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Ist es nicht schön?
Und verzaubernd heimelig?
Der Autor dieses Artikels in Bildmitte unten - vordere Reihe mit dem Edelweißstern auf dem Lederhosenlatz; Vierter von links (der Kleinste, etwas skeptisch dreinschauend, verschüchtert; ganz gegen meine Art heute).
Rechts neben mir mein zweitältester Bruder Manfred (draufgängerisch, heute politisch weit links stehend); ganz rechts knieend meine zweitälteste Schwester Lilo (unbekümmert mit dem Heiligen Geist im Gepäck); in der hinteren Reihe die Dritte von links meine älteste Schwester Waltraud (immer im Einsatz für das Karitative und Haushalterische). Der Zweite vorne links ist Oskar (lustig-trotzig), ein Sinti, der es sehr viel schwerer hatte als die anderen Heimkinder in der damaligen Zeit...; aber ab und zu hat er mir eine verpasst, wenn ich "Zigeuner" zu ihm sagte. Danach, als die Fronten abgesteckt waren, wurden wir die besten Freunde. Und ich lernte etwas für's Leben.
Man fährt Willishausen über entlegene kleine Wege an - umsäumt von meterhohen Gräsern, Sonnenblumen und Sträuchern. Fast so wie vor gut 50 Jahren.
Zuerst passiert man bei Diedorf den Bahnhof, der in meiner Kindheitserinnerung wie Lummerlands Station von Michael Andes Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer aussah. Danach biegt man rechts ab, überquert die Schmutter, ein sich lieblich dahinschlängelndes Bächlein, und fährt geradewegs in den stillen Ort hinein.
Manches erinnert heute noch an die 1960er-Jahre: Die Kirche, der wohltuende Geruch von Kühen, die alten Odelwagen, die Frische des Waldes, die in das Paradies meiner Kindheit hineinweht, bröckelnde Fassaden, das standhafte Wirtshaus und manch’ ergraute Bewohner, die mir sagen: „Ach, Sie waren damals auch eines von den vielen Kindern des Evangelischen Waisenhauses Augsburg, die bei uns Ferien gemacht haben?“ Selbst an die amerikanischen Truppentransporter und Jeeps denke ich bisweilen, die uns überall hinkutschiert haben - auch nach Willishausen, nur um uns Kindern eine Freude zu bereiten.*
Zum Foto unten: Der Autor träumt vor sich hin und bastelt an irgendeinem zukünftigen Artikel, den er zwar schon im Kopf hat, aber noch nicht artikulieren kann (heute vielleicht auch nicht). Natürlich wieder der Kleinste (Dritter von rechts). Und irgendwie schauen wir alle unlustig drein. Was soll's: Ich bin heute trotzdem fröhlich. Und ich weiß warum.
Als Anita und ich die Fahrräder vor dem wie eh und je wunderschönen und vermodernden Holzgartenzaun geparkt hatten, der wohl seit Jahrzehnten [zum Glück] nie gestrichen worden war, sagte ich zu ihr: „Jetzt lass’ uns doch einmal den Nachbarn nach den Schlüsseln fragen“. Ein paar Minuten später kam er aus seinem Hof und erfüllte unseren Wunsch.
Es war unser vorerst letzter Besuch dort. Der freundliche Mann hatte uns gesagt, dass das Haus mittlerweile verkauft worden sei und dort eine Villa errichtet werden würde, so wie auf den Grundstücken daneben [ich wusste das vorher nicht]. Schade. Aber schön, dass ich Anita noch etwas aus meiner Kindheit zeigen konnte.
In den 1950er- Jahren hatte der Augsburger Arbeiterverein das Gebäude für unser Evangelisches Waisenhaus zur Verfügung gestellt und baulich unterhalten. Seit den 1990er-Jahren übernahm eine christliche Jugendgruppe der hiesigen evangelischen Augsburger Jakobskirche das Haus, führte eine Innenrenovierung durch und nutzte es als Freizeitheim. Langsam ging das Projekt aber den Bach runter.
Ich wollte jedoch unbedingt wissen, ob mich die eine oder andere Räumlichkeit noch an die 1960er-Jahre erinnert. Anita hat sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen gezeigt!
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass damals - in meinen Kindheitstagen - wegen Platzmangels mein zweitältester Bruder Manfred mit mir in ein Bett verfrachtet wurde: seine Füße an meinem Kopf und meine Füße an seinem. Lustig, gell? Wie Ölsardinen. Und gerangelt hatten wir uns wegen des Platzmangels auch, soweit ich mich erinnere - im Schlaf natürlich. Vielleicht ist er deshalb heute ein störrischer Marxist und ich ein unverbesserlicher Stockkonservativer ;-) Aber vielleicht kommen ja Kopf und Fuß irgendwann wieder zusammen, wenn auf beiden Seiten genügend Wille zur Versöhnung besteht.
Oder ich denke an meine Schwester Lilo, die als Hawaii-Mädchen posierte. Für mich eines der schönsten Fotos überhaupt in meinem Archiv (rechts).
Das Schönste in Willishausen waren die Wanderungen in den Wald und die Felder ringsum, Tannenzapfenschlachten, Basteln von „Pfeil und Bogen“ sowie die gelegentlichen „Aushilfen“ bei der Heuernte, wo wir auf den Wagen sitzen durften, die teilweise noch von Pferden gezogen wurden.
Der „Echowald“ beeindruckte uns Kinder besonders: ein auf einer leichten Anhöhe gelegener Tannenwald (wie bei Hänsel und Gretel, der heute noch steht), der laut Auskunft der Ortsansässigen eine besondere Eigenschaft aufwies: Wenn man hineinrief, bekam man ein starkes Echo. Beispiel: „Was essen die Studenten?“ Antwort des Waldes: "E.E.E...Enten". Natürlich haben wir Kinder dann alle möglichen Wort- und Satzkombinationen reingerufen, die uns so einfielen (Wie man in den Wald reinruft so kommt es heraus).
All’ diese Erinnerungen sind seit vorgestern endgültig Geschichte: Anita und ich haben uns das Innere des Ferienhauses angesehen und [ich] habe festgestellt, dass außer den Raummaßen nichts mehr so ist wie es war: Überall Rigips-Renovierung und architektonische Kühle. Immerhin konnte ich noch feststellen, wo Manfreds und mein Schlafplatz war. War schon bewegend für einen kurzen Augenblick, gebe ich zu.
Fazit: Reisen in die Vergangenheit sind meistens desillusionierend, weil man als Kind ganz andere Vorstellungen von Raum und Zeit hatte, dazu ganz andere Sinnesempfindungen. Dazu gehören Bilderfahrungen, Gerüche, Geräusche, schwärmerische Emotionen, Wahrnehmungen im Kontakt mit der Natur etc.
Da machte ich mir vor der Radtour auch nichts vor. Dennoch will man aber den Sachen „auf den Grund gehen“, noch einmal wissen, wie es denn „wirklich war“. So geht es vielleicht vielen Lesern. Und da habe ich vorgestern abschließende Erfahrungen gesammelt:
„Lass’ die Vergangenheit da, wo sie hingehört, nämlich eben in dieser Zeit. Bewahre aber im Herzen all’ das, was dort gut war: schöne Sinneserfahrungen, liebevolle Gemeinschaft und Kraftquell für die Zukunft!“
In den nächsten Monaten wird das Ferienheim Willishausen abgerissen** und an seiner Statt eine Villa gebaut, die keine alte Geschichte haben wird - sicher aber eine neue für andere Kinder. Für viele ehemalige Waisenhauszöglinge mehrerer Generationen wird - wie für mich - ein Stück alte Heimat verloren gehen. Aber gleichzeitig wächst ein neues Stück Heimat für andere Menschen heran. Das sollte man respektieren und wertschätzen, auch wenn ich jetzt etwas wehmütig gestimmt bin.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass mir diese Zeit in den 1960er-Jahren geschenkt wurde. Das muss und darf reichen.
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*Ganz abgesehen davon, wie viel Freude uns die amerikanischen "Besatzer" bereitet hatten, wenn sie uns zu Fest- und Feiertagen in die Kasernen und ihre Privatwohnungen eingeladen hatten und wunderschöne Tage bereiteten. Das werde ich nie vergessen!
**Wider Erwarten ist das Haus nun doch nicht abgerissen worden. Die neuen Grundstückseigentümer (ein junges Paar) haben zwar davor ein neues (Holz-) Haus gebaut, wollen das alte Gebäude vorerst aber stehen lassen. Sie sagten mir und Anita, dass sie dort vielleicht eine Übernachtungsmöglichkeit einrichten. Ich werde hier für meine Leserbriefschreiber bald ein neues Bild einstellen (muss ich noch fotografieren).
*Ganz abgesehen davon, wie viel Freude uns die amerikanischen "Besatzer" bereitet hatten, wenn sie uns zu Fest- und Feiertagen in die Kasernen und ihre Privatwohnungen eingeladen hatten und wunderschöne Tage bereiteten. Das werde ich nie vergessen!
**Wider Erwarten ist das Haus nun doch nicht abgerissen worden. Die neuen Grundstückseigentümer (ein junges Paar) haben zwar davor ein neues (Holz-) Haus gebaut, wollen das alte Gebäude vorerst aber stehen lassen. Sie sagten mir und Anita, dass sie dort vielleicht eine Übernachtungsmöglichkeit einrichten. Ich werde hier für meine Leserbriefschreiber bald ein neues Bild einstellen (muss ich noch fotografieren).