"Links sein" hieß irgendwann in grauer Sozialdemokraten-Vorzeit (19. Jahrhundert),
dass man sich zu allererst für Freiheit einsetzte und Termini wie „sozial“ etc.
als weitere erstrebenswerte Ziele daneben stellte, eben weil man die
Freiheit als Grundvoraussetzung für positive gesellschaftliche Veränderung erkannt hatte, wie Joachim Gauck zu Recht formuliert.
Heute heißt Links sein in erster Linie, dass man
sich dem Diktum der weichgespülten und veröffentlichten Meinung/Presse andient, die in ihrer Terminologie den absolut ethischen und reinen Begriff
"Freiheit" durch die Chimäre des "[totalen] Friedens" und vorauseilenden
journalistischen Gehorsams [auch gegenüber der islamischen Community) ersetzt hat.
»Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder«, sagte Paul Spiegel, der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im Jahr 2002 anlässlich antiisraelischer und antiamerikanischer Demonstrationen hierzulande. Ein Satz, der heute immer noch stimmt.
So rekurriert es Alex Feuerherdt. Und wie er Recht hat!
Die Ostermarschierer und Grass-Adepten der letzten Wochen hatten das
antisemitische Fanal des SS-Fossils schon Jahrzehnte zuvor intoniert, und sie wiederholen
es jetzt wieder, weil sie sich jetzt auf der sicheren Seite wissen, da Vox
Populi immer vehementer mitplärrt.
Ich finde, dass Paul Spiegels Satz (eigentlich schon eine Prophezeiung)
heute mehr zutrifft denn je zuvor und dringlicher ins Gedächtnis gerufen werden
müsste als nach 1945.
Hab’ Dank für deinen hervorragenden Artikel, Alex!
Hier im Original
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Der ideelle Gesamtfriedensbewegte
Die deutsche Friedensbewegung verteidigt Günter Grass,
attackiert Israel und nimmt den Iran in Schutz. Doch anders, als manche meinen,
tut sie das nicht wider besseres Wissen, sondern weil die Parteinahme für die
Feinde des jüdischen Staates fester Bestandteil ihre Ideologie ist.
von Alex Feuerherdt
Eines der ergreifendsten Komplimente für sein Gedicht »Was gesagt werden
muss« hat Günter Grass aus dem Iran bekommen, wo die Presse – anders als
hierzulande – noch nicht, wie Grass weiß, »gleichgeschaltet« ist und
deshalb jeder ungehindert gegen Israel hetzen darf. Grass habe »die Wahrheit
gesagt«, befand der stellvertretende iranische Kulturminister Jawad Shamakdari,
der hofft, dass die Zeilen des Literaturnobelpreisträgers »das eingeschlafene
Gewissen des Westens« aufwecken werden. Weiter lobte er: »Ich habe Ihr
warnendes Gedicht gelesen, das auf so großartige Weise Ihre Menschlichkeit und
Ihr Verantwortungsbewusstsein zum Ausdruck bringt. Mit ihrer Feder allein
können Schriftsteller Tragödien eher verhindern als Armeen.«
Impression vom Ostermarsch 2012 in Berlin: Der Frieden
braucht Grass, Israel dagegen ist verzichtbar (Foto:
PA/Maurizio Gambarini)
Derselben Ansicht ist man bei der deutschen Friedensbewegung, die am
Wochenende wieder ihre Ostermärsche veranstaltete und sich im Zuge dessen
zu Grass’ Verteidigung aufschwang. Auf Plakaten und Transparenten auf den rund
80 Kundgebungen an den Ostertagen war unter anderem zu lesen: »Grass hat
Recht!«, »Was gesagt werden muss!«, »Bleiben Sie stark, Herr Grass!« und »Ich
lasse mich gerne als Antisemit beschimpfen, wenn es dem Frieden dient.«
Grass-Portraits wurden mitgeführt, auch zahlreiche Redner auf den verschiedenen
Kundgebungen sprangen dem Schriftsteller bei.
Das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn, eine Art Dachorganisation,
verkündete in einer Pressemitteilung: »Die Intervention durch Günter Grass im
Irankonflikt hat trotz und vielleicht wegen der Kontroversen um das Gedicht die
realen Gefahren bei einem Militärschlag gegen iranische Atomanlagen nochmals
in den Fokus gerückt. Dafür ist ihm zu danken.« Der Sprecher der Frankfurter
Informationsstelle Ostermarsch, Willi van Ooyen, ergänzte: »Was Grass
angestoßen hat, kann nicht als antisemitisch unter den Teppich gekehrt werden.
Es war ein richtiges Wort von ihm.« Und Kurt Bender, der Sprecher des
Düsseldorfer Friedensforums, fragte auf einer Kundgebung in der
nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt gar mit geradezu bestechender Logik,
ob nicht diejenigen, die Israel mit Waffen beliefern, »die wahren Antisemiten«
seien.
Andreas Buro vom Netzwerk Friedenskooperative, einer der Mitbegründer der Ostermärsche,
sprang Grass gleich mit einem eigenen »Gedicht« zur Seite. »Günter Grass hat
vor Krieg gewarnt, Israel als eine Gefahr für den Weltfrieden bezeichnet«,
textete Buro, um fortzufahren: »Wir hätten auch die USA, die Erfinderin der
Achse des Bösen, genannt, aber auch die vielen arabischen und islamischen
Staaten, die mit der Kalaschnikow spielen und aktuelle Konflikte anheizen.«
Während der erste Teil des Satzes Grass’ antiisraelische Tiraden also noch um
den Antiamerikanismus ergänzt, ist dem letzten Halbsatz deutlich anzumerken,
wie sehr ihn sein Verfasser als lästige Pflichterfüllung empfunden haben muss.
Vor allem aber ist es eine groteske Verharmlosung, die gegen den jüdischen
Staat gerichteten Pläne zur atomaren Bewaffnung des Iran, die fast täglichen
Raketenangriffe auf Israel und die Schlächtereien des Assad-Regimes in Syrien
zu einem »Spiel mit der Kalaschnikow« und einem bloßen »Anheizen aktueller
Konflikte« zu verniedlichen. Doch Buro geht es ohnehin um etwas ganz anderes:
»Schlammschlachten zur Abwehr der Lyrik von Günter Grass, über seine
SS-Zugehörigkeit als 16jähriger Jugendlicher, sein angeblich gestörtes
Verhältnis zu Israel oder gar zu dem Versmaß seines Gedichtes sollen von seiner
Botschaft ablenken: Keine Politik, die zu einem Krieg im Iran-Konflikt führen
kann!«, behauptet er – so, als wäre es nicht genau umgekehrt, als hätte
nicht Grass selbst seine vermeintliche Sorge um den Weltfrieden bloß
vorgeschoben, um seine antisemitische Suada gegen Israel moralisch zu
salvieren.
Derlei Statements sind allerdings nicht verwunderlich, gehört Buro
doch zu den Initiatoren einer Erklärung der Friedensbewegung mit dem Titel
»Friedens- statt Kriegspolitik im Irankonflikt! Sanktionen und Kriegsdrohungen
sofort beenden!«, die kurz vor Ostern als bezahlte Anzeige im Freitag und in
der Süddeutschen Zeitung erschien und bislang von fast 2 000 Personen und Organisationen unterzeichnet
wurde. In ihr wird der Stopp jeglicher Sanktionen gegen den Iran gefordert, das
iranische Atomprogramm als bloße Reaktion auf die angebliche Kriegstreiberei
Israels und der USA dargestellt und das Schweigen der iranischen Opposition
nicht etwa auf die brutale Repression durch das Regime zurückgeführt, sondern
vielmehr auf die vermeintliche Doppelmoral des Westens. Wörtlich heißt es in
dem Aufruf: »Israels Atomarsenal und die militärische Einkreisung Irans durch
die USA, die inzwischen in nahezu allen seinen Nachbarländern Militärbasen
errichtet haben, sind wichtige Ursachen für die Rüstungsanstrengungen Irans.
Mit der Tolerierung von Israels Atomwaffenarsenal bei gleichzeitiger Bekämpfung
des iranischen Atomprogramms tragen USA und EU die Hauptverantwortung dafür,
dass kaum ein Oppositionspolitiker im Iran es wagt, die Atompolitik der
Islamischen Republik in Frage zu stellen.«
Micha Brumlik bezeichnete den Appell in der Taz zu Recht als »beschämenden
Ausdruck von Geschichtsvergessenheit und politischer Dummheit«. Dass sich die
Nachbarländer des Iran »durch die revolutionäre Außenpolitik der Islamischen
Republik bedroht fühlen, erwägt die ›Erklärung‹ ebenso wenig, wie sie den
einzigen Grund für die israelische Atomwaffen, die Verweigerung der Anerkennung
durch einige seiner Nachbarn, auch nur andeutet«, kritisierte der Publizist und
Erziehungswissenschaftler, der seinerseits »gegen einen von den USA geduldeten,
von Israel ausgeführten Luftangriff auf die im Bau befindlichen iranischen
Atomanlagen« ist. Auch der Publizist Detlef zum Winkel, der früher selbst der
Friedensbewegung angehörte, kritisierte den Aufruf scharf. Früher hätten die
Antimilitaristen in Deutschland den »Atomtod« bekämpft, schrieb er in einem
offenen Brief an Andreas Buro. »Bekämpfen wir es jetzt nicht mehr, wenn Israel
vom Atomtod bedroht wird?«
Zum Winkel hat Buro gebeten, seine Unterschrift zurückzuziehen, Brumlik
hat diese Forderung gleich an alle Unterzeichner der Erklärung gerichtet. Doch
so löblich diese Aufrufe zur Distanzierung auf den ersten Blick sein mögen, so
naiv ist die dahinter stehende Annahme, die Initiatoren und Unterstützer der
Erklärung könnten hier etwas wider besseres Wissen oder gegen die eigene
Überzeugung getan haben. Die Friedensbewegung war immer, wenn es um den
Nahost-Konflikt ging, antiisraelisch. Sie hat sich nie auf die Seite des
jüdischen Staates geschlagen, wenn dieser wieder einmal von
Selbstmordattentätern oder Raketenangriffen heimgesucht wurde, sondern die
Terrorattacken im Gegenteil stets Israel selbst angelastet. Und das ist kein
Versehen, sondern vielmehr die Konsequenz aus der ideologischen Grundlage
namens Antisemitismus.
Nichts könnte das besser deutlich machen als das Pamphlet von Günter Grass,
dem ideellen Gesamtfriedensbewegten. »Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen
sich die Mörder«, sagte Paul Spiegel, der damalige Präsident des Zentralrats
der Juden in Deutschland, im Jahr 2002 anlässlich antiisraelischer und
antiamerikanischer Demonstrationen hierzulande. Ein Satz, der heute immer noch
stimmt.