Tarik Armagan gehört zu jenen
Autoren und Ex-Muslimen, die auf der Webseite
Islam Watch kritische Artikel über den Islam schreiben. Gestern hat er in eine
m lesenswerten Aufsatz herausgearbeitet, wo für ihn die theologischen Eckpunkte in der Auseinandersetzung mit dem Islam zu sehen sind und wie wichtig es ist, aus der Sicht eines Ex-Muslim an Themenstellungen und Motivationen heranzugehen, wie sie so nur Apostaten (Glaubensabtrünnige) zu leisten vermögen.
Wir, die es gewohnt sind, die Thematik von außen zu sehen, können dank Tarik Armagan auch einen Blick in die Seele eines Apostaten werfen.Castollux hat den Aufsatz Tarik Armagans übersetzt.
Muslime: Die ersten Opfer AllahsTarik Armagan5. Oktober 2007
Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich wie viele Autoren, deren Zeugnisse diese Sammlung füllen, ehemaliger Muslim bin, ein Abtrünniger und liberaler weltlicher Humanist. Im Westen geboren, als Sohn einer gemäßigt sunnitischen Familie türkischer und persischer Abstammung, identifizierte ich mich vollständig mit den Ansichten, die in den diversen Aussagen über kafiri (Unglauben) manifestiert worden sind.
Man gebraucht ziemlich selten den Begriff Ex-Muslime, weil Apostasie für die meisten Muslime jenseits ihrer Möglichkeiten liegt - es einerseits gegen alles verstößt, was einem gelehrt wurde und zum anderen die Todesstrafe nach sich zieht. Ich war einmal Sklave dieser Anschauung, obwohl ich nie Fundamentalist war oder irgendeine Hassrhetorik vertreten habe wie jemand, der mit extremistischen Muslimen Umgang hat.
Ich kehrte dem Islam nach dem Studium des Heiligen Koran den Rücken - einem Buch, das sich als nichts anderes als eine Sammlung umgearbeiteter biblischer Geschichten entpuppte (mit wiedergekäuten heidnischen Mythen), gepfeffert mit stets präsenten Drohungen von Allahs Zorn. Meine ersten Zweifel am Islam kamen, als ich mich in einen Mann verliebte (der Jude war, ja wirklich!) und auf der Suche nach einem Ausweg, der mir erlauben sollte, meine Homosexualität mit menschlicher Würde zu leben. Wie viele religiöse Menschen, die auch nicht dumm sind, versuchte ich, dies mit der offensichtlichen Irrationalität meines Ahnenglaubens zu vereinbaren, aber Logik und Mitgefühl obsiegten.
Leaving Islam ist wahrscheinlich die leserfreundlichste von allen antiislamischen Unternehmungen Ibn Warraqs*. Sie bietet nicht nur eine historische Beschreibung der ketzerischen Lehren und Verfolgung der bekanntesten Islam-Apostaten, sondern auch einen umfassenden und globalen Überblick darüber, warum eine stetig wachsende Anzahl von Muslimen dem Glauben abschwört, entweder zugunsten anderer Religionen (oft dem Christentum) oder - was häufiger vorkommt - atheistisch wird. Die Berichte kommen aus allen Ecken der Welt - dem Iran, der Türkei, Bangladesch, Marokko, Tunesien, Malaysia, Indien und sogar den USA. Ein unverhältnismäßig großer Prozentsatz der Berichte kommt aus Pakistan. Man fragt sich, warum das so ist. Neigen Pakistanis mehr zu Zweifeln als andere Muslime?
Ungeachtet verschiedener nationaler Abstammungen der Autoren gibt es einen gemeinsamen Faden, der sich durch alle Geschichten zieht und sie verbindet: tradierter (selbst fundamentalistischer) Glaube verwandelt sich nach genauerem Studium der islamischen Texte und Glaubenssätze in tiefe Enttäuschung. Sie mögen sich fragen: Wenn das alles ist, was Muslime dazu veranlasst, dem Islam den Rücken zu kehren, warum haben dann nicht mehr diesen Schritt gewagt? Es gibt dafür viele komplexe Begründungen und jeder Autor erklärt auf seine Weise, warum für ihn die Apostasie (Glaubensabfall) die einzige Wahl war.
Obwohl ich nicht erwarte, dass viele geneigt sind, es zu lesen, würde ich jedem praktizierenden Muslim dieses Buch empfehlen. Viele der traditionellen islamischen Argumente bezüglich Glaubwürdigkeit (des Islam) wurden in dieser sehr persönlichen und zutiefst logischen Zusammenstellung zerlegt. Obwohl ich enttäuscht war, keinen persönlichen Bericht über Ibn Warraqs eigene Apostasie zu finden, faszinierten mich doch auch die anderen enthüllenden und oft herzzerreißenden Schilderungen.
Alle Berichte sind lesenswert; aber herausragend waren für mich jene von Ali Sina, Abul Kasem, Parvin Darabi, Azam Kamguian, Taner Edis, Nadia, Denis Giron, Faiza und Ben Hoja.
Sinas Bericht ist insofern besonders bemerkenswert, weil er die verschiedenen Phasen skizziert, durch die jemand geht, der sich für die Apostasie entschieden hat (Glaube, Ablehnung, Verwirrung, Schuld, Zorn, Trauer und schließlich Aufklärung). Ich denke, dass ich mich noch im Zustand der Betrübnis befinde, der ständig die verlorenen Menschenleben und das vergeudete Potential betrauert.
Fünf der im Buch beschrieben Zeugnisse stammen von Konvertiten, die mit dem Islam nur aufgezogen wurden, um ihn zu verlassen. Girons Geschichte ist außergewöhnlich geistreich und komisch. Das Kapitel über Hoja mit dem Titel "Schwarze Komödie", ließ mich glucksend und laut auflachen (die Anmerkungen sind zum Schreien komisch), nur um mir einen Tiefschlag zu verpassen und mich am Ende in Tränen aufgelöst zurückzulassen. Seine Geschichte allein ist den Verkaufspreis wert.
Wie alle Bücher Warraqs wird auch dieses Wut und Empörung hervorrufen, weil es den wachsenden Skeptizismus und Selbsthass unter Muslimen zeigt, die zufällig nicht Ibn Warraq, Salman Rushdie oder Irshad Manji heißen. In seiner Einführung bezeichnet Warraq die verschiedenen Berichte als "Kassandra-Rufe", die den Eindruck erwecken könnten, dass diese Abtrünnigen sich als hilflose Opfer sehen; sie sind alles andere als dies. Jeder Autor bringt mächtige und brennende Anklagen gegen den Islam, Mohammed, den Koran und Allah vor, die nicht ignoriert oder abgetan werden dürfen.
Es ist keine Kleinigkeit, zu behaupten, dass Muhammad ein Vergewaltiger, Kriegshetzer, Massenmörder und Pädophiler war. Wenn Sie diese Vorwürfe aufzählen kommen Ihnen augenblicklich Bilder von Hitler, Idi Amin oder Dschingis Khan in den Sinn und nicht die ehrwürdigen arabischen Sagen, die die Herzen von Milliarden besetzen. Wie kann es sein, dass der Gründer einer der "großen“ Religionen von solch einer Brutalität erfüllt war?
Doch jede ausgewogene und ehrliche Lektüre der islamischen Tradition kann nur zu diesem Ergebnis führen. Entweder akzeptieren wir, dass die Geschichte bezüglich Muhammad lügt oder dass wir uns selbst belügen, was ihn betrifft. Werden wir als Menschen nach der selektiven Erlösungsreligion trachten oder wollen wir die Wahrheit suchen? Wie Sina am Ende seiner Geschichte verkündet: "Die Wahrheit ist ein unwegsames Land".
Was mich immer wieder perplex macht ist die Standardantwort von Muslimen auf Kritik an ihrem Glauben: Statt rationale Techniken der Debatte, Argumente und folgerichtigen Verteidigung zu verwenden, antworten sie mit Gewalt und Morddrohungen, um Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Dies charakterisiert Handlungen von Menschen, die entweder keine gute Ausbildung haben, um ihre Lehrsätze verteidigen zu können, oder von jenen, die wissen, dass der einzige Weg, diese doktrinären "Wahrheiten“ aufrechtzuerhalten, der ist, dass niemandem erlaubt wird, diese anzuzweifeln. Beliebiger Faschismus?
Aber es wäre falsch, den Muslimen selbst die Schuld dafür zuzuweisen; eher sind dafür die "leeren Versprechungen“ dieser Gottheit verantwortlich zu machen. Die, die den Koran gelesen haben, werden zugeben, dass Allah alle seine Forderungen zum "einen wahren Glauben“ in gleicher Weise geltend macht: Nicht, indem er an Vernunft oder Logik appelliert, sondern wenn er mit Gewalt und Drohung herrscht. "Glaub' dies, benimm dich dementsprechend, oder du verbrennst im ewigen Höllenfeuer".
Dies ist das Thema des Koran. Es zeugt von extremer Ironie, dass all diesen Drohungen immer wieder der Standardsatz "im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen" vorangestellt ist. In der Tat. Wie also können wir erwarten, dass Muslime anders planen und leben als mit Gewalt und Irrationalität, wenn Allah selbst ihnen die Lebenswahrheiten in gleicher Weise diktiert? Wenn überhaupt, dann ahmen sie höchstens Allahs Vorbild nach - etwas, das jeder tun würde. Muslime sind die ersten Opfer Allahs.
Ich muss auch sagen, dass dieses verhältnismäßig unbekannte und kleine Feld der Islamkritik Freidenkern wie Ibn Warraq, Salman Rushdie, Ali Sina und Irshad Mannji großen Dank schuldet. Es ist unsere Pflicht als Freidenker, Reformer, und ja - gerade als Ex-Muslime - eine bedeutende Rolle einzunehmen, wenn der Islam sich der schrumpfenden modernen Welt bemächtigen will. Wir sind uns im Grunde darin einig, dass wir direkt die Extreme benennen, mit denen der Islam betrieben werden kann und er seine Anhänger antreibt. Dennoch haben wir, die Apostaten, Widerstand geleistet, und in dieser "Rückgewinnung unseres Seins" haben wir bewiesen, dass die Vernunft in der Lage ist, genauso stark zu sein wie eine Offenbarung.
Der Islam ist ein Beduinenmärchen - eine arabische Stammesmythologie; geschaffen, um den islamischen Imperialismus des 8. und 9. Jahrhunderts für rechtsgültig zu erklären. Irgendwann jedoch entwachsen wir diesen moralischen "Tu-dies-oder-jenes"-Märchen und lernen - hoffentlich - in Würde statt aus Angst zu leben. 1.400 Jahre Selbstvernichtung und Selbsttäuschung sind genug. Die Kassandras haben endlich Mut bekommen.
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Hat tip: H. Eiteneier, Lizas Welt; Abbildung: Amazon