Frau Professor Dr. Beate Rennen-Allhoff, Rektorin der Bielefelder Fachhochschule, scheint in Ihren Bemühungen, dem couragierten Soziologieprofessor Dr. Heinz Gess ein Disziplinarverfahren anzuhängen, nicht nachlassen zu wollen.
Heinz Gess' "Verbrechen": Er hatte am 7. April 2008 auf seiner Internetplattform Kritiknetz einen Artikel von Clemens Heni und Peter Bierl veröffentlicht, der veranschaulichte, dass in der Öko-Pax-Bewegung antisemitisch grundierte, völkische und konservativ-revolutionäre Ideologien verwurzelt sind. In einem weiteren erklärenden Beitrag hatte Gess darauf hingewiesen, dass Werner Haverbeck (1909-1999), ehemaliger Professor für Sozialwissenschaften und ausgestattet mit höchsten NS-Funktionen, an der FH Bielefeld Karriere machen konnte, nach dem Krieg dieser Lebensabschnitt unberücksichtigt blieb bzw. Haverbeck an der FH Bielefeld ungehindert und ungefragt weiterarbeiten konnte.
Schlimm genug, dass ein Dozent, der Differenzierung im Umgang mit Israelkritik anmahnt und auf die Verlogenheit des sich als Antizionismus gerierenden Antisemitismus aus der linken Ecke und seine Schnittmengen zur rechten und islamistischen Gesinnung verweist, permanent Anfeindungen durch Kollegen und Studenten ausgesetzt ist.
In zwei Beiträgen (darunter ein mit ihm geführtes Interview) habe ich die Hintergründe etwas näher beleuchtet.
Doch hier zum neuen Unterstützungsaufruf von Clemens Heni und Peter Bierl für Heinz Gess. Weitere Informationen sowie Kontakt zu den Autoren unten.
Peter Bierl und Clemens Heni
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde und Kollegen,
Die Rektorin der Fachhochschule Bielefeld, Beate Rennen-Allhoff, scheint das angekündigte Disziplinarverfahren gegen Professor Heinz Gess weiter zu betreiben (wer den Fall noch nicht kennt, finden Informationen am Ende dieses Schreibens).
Das ist ein Skandal, weil Gess nichts anderes getan hat, als publik zu machen, dass in den 70er Jahren an der Fachhochschule der vormalige hochrangige NSDAP-Funktionär und rechtsextreme Aktivist Werner Georg Haverbeck unterrichten konnte.
Die Presse hat über den Fall berichtet, viele Menschen aus dem In- und Ausland haben bei der Rektorin und bei Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart protestiert, die Grünen im Landtag von NRW eine Anfrage gestellt.
Die Antworten Pinkwarts sind unbefriedigend: In der Personalakte Haverbecks sei kein Hinweis auf dessen NS-Vergangenheit zu finden, heißt es, und der Minister erklärt sich für nicht zuständig, obwohl er die politische Verantwortung trägt. Die Rektorin der FH hat ein Gefälligkeitsgutachten bestellt. Dessen Autor, der Bielefelder Stadtarchivar Bernd J. Wagner, bilanziert, Haverbeck sei bis 1945 und nach 1980 ein aktiver Nazi gewesen, nicht aber in den 1960er und 1970er Jahren, als er für die FH und deren Vorläuferin gearbeitet habe. Wagner unterstellt ein rechtsextremes „Coming Out“ Haverbecks erst seit den 1980er Jahren (Bericht, S.9).
Demnach war Haverbeck seit 1967 für die Vorgängerin der FH, die staatliche Ingenieurschule Bielefeld, und von 1972 bis 1975 für die FH tätig, Systematisch blendet Wagner die rechtsextreme Betätigung Haverbecks zwischen 1945 und 1980 aus. Fälschlich suggeriert er, der „Weltbund zum Schutz des Lebens“ (WSL), dessen Präsident Haverbeck von 1974 bis 1982 war, und das von ihm betriebene „Collegium Humanum“ hätten sich erst im Verlauf der 1980er Jahre rechtsextrem betätigt.
Dabei wurde der WSL 1959 von dem ehemaligen NSDAP- und SA-Mann Günther Schwab gegründet, dessen rechtsextreme Ansichten der WSL publizierte. Nach Ansicht Schwabs führt die moderne Zivilisation mit ihren Giften zur Degeneration der weißen Rasse, weshalb die Amerikaner nicht in der Lage seien „das kleine tapfere und gesunde Volk der Vietnamesen zu besiegen“. Schwab verlangte eine eugenische Selektion von Menschen und wollte „Farbige“ zur Geburtenbeschränkung zwingen. Der WSL war schon in den 1970er Jahren die bedeutendste Organisation rechtsextremer Ökologen, das Collegium Humanum mit dem WSL immer eng verbunden. Im Verfassungsschutzbericht von NRW aus dem Jahr 2003 heißt es: Das Collegium Humanum unterhalte eine Bildungsstätte, „die seit Jahrzehnten auch von Rechtsextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung genutzt wird“ (ebd., S.61).
Während das Ministerium behauptet, niemand habe von der NS-Vergangenheit und rechtsextremen Betätigung Haverbecks gewusst, könnte Wagners skurrile Expertise dazu dienen, eine Rückzugslinie aufzubauen oder das Disziplinarverfahren gegen Gess zu fundieren, mit der Lüge, Haverbeck sei zwischen 1945 und 1980 gar kein Nazi gewesen.
Diese Manöver hat der emiritierte Professor Peter Pott durchkreuzt. Er hat inzwischen die Rektorin aufgefordert, das Verfahren gegen Gess einzustellen. Pott war damals Dekan an der Fachhochschule. Ihm sei die rechtsextreme Gesinnung von Haverbeck nicht unbekannt gewesen, er habe sein Wissen aber nicht an die große Glocke hängen wollen, um den Ruf der Fachhochschule nicht zu gefährden. Pott schreibt, ihm sei die Nähe Haverbecks zu Ernst Jüngers menschenverachtendem „Heroischen Realismus“ aufgefallen und er habe daraufhin über dessen braune Vergangenheit recherchiert. Pott hat auch das Werk „Das Ziel der Technik“ (1965) von Haverbeck auf seinen faschistischen Gehalt hin analysiert, das Wagner als Ausweis für dessen Abkehr vom Nationalsozialismus missinterpretiert.
Interessant ist der Hinweis Potts, er habe seinerzeit Einsicht in Haverbecks Bewerbungsunterlagen nehmen wollen, diese aber „nicht bekommen“. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass etwas vertuscht werden sollte. Wagner schreibt in seinem Gutachten, eine Dissertation Haverbecks wäre nicht aufzufinden (Bericht, S.2). Haverbeck promovierte nach Angaben von Gess 1937 bei Hermann Wirth, im SS-Ahnenerbe.
Dass alte Nazis ihre Karrieren an deutschen Universitäten nach 1945 fortsetzen konnten, war der Normalfall. Außergewöhnlich ist, dass im Fall Haverbeck eine solche Karriere nach Jahrzehnte später von Ministerium und Hochschulleitung vertuscht und Kritiker mundtot gemacht werden sollen.
Wir bleiben deshalb bei unseren Forderungen, ein Disziplinarverfahren sofort einzustellen und die Archive und Akten zum Fall Haverbeck, der inzwischen ein Fall Fachhochschule Bielefeld ist, öffentlich zugänglich zu machten. Wir bitten Euch, in diesem Sinn weiter zu protestieren und auch diese E-Mail weiter zu verbreiten. Sinnvoll wäre, sich direkt an den Landtag von NRW zu wenden, direkt Abgeordnete und Journalisten anzusprechen. Die Journalisten unter Euch bitten wir nochmals, den Fall publik zu machen,
Hier die Adresse des Ministeriums: Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen, Völklinger Straße 49, 40221 Düsseldorf
Für Rückfragen stehen wir zur Verfügung.
gez. Peter Bierl und Clemens Heni
Der Sachverhalt in Kürze:
Vorgeworfen wird Gess, seine Pflichten als Beamter verletzt zu haben. Er habe dem Ansehen der Behörde geschadet und insbesondere gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Es geht um einen Artikel, den wir beide verfasst haben, und den Heinz Gess auf der von ihm betrieben Homepage kritiknetz.de unter dem Titel „Grün-braune Liebe zur Natur: Die NSDAP als „grüne Partei“ und die Lücken der Naturschutzforschung“ veröffentlicht hat. Das Disziplinarverfahren bezieht sich auf eine Nachbemerkung von Gess.
Er verweist darin auf die Tatsache, dass Werner Haverbeck (1909-1999) ab 1972 mehrere Jahre lang an der FH Bielefeld als Professor für Sozialwissenschaft wirken konnte. Haverbeck war Mitglied der NSDAP-Reichsleitung, des NS-Studentenbundes und der SA sowie Leiter des NS-Reichsbundes für Volkstum und Heimat. In der Bundesrepublik war Haverbeck von 1974 bis 1982 Präsident des rechtslastigen Umweltverbandes „Weltbund zum Schutz des Lebens“ und Mitunterzeichner des so genannten Heidelberger Manifestes von 1981, in dem die Forderung „Ausländer raus“ pseudoökologisch verbrämt erhoben wurde. Haverbeck war Mitbegründer des so genannten Collegium Humanum in Vlotho in Ostwestfalen, einer rechtsextremen Tagungsstätte, wo sich unter anderem 1984 das „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Führers“ (KAH) traf.
Wir halten es für einen Skandal, dass jemand deswegen mit einem Disziplinarverfahren überzogen werden soll. Damit soll ein Wissenschaftler mundtot gemacht werden, der einen solchen Vorgang öffentlich benennt. Verschwiegenheitspflicht kann nicht heißen, die Anstellung eines alten Nazis als FH-Dozenten zu vertuschen und das nach über 30 Jahren. Pikant ist, dass einen Monat zuvor, Anfang Mai 2008, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das von Haverbeck gegründete Collegium Humanum wegen rechtsextremer Umtriebe verboten hat.
Peter Bierl
Journalist
peterbierl@gmx.de
Clemens Heni
Post-Doc Associate, Yale Initiative for the Interdisciplinary Study of Antisemitism, Yale University, New Haven, Conneticut, USA
clemens_heni@web.de
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