Samstag, Oktober 18, 2008

Klage gegen Gott abgeschmettert

Ernie Chambers (71), seit 38 Jahren Parlamentsabgeordneter im Staat Nebraska, ist mit einer im letzten Jahr eingereichten Klage gegen Gott auf den Bauch gefallen. Er hatte Gott vorgeworfen, dass dieser zahlreiche terroristische Drohungen schwerster Art gegen unzählige Personen, den Kläger eingeschlossen, geäußert habe. Erbeben, Orkane, Überschwemmungen, Dürren, Plagen, Hungersnöte und andere Katastrophen seien die unmittelbaren Folgen dieser Verwünschungen gewesen. Das habe zu vielen Toten und Millionen von unschuldigen, terrorisierten Menschen geführt, nur zu dem Zweck, Angst und Schrecken zu verbreiten und Unterwerfung einzufordern. Und dies sei, so der Kläger, "in schriftlicher Form (Den Heiligen Schriften) niedergelegt und wurde und wird von seinen Agenten kommuniziert."

Zumindest vorerst wurde Chambers Einhalt geboten, denn ein US-Richter hat dem juristischen Kasperltheater ein vorläufiges und ebenso geniales wie überraschendes Ende bereitet. "Wer keine Adresse hat, dem kann man auch keine Anklageschrift zusenden", so die lapidare Begründung von Richter Marlon Polk. Und dagegen gibt es nichts einzuwenden, auch wenn im Englischen zwischen "Sky", also dem schönen weißblauen Himmel über meiner Heimat und dem transzendent verstandenen "Heaven" unterschieden wird, der eigentlich - und Alois Hingerl, Dienstmann und als "Münchner im Himmel" bekannt, kann das bestätigen - auch mit Wölkchen versehen ist, auf denen man von Petrus (Laut Ludwig Thoma) zum Hosianna-Singen verdonnert wird.

Nun gut, selbst Aloisus, wie er seit seiner Ankunft im "Heaven" hieß, konnte über die Hausnummer Gottes nichts Näheres mitteilen, auch wenn er wegen seines flegelhaften Benehmens beim Harfenspiel ("Mei lieber Luja, Sackl Zement Luja, dei Manna kannst selba saffa") direkt vor den Stuhl des Höchsten zitiert wurde, was ihm neben einer geharnischten Philippika ein Rückflugticket Richtung Erde und damit den Besuch in sein geliebtes Hofbräuhaus einbrachte, wo er - so wird's erzählt - angeblich noch heute sitzen soll und eine Maß nach der andern...na, du weißt schon. Auf jeden Fall "koa Manna".

Chambers führte ein Argument ins Feld, das bei Kritikern zum (eigentlich einfallslosen) Standardrepertoire gehört, wenn sie Christen und Monotheisten allgemein im Gespräch über ihren Glauben verunsichern wollen: Gott sei für alle Unbill dieser Welt verantwortlich, schaue weg und mache sich regelmäßig aus dem Staub, wenn seinen Geschöpfen Schlimmes widerfahre.

Vielleicht hatte der Richter ein wenig Mitleid mit Chambers, da er selbst wie wir alle wohl auch hin und wieder von Zweifeln geplagt ist und ihn seine Frau zuhause wohl mit ähnlichen Themen löchert, auf die er partout keine Antwort weiß. Aber wo Paragrafen walten muss es irgendwie zu einem begründeten Urteilsspruch kommen, und so kam ihm - Justitia sei Dank - die zündende Idee mit der fehlenden postalischen Adresse.

Chambers wollte das aber nicht so recht einleuchten und er hatte sich, wie es schien, auf eine abschlägige Antwort vorbereitet: "Da Gott alles weiß kennt er auch die Anklageschrift", so sein trotziges Kontra, und schließlich setze das Gericht mit seinem Glauben an die Existenz Gottes auch dessen Allwissenheit voraus.

Sehen wir das Ergebnis rein sportlich dann lautet das vorläufige Ergebnis Gott gegen Chambers 1:0, weil das Gericht die Nichtzuständigkeit in "Sachen Gott" festgestellt hat.

Zur Zuständigkeit noch ein Bemerkung: Chambers hatte seine Klage mit der Begründung beim Bezirksgericht Douglas eingereicht, dass Gott dort durch "zahlreiche Agenten unterschiedlicher Religionen und Kirchen vertreten" sei und damit "höchstpersönlch präsent". Manche dieser "Agenten" seien sogar der Meinung, nur sie würden ihn verteten - und was seinen Standpunkt noch stützen würde - der Angeklagte [Gott] habe sich nie von diesen Leuten distanziert.

Ob Chambers in Berufung gehen wird steht noch in den Sternen - bzw ist in irgendeinem Postfach der nächsten Galaxie links um die Ecke hinterlegt -, aber wenigstens konnte er mit einer schönen Schlussfolgerung aufwarten: "Da Gott allwissend ist, muss er auch Kenntnis von dieser Klage haben."

Stimmt. Wer das biblische Buch Hiob liest wird feststellen, dass Chambers in diesem Punkt sogar Recht hat. Aber Spaß beiseite: Die Geschichte zwischen Hiob und Gott entwickelt sich ganz anders und das Ergebnis ist ein höchst erfreuliches.

Sonntag, Oktober 12, 2008

Wie man Online-Schmierfinken im Web ausbremst

Im virtuellen Leben rumort es beinahe ebenso wie im realen: Verleumdungsprozesse landauf, landab. Überall, wo sich Bits und Bytes guten Tag sagen besteht heute - mehr denn je - die Gefahr, dass schlecht meinende Mitmenschen tonnenweise Schmutz über dich ausgießen, Sätze entstellen, aus dem Zusammenhang reißen und neu zusammenreimen oder schlicht nur ihrem mehr oder weniger platten Antisemitismus, ihrem offen oder versteckt vorgebrachtem Rassismus, ihrer borniert-linken Besserwisserei und ihrer strunzdummen rechtsradikalen Gesinnung Ausdruck verleihen und Kondolenzen ausschreiben, wie jetzt nach dem Ableben eines österreichischen Politikers, der „die Beschäftigungspolitik der Nazis eine gute Sache“ nannte und chiffriert über das "amerikanische Finanzjudentum" der Ostküste schwadronierte. (Im Bild links oben das Gemälde "Das Gerücht" von Paul Weber)

In Dortmund lebt ein Mann, dem es diebisches Vergnügen bereitet, meinen Blogfreunden, politisch nahe stehenden Autoren und mir (Er "widmet" mir gleich zwei konfus konstruierte Webseiten, kann aber heute noch nicht meinen Namen richtig schreiben), seit Jahren mit den unflätigsten Beleidigungen und seinem (Selbst-) Hass auf den Pelz zu rücken. Wenn ich nach meinem Real-Namen google, befinden sich unter den ersten 20 Einträgen einige seiner Verweise, was nach dem Google-Prinzip der Häufigkeit, wonach die meist aufgerufene Seite ganz oben steht (Konkurrierende Suchmaschinen listen manchmal nach anderen Kriterien auf), darauf hinweist, dass sein Schund den einen oder anderen dankbaren Abnehmer findet.

Doch genug davon vorerst. Um mich geht es nicht. Und Castollux-Leser wissen wahrscheinlich, wen ich meine. Im Unterschied zu ihm verbreite ich über meine politischen Gegner keine Falschmeldungen.


Vor ein paar Wochen bin ich im Time Magazin auf einen interessanten Beitrag von Anita Hamilton gestoßen, der das Problem „Verleumdung im Internet“ behandelt. Die Ausführungen Hamiltons verdienen es, gelesen zu werden, auch wenn sie von den Gegebenheiten in der angelsächsischen Medienlandschaft ausgehen. Sie sind aber, was die inhaltliche Diktion betrifft, jederzeit auf den deutschsprachigen Web-Markt übertragbar.
Castollux hat den Beitrag (sehr gerne, etwas verspätet nach dem Urlaub) übersetzt. Ich habe mir wenige sprachliche Glättungen und Einschübe vorbehalten, ohne dezidiert den Inhalt zu verändern.

Anita Hamilton

Online verleumdet? Wie man Web-Attacken begegnet

Hässliche Trennungsrituale, in der Öffentlichkeit ausgetragen, sind schon schlimm genug. Aber was, wenn die/der Ex anfängt, im Internet vor Millionen Ihre dreckige Wäsche auszubreiten? So geschehen am 10. April, als die britische Schauspielerin Tricia Wash-Smith das erste von drei YouTube-Videos einstellte, in welchem sie ihren Bald-nicht-mehr-Ehemann wegen seines fragwürdigen Charakters und seiner unzulänglichen sexuellen Potenz vor seiner Familie, der sie in herzlicher Abneigung verbunden war, zum Clown abstempelte. Tricia Walsh-Smiths Videos, die zusammengerechnet von mehr als 4 Millionen Menschen gesehen wurden, spiegeln mehr als die Verzweiflung einer verschmähten Frau wider. Sie sind Teil eines größeren und rapide wachsenden Problems, das da heißt: Online-Rufmord.

Eine herabwürdigende Äußerung gibt es immer mal wieder, und im realen Leben ist sie meist auch schnell wieder vergessen. Die gleiche Boshaftigkeit kann online gestellt aber eine unerwünscht große und dauerhafte Wirkung entfalten. „Nun müssen wir uns mit diesem gigantischen Megaphon namens Internet herumplagen und -schlagen, weil schon das leiseste Räuspern wenig später bei Google aufzufinden ist“, so Matt Zimmerman, führender Anwalt bei der Electronic Frontier Foundation.
Heute, wenn mehr und mehr Menschen soziale Networks wie Facebook aufsuchen, auf Seiten wie TripAdvisor.com und Yelp.com mit anderen Usern diskutieren und Kommentare schreiben oder ähnliches mehr, wird alles viel ernster genommen als jemals zuvor. Streithändel eskalieren - manchmal vor Tausenden Zeugen - und die Reaktionen der Beleidigten fallen entsprechend harsch aus. Viele versuchen, ihre Peiniger lahm zu legen, indem sie eine Widerlegung der kompromittierenden Anfälle veröffentlichen oder Webmaster auffordern, verleumderisches Material zu löschen. Einige Leute überziehen ihre Kritiker mit Unterlassungsklagen. Andere wiederum greifen zum letzten Mittel und beauftragen Firmen, die darauf spezialisiert sind, die verloren gegangene Online-Reputation wiederherzustellen. Aber das kostet…nicht nur Geld.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Ressourcen, jede Attacke mit einem Gegenangriff zu beantworten: Barack Obama z.B., frustriert wegen der Gerüchte um seine Abstammung und religiöse Vergangenheit, richtete im Juni eine Webseite namens Fight The Smears ein, um wirksam reagieren zu können. Doch mit Ärger verbundene Dinge selbst in die Hand zu nehmen kann manchmal ganz schön stressig sein, besonders dann, wenn man seine eigentliche Arbeit dadurch vernachlässigen muss.


Berühmt-berüchtigt war der Fall des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales im Jahr 2005, der versucht hatte, den eigenen Eintrag auf der Seite zu seinen Gunsten zu manipulieren: Wiki-User hatten spitz bekommen, dass er Quellenangaben seines Co-Gründers Larry Sanger gelöscht hatte, und - noch peinlicher - Hinweise auf eine von ihm gegründete Rechercheseite gefunden, die u.a. pornografischen Inhalt enthielt. Heute versucht das Programm WikiWatcher, ähnliche Entgleisungen bei anderen Wiki-Einträgen aufzudecken - beispielsweise, als ExxonMobil versuchte, die Auswirkungen des Valdez-Ölteppichs auf die Umwelt herunterzuspielen, oder als das FBI daran dachte, Luftaufnahmen von Guantánamo zu löschen, obwohl das Gefangenenlager selbst diese Bilder auf seiner Webseite eingestellt hatte.

Wenn Sie Ihre Kritiker selbst nicht zum Schweigen bringen können scheint der Gang zum Kadi und eine damit verbundene Verleumdungsklage das effektivste Mittel zu sein, ein Problem zu lösen. Aber um einen Rechtsstreit gewinnen zu können müssten Sie nachweisen, dass absichtlich falsche Behauptungen wesentlich mehr als nur Ihre Gefühle verletzt haben. Sie müssten auch genau wissen, wen Sie verklagen wollen (können), was angesichts so unübersichtlich vieler anonymer und pseudonymer Web-Beiträge - speziell auf Tratschseiten wie Juicy Campus, Faceliss und The Dirty - nahezu unmöglich ist, ohne eine ganze Armee von Webmastern aufmarschieren zu lassen. Darüber hinaus befreit der 1996 erlassene Communications Decency Act (Ähnlich wie der Haftungsausschluss hier in Deutschland) von irgendeinem Obligo für Beiträge, die Besucher auf der Webseite hinterlassen haben. „Lächerlich, dass Sie für etwas im Internet nicht zur Rechenschaft gezogen werden können“, so Chris Martin, Gründer von Reputation Hawk*, einem Dienstleister, der für die Wiederherstellung eines ramponierten Ansehens im Web zuständig ist.**

Das Hauptanliegen von Dienstleistern wie Reputation Hawk ist, die erste Seite aller Google-Suchresultate mit negativen Einträgen oder Links zu löschen. „Die ersten 5 Einträge bezeichnen wir als Gefahrenzone“, erklärt Chris Martin, „weil Sie nicht nach unten scrollen müssen um sie zu sehen“. Für 1.500 Dollar monatlich erstellt Reputation Hawk neue Webseiten, die keinen Hinweis auf negative Manipulationen enthalten (In der Regel mit dem eigenen Namen in der URL), richtet Links zu positiven Erwähnungen im Netz auf Seiten wie Digg und Del.icio ein und bringt positive Blogs auf Blogger oder Wordpress, was natürlich nicht von der eigenen Verantwortung für die weitere Pflege der Seite befreit.
„Sie nehmen alle diese neuen Informationen, die wir einstellen und üben so einen immensen Druck auf die Top-10-Resultate aus, die nach unten abgedrängt werden“, so Martin, der hinzufügt, „dass es Monate dauern kann, bis ein Online-Image wieder aufgepäppelt ist“. Aber „wenn man einmal aus den (negativen) Top 10 rutscht ist das schon ganz okay“. Eine perfekte Lösung ist das natürlich nicht, denn Leser, die sich durch mehrere Seiten durchklicken, finden immer noch etwas, das ihnen nicht passt.

Wenn Sie nicht Tausende Dollar übrig haben ist es wohl am besten, ihre Verleumder direkt anzugehen. „Die Antwort auf schlechte Rede ist mehr Rede“ formuliert Matt Cutts von Google, verantwortlich für das Ranking von Suchergebnissen. Für den Anfang empfiehlt er, Google Alerts mit dem eigenen Namen als Suchbegriff einzurichten. Jedes Mal, wenn Ihr Name auf einer Web- oder Blogseite erscheint, werden Sie automatisch per E-Mail benachrichtigt. So wissen Sie wenigstens, ob Sie ein Problem haben, und wenn, dann mit wem.

Wenn Sie schließlich Ihre Kritiker aufgespürt haben, sollten Sie sich ihre Antwort gut überlegen:

Selena Kellinger, Besitzer eines Ladens für Partyservice im kalifornischen San Jose, entschuldigte sich bei einer Kundin, die sich auf der Webseite Yelp kritisch über ihr Unternehmen geäußert hatte. Die Kritikerin Jumoke Jones war von Kellingers Antwort so beeindruckt, dass sie ihren negativen Beitrag durch einen positiven ersetzte. Karl Idsvoog, Journalistik-Professor an der Kent State University Ohio, wählte einen mehr konfrontativen Weg: Er antwortete auf den Vorwurf eines Studenten auf der Seite Rate My Professors (Bewertungsseite, auf denen die Studenten Noten für ihre Professoren verteilen), er sei ein „unverschämter, respektloser, anmaßender Snob“, indem er auf der Webseite Professors Strike Back dem Studenten entgegenhielt: „Wir sind hier nicht beim Babysitten. Wir sind hier, um Fachleute auszubilden. Werden Sie endlich erwachsen“.


Die (positive) Kehrseite der brodelnden Online-Gerüchtküche ist, dass zumindest jenen Gerechtigkeit widerfährt, die sich zu Recht ihren schlechten Ruf eingehandelt haben. „Jeder dahergelaufene Gauner denkt, dass wir hier sind, um ihm aus der Patsche zu helfen“, sagt Robert Russo, Geschäftsführer von Defend My Name. Für Halunken kann das Web-Megaphon ein nützliches Instrument sein. Für alle anderen aber ist es gut zu wissen, dass man zurückschlagen kann, wenn die Virtual Community ihre Geräuschkulisse erzeugt.


------------

*Momentan nicht aufrufbar.

**In Israel wurde diesbezüglich vor ein paar Monaten ein Gesetzesentwurf eingebracht, der vorsieht, Blogger ebenso wie offizielle Medien für deren Beiträge auch juristisch zur Verantwortung zu ziehen.

Dank an Pesach Benson von HonestReporting, der durch einen Hinweis auf seinem Blog Media BackSpin mich dazu bewogen hat, diesen Beitrag zu schreiben und den Text von Anita Hamilton zu übersetzen.