Mittwoch, Juli 10, 2013

NZZ-Redakteur Eric Gujer zur deutschen Doppelzüngigkeit in der NSA-Causa



Berlin und die NSA-Affäre - Deutsches Schmierentheater


Wann immer in der Bundesrepublik eine Debatte beginnt, darf man sich gewiss sein: Deutschland steht auf der Seite der Guten, seine Position ist zugleich eine Inkarnation der Weltmoral. In Afghanistan begnügte sich die Bundeswehr lange damit, Brunnen zu bohren und Schulen zu bauen, während man das Kämpfen den Nato-Alliierten überließ. Den libyschen Diktator Ghadhafi wollte auch die deutsche Öffentlichkeit gestürzt sehen, an den Luftangriffen der Verbündeten durfte sich die Bundesluftwaffe jedoch nicht beteiligen. In der globalen Aufregung um die Behauptungen des NSA-Verräters Snowden protestiert niemand so schrill gegen den amerikanischen Überwachungsstaat wie deutsche Medien, zugleich wertet man emsig die Erkenntnisse der US-Geheimdienste aus.

Nur wenn es um den Euro geht, will Deutschland partout nicht zu den Guten gehören, sondern zu den Sparsamen. Statt bereitwillig das Portemonnaie für die armen Südländer zu öffnen, hält man sein Geld lieber zusammen. Das Beispiel der Finanzkrise zeigt, dass Berlin durchaus zu einer nüchternen und interessengeleiteten Außenpolitik in der Lage ist. Es wäre daher auch in der Daten-Affäre allmählich angezeigt, mit der Schnappatmung aufzuhören und mit dem Nachdenken zu beginnen.

Seit Tagen stellt die Opposition bohrende Fragen, in welchem Umfang der deutsche Auslandnachrichtendienst BND mit der NSA kooperiert. Die Regierung indes gibt nur ausweichende Antworten. Dieses Schmierentheater muss ein Ende finden. Der BND arbeitet seit seiner Gründung engstens mit den amerikanischen Partnern zusammen; und natürlich erhalten die deutschen Spione dabei gelegentlich Informationen, deren Beschaffung ihnen nach deutschem Gesetz verboten ist. Das weiß jeder, der es wissen will. Dafür muss man keine Interviews mit Snowden führen. Statt ihre nicht enden wollende Abscheu zu zelebrieren, genügte es, wenn die SPD ihren Fraktionsvorsitzenden Steinmeier um Auskunft bäte. Dieser war unter Bundeskanzler Schröder für die Koordination der deutschen Geheimdienste zuständig.

Der Austausch mit Partner-Diensten hat nicht nur Anschläge in der Bundesrepublik verhindert. Das ganze Lagebild zum internationalen Terrorismus beruht in großem Umfang auf ausländischen Quellen. Ohne die Hilfe wäre Berlin gegenüber der islamistischen Gefahr auf einem Auge blind – obwohl Deutschland besonders exponiert ist. Von hier aus sind zahlreiche Migranten und Konvertiten in den Jihad gezogen. Die Bundesrepublik erlebte in den siebziger Jahren, wie eine Welle politischer Gewalt eine Gesellschaft paralysieren kann. Hier vorzusorgen ist ein Gebot der Klugheit, und dazu gehört es auch, die technischen Mittel auszuschöpfen.

Niemand kann der Forderung widersprechen, Gefahrenabwehr und Datenschutz seien auszubalancieren. Was dies aber in der Praxis bedeutet, lässt sich nicht im Zustand medialer Dauer-Erregung klären. Zumal jemand die Verantwortung tragen muss, wenn infolge von Versäumnissen Komplotte nicht aufgedeckt werden und Unschuldige ihr Leben verlieren. Es ist noch nicht lange her, da erörterte Deutschland, weshalb drei Neonazis zehn Personen töten konnten, ohne dass staatliche Stellen die richtigen Schlussfolgerungen zogen. Ist diese quälende Diskussion schon vergessen?

Doch geht es in der jüngsten Geheimdienstaffäre nicht allein um Terrorismus. Kanzler Kohl stand einst am Pranger, weil deutsche Firmen am Bau einer Giftgasanlage in Libyen mitgewirkt hatten. Die Bundesregierung hatte von «Auschwitz in the sands» nichts gewusst und war restlos blamiert. Deutschland bekämpft die Weitergabe von

Massenvernichtungsmitteln oder sichert seine Exportrouten auf den Weltmeeren. Strategische Interessen werden auch durch den Informationsvorsprung der Nachrichtendienste gesichert. Die Großmacht Amerika handelt nach dieser Maxime und stützt sich dabei auf die Antennen und Rechner der NSA. Deutschland ist im europäischen Rahmen ebenfalls eine Großmacht; sie kann sich nicht immer darauf verlassen, dass andere für sie die Kastanien aus dem Feuer holen, während sie in gemessenem Abstand das Banner der Moral hinterher trägt.

Montag, Juli 08, 2013

Leseempfehlung: Der Historiker Michael Wolffsohn zur gestörten Beziehung zwischen den USA und Europa



Die USA haben ein paar gute Gründe zu spionieren 

Professor Michael Wolffsohn

Deutschland und Europa sind empört: Die USA spionieren uns aus. Nur wenige Staaten, zum Beispiel der Iran und Pakistan, werden von den amerikanischen Sicherheitsdiensten intensiver beobachtet als Deutschland. Ist unser Land in den Augen der USA so etwas wie ein Schurkenstaat? Freunden, Verbündeten, Partnern gegenüber verhalte man sich nicht so, hallt es fast unisono in Deutschland. Ja, das Vorgehen der USA ist höchst problematisch. Freiheit und Sicherheit dürfen einander nicht ausschließen. Das ist die unumstößliche Norm der Demokratie an sich. Doch braucht die älteste Demokratie der Welt deutsche Nachhilfe?


Bitte mehr Bescheidenheit, liebe Landsleute. Auch Dankbarkeit. Ohne die USA gäbe es keine bundesdeutsche demokratische Republik. Ohne die USA wäre Hitler nicht besiegt worden, und ohne die USA wären.

Zum vollständigen Beitrag: 


http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_usa_haben_ein_paar_gute_gruende_zu_spionieren