Freitag, September 11, 2009

9/11: Erinnerung, Verharmlosung, Rechtfertigung und Verhöhnung

Vielen meiner Freunde und Leser geht es wohl ähnlich wie mir - sie können sich noch ziemlich genau daran erinnern, was sie am 11. September 2001 in den Stunden der Anschläge erlebten, wo sie sich befanden und womit sie in dieser Zeitspanne beschäftigt waren.

An jenem Tag stieg ich nachmittags kurz nach 15 Uhr, von der Redaktion kommend, aus der U-Bahn, um in den Münchner Hauptbahnhof zu gelangen. Oben angekommen sah ich im Eingangsbereich eine große Menschentraube, die gebannt auf die Videotafel sah. Auch ich blieb stehen, und ich sah einen Sprecher des ZDF, dazu den getroffenen und rauchenden Nordturm des WTC und pausenlos Zwischenschaltungen zu Korrespondenten in den USA und weltweit. Relativ bald erfasste ich, was passiert war: Es konnte nur ein Anschlag gewesen sein. Als das zweite Flugzeug knapp 17 Minuten später in den Südturm raste, konnte ich meine Wut und Trauer nicht mehr zurückhalten und ich weinte. Ich sah um mich - kaum eine Regung, aber alle Münder offen.

Da ich meinen Anschlusszug nicht verpassen durfte und sowieso nur eine halbe Stunde von München bis zu meinem Wohnort brauchte, entschloss ich mich, mit den anderen Pendlern den Zug zu besteigen, um mich daheim weiter zu informieren. Noch im Zug fiel mir auf, wie teilnahmslos und beinahe gelassen die meisten Mitreisenden wirkten. Ich sprach (vollkommen aufgelöst) meine Sitznachbarn an - keine Reaktion, Mobiltelefon am Ohr und Walkman eingeschaltet. Das begreife ich heute noch nicht.

Ein Jahr danach:

Der SPIEGEL-Journalist und Autor Henryk M. Broder veröffentlichte sein Buch „Kein Krieg, nirgends: Die Deutschen und der Terror“ (Die Abbildung links oben zeigt das Cover des Buchdeckels).

Er beschäftigte sich darin mit den Reaktionen vieler Deutscher auf die Terroranschläge - Prominenter und Leserbriefschreiber -, ihrer fassungslos machenden Gleichgültigkeit und gnadenlosen Empathielosigkeit, ihrer Täter-Opfer-Umkehrung und den sie umtreibenden Motiven - naiver Friedenssehnsucht, gepaart mit Verständnis für den Terror der „Underdogs“, veritablem Hass auf amerikanische Lebensweise und selbstverständlich
schlecht kaschiertem Antisemitismus im Schlepptau.

Henryk M. Broder hatte genau hingesehen und hingehört und dankenswerterweise zu Papier gebracht, was vielen unserer Freunde und mir auch aufgefallen war: Das anfängliche Mitgefühl schlug bald (bei einigen wie Drewermann und Sloterdijk schon nach Stunden) in kaum verhüllte Schadenfreude und Hass gegen die USA und Israel um -
Manifestationen bornierten Schwachsinns und selbstgerechter deutscher Nabelschau, oder wie Broder auf Seite 184 titelte:

So was kommt von was. Deutsche Trauer und deutsche Leiden


Ich bringe hier der Einfachheit halber einige Zitate im Original mit geringfügigen Kürzungen, die Broder ab Seite 184 in seinem Buch zusammengestellt hat; dazwischen wenige Einschübe aus anderen Kapiteln. Sie sprechen für sich und müssen nicht kommentiert werden. Die meiner Ansicht nach perversesten Interpretationen Karlheinz Stockhausens, Eugen Drewermanns und Wolfgang Benz' vorneweg (adjektivische und andere Zusätze neben den Namen [außer den Quellenangaben natürlich] stammen von mir):

Karlheinz Stockhausen
(Zwölfton-Komponist und Ästhet), zitiert nach dpa

Was da geschehen ist, ist - jetzt müssen Sie alle ihr Gehirn umstellen - das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat. Dass Geister in einem Akt etwas vollbringen können, was wir in der Musik nicht träumen könnten, dass Leute 10 Jahre üben wie verrückt, total fantastisch, für ein Konzert und dann sterben….Da sind also Leute, die sind so konzentriert auf eine Aufführung, und dann werden 5.000 Leute in die Auferstehung gejagt […]. Das könnte ich nicht. Dagegen sind wir gar nichts, als Komponisten…Ein Verbrechen ist es deshalb, weil die Menschen nicht einverstanden waren. Die sind nicht in das „Konzert“ gekommen.

Eugen Drewermann (kath. Theologe und prominentes Weltgewissen neben Hans Küng) live im Rundfunk (SFB) noch am 11. 9.2001, (im Buch auf Seite 25):
[…] Terror ist die Waffe der Ohnmächtigen […]. Wann lernen wir, die Sprache des Hasses als ein Betteln und Bitten darum zu verstehen, dass man sich auseinandersetzen müsste über die Gründe einer solchen inneren menschlichen Entfernung. Es gibt keinen Hass, schon unter Individuen, der etwas anderes wäre als eine enttäuschte Liebe. Menschen möchten dazugehören, das ist der Sinn dieser ganzen irrsinnigen Aktionen […].

Islam- und "Antisemitismus-Spezialist“ Wolfgang Benz damals über die Twin Tower als „Machtsymbole“ (Im Buch auf Seite 39):
[…] aber es sind Symbole von Stolz und Reichtum und Arroganz. Solche Gebäude aufzurichten, das ist die äußerste Arroganz, und die Verletzlichkeit ist damit mit eingebaut. Und die Attacke gegen diese Gebäude, mit dieser Attacke kann man eigene Ohnmachtsgefühle und eigene Demütigungen auslöschen und in die Ohnmacht und die Demütigung des Gegners verwandeln….Und das evoziert die drastischen und die dramatischen Reaktionen, und das macht es so gefährlich und so verheerend, gerade diese Symbole anzugreifen und zu zerstören.

Peter Sloterdijk, Welterklärungskassandra und Ästhetik-Zumutung einer fehlgeleiteten Woodstock-Generation aus Karlsruhe, im Focus vom 24.09.2001 (Nichts gegen Woodstock - ich weiß als Betroffener, was man aus dieser Zeit lernt)
Haben wir immer noch nicht verstanden, dass die westliche Demokratie jene Lebensform ist, in der man für seinen Feind verantwortlich ist - weil dieser die eigene Praxis widerspiegelt?

Flugblatt der PDS Hamburg
So was kommt von so was.

Leserbrief in Die Woche vom 19.10.2001
Wenn die amerikanische Politik dieses Drama zum Anlass nimmt, ihren Umgang mit anderen Staaten und Kulturen zu überdenken und zu begreifen, dass McDonald’s und Pepsi keine Kulturgüter, sondern schnöder und ungeschminkter Kapitalismus sind; es zum Anlass nimmt, nicht anderen Völkern vorschreiben zu wollen, dass nur der amerikanische Weg der Weg des Glücks ist […], dann war der Tod der Tausenden in New York nicht ganz so sinnlos, wie er sich heute darstellt.

Endzeit-Revoluzzer Klaus Theweleit in der taz vom 19.09.2001
Was dabei gerne übersehen wird, ist, dass ausgerechnet jemand wie Bush die Wahlen nur mit den Stimmen aus dem Bible Belt gewinnen konnte: den Stimmen von fundamentalistischen Amerikanern, von religiösen Fanatikern….Bush wundert sich dann, wenn aus anderen Teilen der Welt diese religiös bewaffneten Antworten zurückkommen.

Leserbrief im Freitag vom 26.10.2001
Selbst ich verspüre Ansätze von Genugtuung, dass auch die USA etwas verunsichert werden in ihrem selbstherrlichen Gefühl von Unverletzbarkeit. Es ist einfach nicht gut, alle Welt mit Hamburgern, MTV und Bomben traktieren und sich auf seinem Kontinent in absoluter Sicherheit wiegen zu können.

Roger Willemsen, Berufsschwätzer und Verbalpornograf in Die Woche vom 9.11.2001
Eine der bitteren Fragen zum Attentat auf das World Trade Center lautet: Hätte die Welt ähnlich getrauert, wenn die Opfer in einem anderen Bauwerk, etwa, wenn sie auf offenem Feld umgekommen wären? Anders gefragt: Teilte sich die Symbolkraft des Ortes, an dem über arm und reich entschieden wird, der Form und Stärke des Trauerns mit?

Wiglaf Droste im Kriegstagebuch der taz am 12.11.2001
So bedauerlich der Tod von 7.000 Menschen in New York ist, gemessen an dem, was sonst noch geschieht auf der Welt, handelt es sich um eine Lappalie.

J. W. Möllemann, Fallschirmjäger a.D., bei Sabine Christiansen am 4.11.2001
Wir müssen die Besetzerpolitik Israels gegenüber Palästina attackieren.

Leserbrief eines um Deutschland überaus Besorgten in der Berliner Zeitung, 15./16.9.2001
Schwer geschockt von den Ereignissen, stelle ich mir nun die Frage: Was passiert, wenn sich verrückte Terroristen entscheiden, ihren Flieger nicht in einen Wolkenkratzer, sondern in ein Kernkraftwerk zu steuern? Obwohl die Verluste an menschlichem Leben erschütternd sind, ist offensichtlich, dass die Angriffe symbolischen Zielen galten. Was passiert aber, wenn uns jemand wirklich hart treffen will?

Wieder Klaus Theweleit im Tagesspiegel vom 20.9.2001
Die Blockhütte liegt in Asche. 6000 Gute sind skalpiert, die Verfolger holen die Gewehre aus dem Regal und satteln ihre Marschflugkörper. Bloß sind keine Indianer greifbar. Greifbar ist das ständig wachsende Loch „ausbleibender Vergeltung“. So muss die stündlich wiederholte Versicherung helfen, die Twin Towers wieder aufzubauen, größer, schöner, sicherer.

Leserbrief in DIE WELT, 19.09.2001
Ein Symbol der westlichen technologisierten Welt stürzt zusammen und begräbt Tausende von Menschen unter sich. Die Welt trägt halbmast. 200.000 Menschen zeigen in Berlin nicht nur ihre Loyalität und Solidarität, sondern auch ihre Mentalität…und in Afrika sterben Kinder. Kinder, die noch nie ein Schulbuch in der Hand hielten, Kinder, für die Internet ein Fremdwort ist; in Frankfurt steigt ein Kinderschänder ins Flugzeug nach Thailand […], Bushs Raketentests geraten in Vergessenheit, die Weltklimakonferenz kühlt ab, und wir trauern. […] Und auf einmal sind wir alle Amerikaner (ich habe noch niemanden sagen hören, dass er Afrikaner sei).

Leserbrief in der Frankfurter Rundschau vom 19.09.2001
War die Vernichtung von Hiroshima und das Nagasaki und das dadurch entstandene Leid notwendig? […] Mit welchem Recht unterstützen wir die, die das palästinensische Volk seit 53 Jahren unterdrücken und vertreiben? Schürt das nicht Verzweiflung und Hass in den muslimischen und arabischen Ländern? Tragen wir mit unserer Wirtschaftspolitik nicht zur Verarmung der Dritten Welt bei?

Leserbrief in DIE WELT, 19.09.2001
Die Opfer nun mögen mir verzeihen, aber beim Anblick der zerstörten Gebäude Pentagon und Twin Towers huscht mir auch ein Lächeln über das Gesicht. Bislang haben die Amerikaner der USA immer nur Zerstörungen außerhalb ihres Landes angerichtet. Jetzt erfahren sie einmal selber, was es heißt, Opfer zu sein.

Leserbrief in der Süddeutsche Zeitung vom 24.9.2001
Wir Mitarbeiter vom Goethe-Institut Freiburg halten das Wort vom “Kreuzzug“ gegen die Terroristen für nicht hilfreich. Wer zur Begründung militärischer Aktionen die Religion…. bemüht, instrumentalisiert sie in unzulässiger Weise für politisch-militärische Aktionen und argumentiert auf der Ebene jener, die terroristische Gewalt mit dem „Heiligen Krieg“ rechtfertigen.

Nochmals Schrott-Germanist Roger Willemsen eine Woche nach 9/11 zu Besuch bei Alfred Biolek (Im Buch auf Seite 50)
[....] Und ich warte auf die Zeit, wo die brennenden Türme zum ersten Mal in einem Pop-Video auftauchen….ich bin nicht ganz sicher, ob das wirklich erschreckende Bilder waren; ich glaube, die Monumentalität oder die Erhabenheit der Katastrophe entspricht der Erhabenheit unserer Schaulust. Was erschreckend wäre, wäre eine algebraische Formel, 500mal am Abend gezeigt.

Leserbrief in DIE WELT, 19.09.2001
[...] Wer hinterfragt schon…., warum ausgerechnet die USA von dem unbändigen Hass aus der Dritten Welt heimgesucht worden sind? Gilt nicht auch hier der abgewandelte Spruch „Wer Armut sät, wird Hass ernten?“

Boris Becker (BumBum) in der STERN-Ausgabe vom 22.11.2001 (im Buch auf Seite 156)
Eigentlich war ich überrascht, dass es so lange gedauert hat, bis eine Katastrophe passiert.

Leserbrief in der Berliner Zeitung, 22./23.9.2001
Sicherlich ist die Anzahl der Opfer in den USA erschreckend hoch, jedoch gab es in den letzten Jahren genug Katastrophen, wie beispielsweise die Wirbelstürme und Überschwemmungen oder den Bürgerkrieg in Somalia. Diese Ereignisse haben das öffentliche Leben oder die Berichterstattung nicht annähernd so stark eingeschränkt wie der Terrorakt, obwohl sie weitaus mehr unschuldige Opfer gefordert haben.

Leserbrief in der Berliner Zeitung, 22./23.9.2001
Der Tod der Menschen im World Trade Center mahnt nicht zur barbarischen Rache. […] Ein Angriffskrieg der USA macht die Welt noch unsicherer; er würde die Toten des World Trade Center noch einmal töten.

Anzeige im Neues Deutschland vom 2.10.2001
Nein zum Mord an Unschuldigen. Offener Brief an Bundeskanzler Schröder

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir….verurteilen den verbrecherischen Terrorakt in den USA aufs schärfste und fordern die Bestrafung der Schuldigen. Bei aller Trauer und verständlichen Wut muss der Artikel 1 der UN-Charta, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“ vor der UNO zur Anwendung kommen. Nicht die NATO, die UNO ist gefordert….Bis zur eindeutigen Klärung der Schuldfrage ist der Bündnisfall nach Artikel 5 des Washingtoner Vertrages für die NATO-Staaten nicht gegeben!....Wir haben den Zweiten Weltkrieg und seine Auswirkungen miterlebt und möchten unseren Kindern und Enkeln dieses Trauma ersparen.

Die Unterzeichner sind ehemalige Offiziere der bewaffneten Organe der DDR.

taz-Kommentar vom 27.9.2001
Die US-Politik hat in der Nachkriegszeit mehr Menschenleben gekostet als alle Terroranschläge der Welt zusammen, zuzüglich jener, die mit US-Unterstützung begangen wurden.

Leserbrief in der Berliner Zeitung, 29./30.9.2001
Die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern schürt Neid und Hass auf den Westen. […] Der “Feind“ darf nicht als das Böse entmenschlicht werden. Solange die Welt immer nur in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse eingeteilt wird, wird es Kriege geben. “Auge um Auge, Zahn um Zahn“, heißt es im Alten Testament. Wie lange wird das gehen? Wie viele Zähne haben wir übrig?

Leserbrief im Tagesspiegel, 14.10.2001
Parallel zu dem legitimen Versuch, den weltweiten Terrorismus zu bekämpfen, müssten die USA, müsste die westliche Allianz einen Beitrag dazu leisten, die legitimen Interessen der Palästinenser zu befriedigen, oder mit anderen Worten: Israel endgültig zu einer friedlichen Lösung des Palästinaproblems zu bewegen, denn die Fackel, die immer wieder das Feuer des von islamischen Fundamentalisten ausgehenden Terrorismus entfacht, liegt zweifelsohne im israelisch-palästinensischen Konflikt.

taz-Kommentar „Osama bin Laden wird zur Ikone - und die USA helfen ihm dabei“ vom 12.10.2001
[...] jetzt spielt al-Kaida das Spiel weiter: gegen die hochgerüsteten Flugzeugträger, Bomber und Spezialeinheiten Großbritanniens und der USA stehen einfach gekleidete Leute, die mit einer Kalaschnikow irgendwo im Gebirge auf dem Boden sitzen, zum Kampf gegen einen übermächtigen Gegner aufrufen und jetzt auch noch klare Kriegsziele formulieren: Befreiung Palästinas, Rückzug der USA aus Saudi-Arabien, Ende der Sanktionen gegen den Irak.

Leserbrief im Neues Deutschland vom 25.10.2001
Es wird das Gedenken an die Tausenden Toten geschändet, wenn ihr Tod für einen Akt von monumentalem Staatsterrorismus missbraucht wird. Müsste ihrem Sterben nicht Sinn gegeben werden durch die Erkenntnis, dass nur eine menschenwürdige Politik […] Frieden auf Erden schaffen kann? Globale Solidarität gegen globale Herrschaftsansprüche.
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Ich könnte noch viel mehr Zitate bringen, aber eine rhetorische Frage zum Schluss sei erlaubt: Wie hätte Obama am 11. September 2001 reagiert?

Quelle:

Henryk M. Broder: Kein Krieg, nirgends: Die Deutschen und der Terror
(Gebundene Ausgabe)
214 Seiten
Verlag: Berlin Verlag (2002)
ISBN-10: 382700442X
ISBN-13: 978-3827004420

P.S.: Meine Rezension zum Buch vom 16. November 2002 hier. Ich war einigermaßen überrascht, dass die Bewertungen überwiegend zustimmend ausfielen.

Mittwoch, September 09, 2009

Charles Manson & Helter Skelter: Keine Hippieveranstaltung

Wissen Sie, welcher Häftling weltweit die meisten E-Mail-Zuschriften erhält? Nicht schwer zu raten, sein Name steht in der Überschrift.

Der nur 1,63 große, äußerst aggressive und mehrfach vorbestrafte Rassist Charles Manson (bei dieser Abbildung bitte nicht erschrecken) und seine nach ihm benannte "Family", die aus eingeschüchterten und drogenabhängigen Teenagern sowie weiteren Kriminellen bestand, stehen wohl für die entscheidende Zäsur in der Hippie-Bewegung und deren jähes Erwachen aus allen Träumen - nach Ansicht einiger Musikhistoriker ist Manson auch ihr Totengräber.

Das 40-jährige Woodstock-Jubiläum wurde in diesem Jahr weltweit - ob zu Recht oder Unrecht - rauf und runter gefeiert, auch am Originalschauplatz in White Lake bei Bethel im Bundesstaat New York. Für meinen Teil würde ich, der damals Jugendlicher war, sagen: Musik okay (auch heute noch), ansonsten endlich abhaken. Wenn manche Oldies wehmütige Reminiszenzen an Hippiezeiten haben, kann ich das zwar nachvollziehen, aber mehr als eine Sehnsuchtsblase, die immer wieder den „Totalen Frieden“ beschwört, ist das auch nicht mehr.

Manche Zeitgenossen wollen Woodstock und die Hippiebewegung generell in irgendeinen Zusammenhang zu den grauenhaften Morden stellen, die im selben Jahr von Mansons „Family“ und ihm an Roman Polanskis Frau Sharon Tate u.a., darunter auch dem Ehepaar LaBianca, begangen worden waren. Und je länger die Ereignisse zurückliegen, desto wilder blühen die Spekulationen. Eine der am häufigsten kolportierte ist die, dass Charles Manson, der sich während der Haft ein Hakenkreuz auf die Stirn tätowiert hatte, zu den Morden besonders vom Beatles-Song Helter Skelter aus dem berühmten White Album inspiriert worden sei (Helter Skelter meint in Deutsch eine spiralförmige Rutsche in englischen Vergnügungsparks wie in der Abbildung oben aus dem 19. Jahrhundert; Manson kannte diese aus dem Britischen kommende Bedeutung nicht. Als Amerikaner übersetzte er mit Holterdiepolter, Chaos).

Und tatsächlich meinte Manson aus diesem Song, den er oft auch rückwärts abspielte, eine Botschaft herauszuhören, die seiner Meinung nur für ihn gedacht gewesen sei (später auch eine beliebte Methode, die man bei Black Sabbath, Judas Priest u.a. anwandte): Die Beatles, für ihn gleichbedeutend mit den 4 Engeln der Apokalypse, hätten den Song geschrieben, um auf unmittelbare Rassenunruhen hinzudeuten, die noch 1969 von der schwarzen Bevölkerung angezettelt werden würden. Am Ende stünde ihr Sieg gegen die Weißen. Aufgrund ihrer „unzulänglichen Rasseeigenschaften“ (hier begegnet uns übrigens auch Rudolf Steiners theosophischer Rassismus, wenn auch aus einer ganz anderen Ecke) wären sie jedoch unfähig, sich selbst zu führen. Deshalb würden sie ihn zu ihrem neuen Anführer wählen und zum Herrscher über die Welt machen. Das Ende käme dann, wenn Jesus und die 4 Engel (Beatles) sie in die Seligkeit entführten, wobei noch zu klären war, wie das vonstatten gehen sollte, wenn Manson sich für Satan und Jesus in einer Person hielt.

Man muss schon enorm obskure Fantasien entwickeln, um zu solch bizarren Schlüssen zu kommen; und ebenso verrückt mussten seine Anhänger sein, die mit ihm auf seine Ranch zogen, eine ehemalige total heruntergekommene Westernkulisse nahe Los Angeles. Gruppensex und LSD boten Manson die Gewähr, dass er seine Leute zusammenhalten konnte.

Manson und seine Verbrechen: Ein Produkt der Hippie-Bewegung?

Hatte der Song Helter Skelter ihn zum Mord getrieben? Dieser Standpunkt wird oft von Menschen vertreten, die das Böse bzw. böses Handeln gerne und oft ausschließlich nach außen verorten - an Satan, seine Einflüsterungen und alle möglichen anderen Versuchungen, nur nicht an die (Un-) Tiefen der eigenen Seele....

Das kann man so einfach nicht stehen lassen. Erstens ist jeder Mensch für seine Taten selbst verantwortlich, so lange er diese bewusst und/oder aus freien Stücken verübt. Zum Zweiten kam Manson mit zig-Strafstaten schweren Kalibers im Gepäck nach Los Angeles; er war also alles andere als unbeleckt, was kriminelle Energie betraf. Drittens gab es in der Hippieszene - von kleinen Gesetzesverstößen abgesehen, kein Verbrechen dieser Art. Altamont mit den Stones und dem Mord der Hells Angels an einem Konzertbesucher passierte Monate später und blieb ein Einzelfall. Die Stones verhielten sich damals aber sehr unverantwortlich.

Festzuhalten bleibt, dass aus der Vermischung zwischen Hippiebewegung und oft erschreckend infantiler Jesuskultur dubiose Gruppen wie die „Kinder Gottes“ (auch Mo-Sekte genannt), hervorgingen, die immer tiefer ins kriminelle Milieu abdrifteten - Flirty Fishing, um nur ein Beispiel zu nennen. Dass aus diesen Kreisen auch einzelne Mitglieder in Kontakt mit Manson und seiner „Family“ kamen und dort kurze oder längere Zeit verweilten, trifft zweifelsfrei zu. Dazu kam, dass der Bandenführer eine überaus starke und negative Anziehungskraft ausübte. So gaben ehemalige Mitglieder der „Family“ an, dass sie sich seiner Ausstrahlung - besonders seinem durchdringendem Blick - kaum entziehen konnten.

Mordmotiv: Verschmähte Eitelkeit

Manson war mit Dennis Wilson von den Beach Boys in Kontakt gekommen und wurde des Öfteren in dessen Haus eingeladen, wo es natürlich zu den obligatorischen Kiff-, LSD- und Sauforgien kam. Wilson hatte Manson ein wenig Hoffnung gemacht, dass er ihm eventuell einen Plattenvertrag vermitteln könne, und er arrangierte ein Treffen mit dem versnobten Sohn Doris Days, dem Musikproduzenten Terry Melcher. (Manson hielt sich für einen großen Songschreiber und Sänger; eine komplette Fehleinschätzung, auch wenn Wilson einen von Mansons langweiligen Songs auf einer Single-B-Seite veröffentlichte).

Melcher ließ jedoch Manson jedoch ziemlich kühl abblitzen. Von nun an reiften Mansons Mordpläne: Er wollte es dem L.A.-Establishment heimzahlen. Ungestraft sollte man ihn nicht brüskieren dürfen. Er schickte Gruppenmitglieder zum Haus Melchers. Sie sollten ihn und seine Familie töten. Der wohnte dort aber nicht mehr – Roman Polanski hatte zwischenzeitlich das Haus erworben. Der Rest ist bekannt.

Montag, September 07, 2009

Abendrot

Eines meiner schönsten Abendroterlebnisse in den letzten Jahren:

Südlich von Königsbrunn (nahe Augsburg). Natürlich mit meinem Bike abgefahren.

Vorher hatte ein etwas fülliger Freizeitsportler mit Claudia-Roth-Shirt vergeblich über ganz Königsbrunn versucht, meinen Schnitt durchzuhalten. Muss ohl ein Grüner gewesen sein...

Zur Info: Königsbrunn ist die kilometermäßig längste Gemeinde Deutschlands. Der Radweg entlang der Bundestraße ist mittlerweile sehr gut ausgebaut - Kompliment.



Ich bin nicht der größte Fotoshooter, aber eines bilde ich mir eitlerweise ein: Für Motive und Stimmungen habe ich ein Gefühl. Da muss man halt' ab und zu vom Fahrrad absteigen....;

Oft denke ich mir, dass ich die eine oder andere Aufnahme nachholen könnte, wenn ich vorbeihusche. Vergisst man aber meistens beim nächsten Mal.

Diese Aufnahme wurde kurz vor 20.00 h (in Bayern) gemacht; also nicht so einfach....; wegen der Belichtungszeit.

Meine (alte) Kamera:
Fuji S-304.

Danke Necla Kelek!

Hört mal Necla Kelek zu. Großartig!

Diesmal war sie bei Frank A. Meyer in der Sendung “Standorte” eingeladen.
Hier der Link (bitte auf den weißen Pfeil nach dem Runterscrollen klicken).

Ab und zu kann es nicht ausbleiben, dass Ruth Humbel (CVP), Präsidentin der SVP Schwyz, Judith Uebersax und Professor Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, von Necla Kelek in dieser Diskussion ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Wir wissen sowieso: Jedes schlechte Wort gegen Ahmadinejad ist in der Schweiz mittlerweile verboten.