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Montag, November 09, 2009

Buchbesprechung: Tilman Tarach: Der ewige Sündenbock*

Eigentlich wäre man beinahe geneigt zu sagen, Tilman Tarach, promovierter Jurist aus Freiburg im Breisgau, habe mit seinem Buch “Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die »Protokolle der Weisen von Zion« und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt“ Neuland betreten, denn nur wenige Autoren haben sich bisher der schwierigen Aufgabe gestellt, [...] eines der besten deutschsprachigen Bücher zum Thema Judentum, Antisemitismus, Israel und arabisch-israelischer Konflikt zu schreiben, wie Aviv Shir-On, stellvertretender Generaldirektor für Medien und Öffentlichkeitsarbeit im israelischen Außenministerium, treffend festgestellt hat.

Sich mit einer derartigen Herausforderung zu befassen erfordert mehr als die Inangriffnahme und Überwindung des berühmt-berüchtigten ersten leeren Blattes. Was bei der Lektüre des Buches schon nach wenigen Seiten auffällt ist die immense Sorgfalt und Präzision, mit der Tilman Tarach zu Werke geht, dazu seine instinktsichere Verknüpfung und situative Zusammenführung der historischen Dimension des Antisemitismus speziell in Nahost mit der persönlichen Verstricktheit der Protagonisten.


Exemplarisch sichtbar und konkretisiert wird dies u.a. in der Schilderung der Person des Großmuftis von Jerusalem, Amin el-Hussein, und dessen enger Verbindung zur NS-Führung, seiner Spiegelung des originär islamischen Judenhasses in der nationalsozialistischen Entsprechung und ihrer beider Übereinstimmung im eliminatorischen Antisemitismus. Und hier kommt ein Alleinstellungsmerkmal Tarachs zur Geltung, das nur wenige seiner Kollegen bieten können, nämlich seine überaus kundige und vor allen Dingen gewissenhafte Quellenarbeit.


Sehr überzeugend auch, wie der Autor am Beispiel der Dämonisierung Israels durch die UNO, vieler ihrer Mitgliedstaaten und Unterorganisationen sowie des dubiosen UN-Menschenrechtsrates und des speziell für die Palästinenser installierten UNRWA (**) im Detail aufzeigt, was schon der SPIEGEL-Autor und Publizist Henryk M. Broder in zwingender Klarheit ausgesprochen hatte - nämlich die Projektion des verfolgten einzelnen Juden der NS-Zeit auf die Delegitimierung des jüdischen Staates Israel als Jude unter den Nationen und der Antizionismus als „legitime“ Entsprechung des Antisemitismus heute - und nur deshalb weniger verdächtig und salonfähig, weil er meist im Gewande des linken Kulturrelativismus und dialektischen Marxismus daherkommt.


Ein Gegenstand spielt dabei eine zentrale Rolle, der im Zeitalter alltäglicher Medienpräsenz zunehmend an Bedeutung gewinnt: die Vermengung von linker Sozialromantik mit ihrem neuen Gegenstand der Begierde, nachdem das Lumpenproletariat in der westlichen Welt nicht mehr existiert - nämlich der „entrechteten“ und „verfolgten“ arabischen Nation und ihrer fanatischen Apologeten. Wie kann man linken Antisemitismus besser kaschieren als mit dem hybriden Anspruch auf den Alleinvertretungsanspruch auf das Soziale und Gerechte, wenn man es am Beispiel der angeblich von Israel unterdrückten Palästinenser demonstriert?


An dieser Stelle zeigt sich übrigens, dass eine mir bekannte Rezensentin wohl einer Fehleinschätzung aufsitzt, wenn sie Tarachs sachlich völlig zutreffenden Hinweis darauf, dass die USA dem jungen jüdischen Staat keine Unterstützung zukommen ließ und z.B. bei der förmlichen Anerkennung Israels der Sowjetunion den Vortritt ließ, ja selbst 1948 Israel in seinem ersten großen Überlebenskampf anfangs in keiner Weise beistand, indirekt als sozialistische Romantisierung der Gründungsphase Israels interpretiert. Tilman Tarach hat dieser Unschärfe entgegengewirkt, indem er klar darauf hinwies, dass die Sowjetunion allein aus praktischem Selbstzweck handelte. Auch hat er die systemimmanenten Ursachen bei den Linken richtig benannt (siehe mein Hinweis im Absatz oben).


Oft verkannt oder unter den Teppich gekehrt wird oft auch die Tatsache, dass literarische Scheußlichkeiten wie Die Protokolle der Weisen von Zion quer durch alle politischen Reihen und Bevölkerungsschichten einen ungebremsten Zuspruch erfahren. Der Autor geht dieser Frage intensiv nach, und spätestens hier muss sich dem (lernbereiten) Leser erschließen, warum Ultralinke, Nazis und radikale Muslime trotz vordergründiger Unterschiede eine unverrückbare Konstante in der gemeinsamen Schnittmenge „Judenhass“ finden.


Von dieser Überlegung ausgehend führt Tarachs Analyse zur Berichterstattung der Medien im aktuellen „Palästina“-Konflikt und einer geradezu ins Groteske verdrehten Journalistenethik, die im Übereifer eines sozialistischen Helfersyndroms Ursache und Wirkung schamlos verdreht und Israel, den einzigen demokratischen Staat in Nahost, nahezu täglich zum Täter abstempelt.


Tilman Tarachs Buch deckt schonungslos Fakten auf (auch was "fromme" christliche Verfehlungen betrifft), und seine Sprache mag bei dem einen oder anderen um etwas mehr emotionale Zurückhaltung bemühten Zeitgenossen vielleicht ein wenig Stirnrunzeln auslösen. Aber das ist bei diesem Buch allenfalls sekundär und meines Erachtens sogar geboten. Der Autor ist ehrlich, überzeugend und geradlinig. Wer Probleme mit der semantischen Etikette hat, sollte sich mit der Süddeutsche Zeitung begnügen. Das Problem dabei ist nur, dass er dort oder bei anderen „Qualitätsblättern“ selten reinen Wein zum islamischen oder linken Antisemitismus eingeschenkt bekommt.

“Israelfreunden“, die Kritik an israelischen Regierungsentscheidungen mit versteckter Leugnung der Existenzberechtigung des jüdischen Staates verwechseln, ist bei der Lektüre zu wünschen, dass sie neue Einsichten gewinnen und vorherige Fehlschlüsse korrigieren. Für aufrichtige Sucher wird Tilman Tarachs Buch selbstredend ein Gewinn sein.


Bernd Dahlenburg

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*Tilman Tarach, Der ewige Sündenbock: Heiliger Krieg, die "Protokolle der Weisen von Zion" und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt

Broschiert: 300 Seiten
Verlag: Edition Telok
Auflage: 2. Aufl. (März 2009)

ISBN-10: 300026583X

ISBN-13: 978-3000265839


(**) Ausführliche Exzerpte nachzulesen bei Lizas Welt hier und hier.

Montag, Dezember 29, 2008

Ulrikes Putztage

Wenn SPON-Redakteurin Ulrike Putz aus dem Nahen Osten berichtet, dann kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass von Wortungetümen, adjektivischen Rundumschlägen und mehr oder weniger versteckt geäußertem Verständnis für Terrorbuben wie die Hamas oder Hisbollah inflationär Gebrauch gemacht wird.

Die Dame hat’s drauf, wie man so schön sagt: jetzt mit ihrem beinahe elegisch anmutendem Gewinsel, wenn es um die Kampfhandlungen im Gazastreifen geht.

Sie, die hektische Euphorie entwickelt und dabei eine widerlich-romantisierend abgestaubte Karl-May-Rhetorik bemüht, wenn sie Kassam-Bastlern im Gazastreifen über die Schulter blickt und dabei bei Typen wie Norman Paech und Radikalpazifisten-Blindschleichen von Pax Christi und anderen Israelhassern einen wohligen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagt, darf natürlich nicht fehlen, wenn es darum geht, den Kampfhandlungen im Gazastreifen den ultimativen „journalistischen Touch“ zu geben. Ein Armutszeugnis für den SPIEGEL.

Ja, darf sie doch. Von mir aus. Freie Meinungsäußerung usw.; wissen wir alles. Und wenn sie am liebsten aus sicheren Verstecken wie Beirut oder dem weltläufig-pulsierenden Tel Aviv berichtet (Und diesmal ausnahmsweise ganz tapfer aus Jaffa*, wow!), um - wie ihr Kollege Carsten Kühntopp von der ARD - den Allerwertesten schön aus dem Schussfeld zu halten, nehmen wir ihr das nicht übel, denn: Wer praktiziert (riskiert) schon gerne Journalismus vor Ort wie Michael Totten, der seit Jahren regelmäßig sein Leben riskiert, um möglichst authentisch zu berichten?

Aber sie muss sich dann auch darauf einstellen, dass ihr Mist kommentiert wird.

So schreibt sie z.B. im Teaser (Dt.: Vorspann):

Der Zorn der in Israel lebenden Araber über das Blutbad von Gaza droht in Gewalt umzuschlagen.
Schon in diesem Satz wird ihr abgrundtiefer Hass auf den Staat Israel deutlich, wenn sie eine Kausalität zwischen in Israel lebenden Arabern (die Israel gegenüber oft nicht loyal eingestellt sind) und den schwülstig überhöhten Begriffen „Zorn“ und „Blutbad“ herstellt. Eigentlich hätte sie hier schon abbrechen können: Putz-Teaser-Abbrechen. Punkt!

Abgesehen davon, dass in Israel lebende Araber die Letzten wären, die auf das Privileg verzichten würden, im einzigen demokratischen Staat in Nahost zu leben, obwohl manche dort eine demographische islamische Zeitbombe darstellen, ist diese Wortwahl - besonders in diesem Kontext - nicht versehentlich oder zufällig gewählt. So geistig limitiert scheint Ulrike Putz nun (vielleicht) doch nicht zu sein, dass sie nicht wüsste, was sie absondert. Das hat Methode.

„Zorn“ oder „Wut“, wie sie weiter unten schreibt, impliziert im allgemeinen Sprachgebrauch die berechtigte Reaktion auf Ungerechtes und das darauf folgende Eintreten für eine gerechte Sache, wohingegen „Blutbad“ auf den „Goliath“ und ehemaligen „David“ Israel (Bis zur Shoa und 1967 durfte er letztere Rolle einnehmen) abzielt, der seit 1948 die Frechheit besitzt, sich erfolgreich gegen die eliminatorischen Obsessionen arabischer Killer-Cliquen zu wehren. Zudem ist der Begriff „Blutbad“ so gewählt, als würde eine übermächtige und hinterhältige Terrororganisation es auf „unschuldige Opfer“ absehen.

Und das bingt Pützchen alles in einem Satz unter!

Da auch spätestens seit dem Sechstagekrieg 1967, als der noch junge Staat Israel einem erneuten Versuch arabischer Staaten, ihn zu vernichten ([Gamal Abdel Nasser]; bitte zu „(5) Der Sechs-Tage-Krieg 1967 – Behauptungen und Tatsachen (II)“ runterscrollen), zuvorgekommen war und sich auch viele Linke im Westen von ihm abgewendet hatten, weil sie nicht akzeptieren wollten, dass sich Juden bzw. der jüdische Staat Israel auch weiterhin aktiv gegen ihre Ausrottung wehrten, begann nun auch ein Großteil der linken Medien, Opfer- und Täterrolle neu zu definieren. Und da steht Frau Putz in einer unheilvollen und opportunistischen Tradition. Gelernt ist gelernt, kann ich da nur sagen.

Opfer ist im Nahostkonflikt seitdem immer der quantitativ Unterlegene - Täter immer der quantitativ Überlegene. Das Fatale daran: Staatlicher Gewalteinsatz zum Schutze der eigenen Bevölkerung, wie in diesem Fall von der IDF, auch wenn er ethisch mehr als legitimiert ist, wird immer an diesem Axiom festgemacht.

So weit, so schlecht....

Frau Putz salbadert nun im Text weiter und versucht den Eindruck zu erwecken, als seien arabische Israelhasser im Staat Israel eine Lausbubentruppe, die sich äußerst diszipliniert verhält. Und sie bringt dabei Einiges durcheinander:

In Beirut, in Damaskus, in Kairo, im Westjordanland und in Israel, wo Palästinenser mit israelischem Pass 20 Prozent der Bevölkerung stellen: Überall tragen die Menschen Zorn und Trauer auf die Straßen.
Wir wissen jetzt also dank Putz, dass Palästinenser mit israelischem Pass 20% der Bevölkerung stellen. Und vor allen Dingen wissen wir noch ein Zweites: Zorn und Trauer sind nur dann berichtenswert, wenn nach Tausenden Kassam-Raketen seit 2001, die aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden, der Angegriffene, also Israel, sich wehrt und die Quelle der Terrorangriffe (Hamas und Konsorten) aus dem Verkehr ziehen will.

Vielleicht sollte ich meine Einschätzung von oben nun doch revidieren und Frau Putz bescheinigen, dass sie keine Ahnung hat: „20% Araber“ sollte es heißen, und nicht „20% Palästinenser“. Aber das würde ja heißen, dass man ihr einen Deppenpass ausstellt. Und welcher vernünftige Mensch will das schon?

Macht nichts, denkt Frau Putz: Der geneigte SPON-Leser wird’s dankbar annehmen, die Strick-, Klöppel- und Esoterik-Bibelgruppen etlicher evangelischer und katholischer Volkskirchler ebenso und die „Volkspresse“ auch, denn schließlich handelt es sich ja hier um einen „berechtigten Volkszorn“, und der ist vertretbar, wie wir spätestens seit dem 9. November 1938 wissen.

Danke Ulrike!

Putzlappen bitte eintauchen und abwischen.

Es stinkt widerlich.


*Update, 10. Januar, 2009:

Der Fairness halber sollte darauf hingewiesen werden, das Frau Putz mittlerweile aus Ashkelon berichtet.

Zur fairen Berichterstattung gehört aber auch, dass sie sich unter israelischem Schutz befindet, der ihr eine freie Berichterstattung gewährleistet. Kann sie das im Westjordanland oder im Gazastreifen - oder im Kongo, im Sudan oder in Sri Lanka?

Das nur ganz nebenbei....; dem israelischen Schutz übrigens, der ihr nicht "ganz geheuer " zu sein scheint, wenn sie die Sicht der Hamas einnimmt.