Alex Margolin
(Übersetzung Castollux)
Als Richter Richard Goldstone seinen berühmten Gastbeitrag zum Goldstone Report veröffentlicht hatte, offenbarte er – möglicherweise unbeabsichtigt – eine der hervorstehenden Voreingenommenheiten des nach ihm benannten Untersuchungsausschusses, der den Bericht anfertigte. Er arbeitete, so scheint es, mit der tief empfundenen Annahme, dass zwischen Israel und der Hamas eine moralische Gleichwertigkeit bestünde.
Diese Tendenz zu moralischer Äquidistanz kann man auch bei der Berichterstattung zu den letzten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen erkennen.
Auch wenn nahezu alle Mainstream-Nachrichtenmedien über die Geschichte als die von Aktion und Reaktion berichteten, die durch einen Anschlag der Hamas auf einen israelischen Schulbus ausgelöst worden war und zu israelischen Vergeltungsschlägen auf Ziele im Gaza-Streifen geführt hatte, so lieferte doch die Berichterstattung den irreführenden Eindruck, Israel und Hamas seien moralisch gleichzusetzen.
Was die Nachrichten ausließen war das Motiv des Vorsatzes - genauer gesagt, sie vertuschten die Tatsache, dass es der Hamas allein darum ging, israelische Schulkinder zu ermorden, und Israels Absicht bei der militärischen Antwort darin bestand, seine Bürger zu schützen.
Der Unterschied zwischen beiden Seiten zeigt sich am deutlichsten, wenn man die jeweiligen Motive untersucht. Der ursprüngliche, fehlerhafte Goldstone Report wurde jedoch von seinen Verfassern dermaßen eingetrübt, dass keine Unterschiede mehr herausgearbeitet werden konnten.
Goldstone selbst räumt nun ein, dass es keinen Beleg dafür gibt, der auf irgendeine israelische Absicht hinwiese, während des Gaza-Krieges Zivilisten unter Beschuss zu nehmen. In Ermangelung von Beweisen, die eindeutig in irgendeine Richtung wiesen, ging seine „logische Schlussfolgerung“ von israelischer Schuld aus:
Dass die der Hamas zugeschriebenen Verbrechen absichtlich verübt wurden, ist klar – ihre Raketen wurden gezielt und wahllos auf zivile Ziele abgefeuert.Mit anderen Worten: die Kommission beschloss aufgrund der Tatsache, dass palästinensische Zivilisten Leid erfuhren, Israel habe – ebenso wie die Hamas – absichtlich Zivilisten beschossen.
Die Vorwürfe bezüglich einer israelischen Absicht basierten auf Tod und Verwundung von Zivilisten in Situationen, in denen unsere Untersuchungskommission keine Beweise vorfand, aus denen man weitere angemessene Schlüsse hätte ziehen können.
Erstaunlicherweise konnte die Kommission nicht erkennen, dass Israels einzige Absicht für einen Krieg in Gaza darin bestand, den Hamas-Raketen auf israelische Zivilisten ein Ende zu bereiten. Hätte es keinen Raketenbeschuss gegeben, wäre es zu keinem Krieg gekommen.
Aber in einer Welt moralischer Gleichsetzung zwischen Aggressor und Angegriffenem sind Motive irrelevant. Beide Seiten schossen, und beide Seiten verursachten Verluste unter der Zivilbevölkerung. Deshalb ist zwischen beiden Seiten moralisch kein Unterschied zu machen.
Diese Voreingenommenheit moralischer Gleichsetzung – die Unfähigkeit, zwischen vorsätzlicher Aggression der Hamas gegen israelische Zivilisten (die „selbstverständlich“ war) und Israels Motiv, seine Bürger gegen eben diese Aggression zu schützen, eine Unterscheidung zu treffen – bestätigt sich angesichts der Berichterstattung in dieser Region immer wieder.
Als letztes Wochenende die Gewalt eskalierte, widmete sich ein Artikel nach dem anderen Israels Reaktion auf das auslösende Geschehen – den vorsätzlichen Angriff der Hamas auf einen israelischen Schulbus mit einer Panzerabwehrrakete.
Dieser Associated Press-Artikel war beispielhaft für die Berichterstattung zur Gewalt in Gaza:
Israel bombardierte am Samstag ununterbrochen Hamas-Ziele im Gazastreifen mit Luftschlägen und Panzerangriffen und Panzergranaten, tötete dabei Angaben palästinensischer Offizieller zufolge vier Kämpfer, während palästinensische Raketen bei den intensivsten Kämpfen seit dem Gaza-Krieg tiefer nach Israel eindrangen.Es könnte vernünftig erscheinen, in erster Linie über die Verluste zu berichten. Aber eine trockene Nacherzählung der Aktionen ohne Erwähnung der dahinter stehenden Motive kann die Atmosphäre der Ereignisse nicht schildern.
Insgesamt wurden 18 Gazaner getötet und mehr als 65 verwundet, seit Israel die Militärschläge nach einem Hamas-Angriff auf einen israelischen Schulbus am Donnerstag entfesselte. Eine Panzerabwehrrakete traf den Bus, fügte einem 16-jährigen Jungen schwere Verletzungen zu und verwundete den Fahrer.
Statt über die Ereignisse zu berichten als einen von der Hamas absichtlich herbeigeführten Anschlag und den folgenden israelischen Versuch, weitere Anschläge zu verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, bekommen wir eine ausführliche Beschreibung der Kampfhandlungen, die nach merkwürdigen „Wie du mir so ich dir“-Attacken in einem moralischen Vakuum klingen.
Time Magazine verwendete in seinem Teaser für das Aufflackern der Kämpfe im Gazastreifen sogar die Phrase „Auge um Auge, Zahn um Zahn“*.
Die Redewendung suggeriert, dass alle Gewalt im Wesentlichen gleich zu bewerten sei – so, als seien die Motive der Hamas irrelevant gewesen. Im Beitrag von Associated Press ist es Israel, das Gewalt „entfesselt“ hat – hier aber so, als sei der Angriff auf den Bus überhaupt kein Auslöser gewesen.
Kein Wunder also, wenn die Leute bei diesem Thema von einer „Gewaltspirale“ sprechen. Wenn die Medien nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen Hamas-Aggression und Israels Verteidigung aufzuzeigen, vernachlässigen sie das zentrale Element der Geschichte, das den Menschen ermöglicht zu begreifen, was passiert war.
Aber sorgfältige Berichterstattung würde die Dinge so zeigen, wie sie wirklich sind: eine Partei, die Präzisionsraketen auf Schulkinder mitten aus ihrer Zivilbevölkerung heraus abschießt (siehe Video unten). Dann würden die Menschen erkennen, dass es zwischen Israel und der Hamas keine moralische Gleichsetzung geben kann. Vielleicht kapiert es dann selbst Goldstone.
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*Zu Auge um Auge, Zahn um Zahn:
Es kann nicht oft genug betont werden, dass diese Formulierung (oft genug auch von oberflächlichen Christen) immer wieder falsch interpretiert bzw. ausgelegt wird. Der SPIEGEL hatte in überaus dämlicher Weise sogar einmal seine Titelseite damit aufgemacht. Deshalb hier noch einmal eine deutliche theologische Richtigstellung. (bd)