedensfreund“ die „gerechte“ Zornesröte ins Gesicht schießt. Da kann der Underdog noch so brutal und hinterfotzig sein - er ist ein Underdog, und seit 1945 haben besonders wir Deutsche gelernt, dass es eminent wichtig ist, sich auf die Seite des militärisch Schwächeren zu stellen, weil „wir aus unserer Geschichte ja schließlich gelernt haben.“

Begründet eine groteske (Nicht-) Wahrnehmung und geistige Verwirrung wie diese unter anderem nicht auch die unverhohlene Sympathie, die viele Zeitgenossen dem klerikal-faschistischem Mullahregime im Iran entgegenbringen? Ich denke ja. Denn schließlich haben schlaue Experten dafür gesorgt, dass der Iran als relativ harmlos eingestuft werden kann. Und wenn die Expertisen hinken? Na wenn schon. Was wären ein oder zwei A-Bomben des Iran gegen das „monströse Arsenal“ Israels? Wer so schlussfolgert, ist schon längst wieder im Herbst 1938 angekommen.

Beschwerden an die BBC kann man hier loswerden.

*In etwa: Dreist täuschender Rundfunk


Hattip: HonestReporting

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