Trotz heftiger Kritik aus den eigenen Reihen stellt sich Angela Merkel hinter die Europäische Zentralbank. Die will künftig unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern kaufen - eine Kehrtwende in der Euro-Rettungspolitik. Auch Finanzminister Schäuble verteidigt den neuen Kurs.
Ich bin (Details über mich in meinem Profil bei Castollux) sicher kein Kenner der Materie, was wirtschaftswissenschaftliche Spezifika betrifft, aber als interessierter Laie habe ich natürlich auch eine klare Meinung zum oben angeführten Thema.
Die Aussage Merkels wird dazu führen, dass zukünftig die Geber von den Schuldnern erpresst werden können, indem Letztere über die Europäische Zentralbank (EZB) die Notenpresse anwerfen lassen, also schlicht eine Inflation herbeiführen: eine dreiste Pervertierung der Maastrichter Kriterien und eine bizarre Entstellung des ursprünglich politisch (!) beabsichtigten Europa-Modells schlechthin.
Das Argument vieler linker Gleichmachungstheoretiker, Deutschland würde sich in diesem Fall unsoldirarisch verhalten, spricht allen Fakten Hohn: Deutschland ist schon jetzt am Rettungsschirm, der zurzeit etwa 700 Milliarden Euro umfasst, mit einem Anteil von etwa 170 Milliarden beteiligt. Und jede weitere Aufstockung, von der man mit ziemlicher Sicherheit ausgehen muss, würde das deutsche Stabilitätskriterium reißen, was nichts anderes bedeutet, als dass man mittelfristig selbst unter den Rettungsschirm flüchten müsste.
Die infantile Solidaritätseinforderung der Schuldnerländer, der massive Bürgschaftsaktionismus der EZB sei einer haushaltspolitischen Konsolidierung der Mitgliedsländer und derem wirtschaftlichen Aufbau geschuldet, hängt mir mittlerweile zum Halse heraus. Griechenland wäre bisher schon (!) bei den neuen vollmundig verkündeten Kriterien von Mario Draghi (Abbildung oben), was zukünftige Anleihenkriterien beträfe - grandios durchgerauscht.
Italien hängt wahrscheinlich innerhalb des nächsten Haushaltsjahres mit einer Billion drin, Spanien mit etwa der Hälfte dieses Umfanges, ohne dass strukturelle Veränderungen im Ansatz erkennbar wären. Warum schickt die Bundesregierung jetzt Spezialisten nach Spanien, um das dortige Ausbildungssystem reformieren sollen, also Schule und Berufsausbildung parallel zu organisieren? Die deutschen Fachleute haben sich vorher nicht aufgedrängt. Panik pur.
Dass es auch positiv geht, was die Reformierung der Staatshaushalte betrifft, hatten Portugal und Irland gezeigt: sie hatten die Staatsquote massiv gesenkt, ohne dass dort bürgerkriegsähnliche Zustände eingetreten wären. Über Portugal und Irland redet heute kein Börsenmakler mehr; und diese beiden Länder sind nicht mehr Gegenstand von Beurteilungen der Rating-Agenturen. Gab es eine Verelendungsdebatte in Portugal oder Irland? Nein!
Sind also Rating-Agenturen Brandbeschleuniger einer Entwicklung, wie hyperventillierend-revolutionäre Linke behaupten, oder sind sie knallharte Analysten? Ich sage, dass Letzteres zutrifft, auch wenn ich mir im Traum auch eine Welt vorstellen könnte, in der mir die Trauben in den Mund hängen.
Draghis Vorschlag bedeutet eine Einladung für hemmungslose Schuldenpolitik und völlig falsch verstandene "Solidarität". Vernünftige Haushaltspolitik, geschweige denn Einhaltung von Mastrichter Stabilitätskriterien kann man so nicht erreichen.
Prinzipiell ist Solidarität okay - aber sie muss auch mit EINGEHALTENEN VERPFLICHTUNGEN des Schuldners korrespondieren.
Man stelle sich einmal Folgendes vor: Ein Schuldner, der Insolvenz angemeldet hat, würde mit Hilfe einer politisch genehmen Bank weiterhin neue Schulden aufnehmen, ohne dass seine Verpflichtung zur Rückzahlung der Altschulden in den nächsten 20 oder 50 Jahren davon tangiert wäre.
Wirtschaftlich vernünftig? Nein!
Ethisch vertretbar?
Noch viel weniger, weil neue Schulden neue Abhängigkeiten erzeugen und weitere Schuldgefühle oder Schuldzuweisungen auslösen. Das ist immer so, wenn sich Schuldner und Gläubiger treffen und über Verbindlichkeiten streiten.
Einem Schuldner (auch privat übrigens!) erweist man überhaupt keinen Gefallen, wenn man ihm neue Kredit-Korridore eröffnet. Genau DIES wäre zutiefst asozial - und nicht die Verweigerung eines Kredits aus dem hoffentlich vorhandenen Verantwortungsgefühl des Beraters heraus, der zugegebenerweise natürlich auch Verkäufer ist. Da bleibt ehrlicherweise nur die Insolvenz als ultimative Lösung.
Zuletzt:
Europa könnte in eine veritable Inflation schlittern, wenn die Versprechen Draghis eingelöst werden sollten. Und was an dieser Konstellation besonders absurd ist:
Merkel, SPD und Grüne (auch Grüne und Piraten) säßen dann in einem Boot, was letztlich bedeuten würde, dass die Kanzlerin ihr politisches Grab schaufelte, weil CSU und FDP in diesem Punkt hoffentlich hart blieben, was mittelfristig das Ende der Koalition bedeutete - leider.
Doch nach Katharsis folgt bekanntlich ja Erneuerung und Wiederbeginn, aber nur, wenn Hirn (Verstand) und Herz (Seele) miteinander in Einklang sind.
Wie aber sollen Hirn und Herz miteinander hamonieren, wenn die EZB niemandem mehr verantwortlich sein wird, also weder nationalen Parlamenten noch den Bürgern der Mitgliedsländer?
Eingreifen ist dann nicht mehr möglich. Und genau das erzürnt die Bürger, weil sie sich zu Recht über den Tisch gezogen fühlen werden.
Wenn man in Europa so weitermacht, wird die ganz große gesellschaftspolitische Krise mit revolutionären Folgen unabwendbar sein. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was die radikalen Sozen wollen.