Samstag, Oktober 20, 2007

Warum nicht Alaska?


Ahmadinedjads bizarre Vorstellungen hinsichtlich einer „unparteiischen“ Holocaust-Forschung und der Entstehung des Staates Israel sind von ihm selbst nicht nur in diesem Interview, gegeben am 21. Mai 2006, ausführlich „erläutert“ worden.

Die sich für ihn erschließende Logik zur Entstehung des israelisch-arabischen Konflikts geht ihre eigenen verschlungenen Pfade, frei nach dem Motto: Setze in einer mathematischen Kurvendiskussion falsche Variablen und rechne konsequent falsch weiter, dann stimmt zumindest Eines, nämlich dass du ordentlich manipuliert hast.

Der Ingenieur aus Teheran hantiert mit dem Vorwurf der Auschwitzkeule nicht so eloquent wie der Schriftsteller aus Wasserburg am Bodensee. Mit seinem „Ich glaube, dass heute auch das deutsche Volk der Gefangene des Holocaust ist“ trifft er aber gleichermaßen wie der subtil schwafelnde Friedenspreisträger von 1998 und Bediener der „Stolzdeutschen“ den Nerv vieler Zeitgenossen auf der linken und rechten Überholspur.

Noah Pollack greift die kruden Gedanken des iranischen Präsidenten in einem Beitrag für das Commentary Magazine noch einmal auf und lässt zuletzt Chaim Weizmann in dessen unnachahmlicher Art die Pointe setzen. Castollux hat den kurzen Beitrag übersetzt.


Weizmanns Antwort

Noah Pollack

Commentary Magazine, 8. Oktober 2007


Es wirkt ein wenig schmudddelig, ein Argument anzusprechen, das Mahmoud Ahmadinejad wiederholt verwendet hat, um die Legitimität des Staates Israel zu leugnen. Aber in diesem Fall hat der iranische Präsident stellvertretend für eine überraschend hohe Zahl Menschen etwas gesagt - Menschen, die mit dem Tonfall oder der Wortwahl Ahmadinejads wohl nicht übereinstimmen dürften, aber im Grunde genommen mit dem Kern von Ahmadinejads Aussage sympathisieren. Kürzlich nutzte er den 1979 von Ajatollah Khomeini eingeführten Al-Quds [Jerusalem] -Tag, das alljährliche „Hasst Israel“-Fesitival der Muslime in Nahost, um wieder einmal seine Endlösung für das Problem der Existenz Israels anzubieten: Haltet ein Referendum über die „Ansiedelung der Zionisten in Europa oder in großen Ländern wie zum Beispiel Kanada und Alaska“ ab, „damit sie imstande sind, eigenes Land zu besitzen.“

In Ahmadinejads Erzählung - ignorieren Sie seine psychotische Logik, die auch daran festhält, dass der Holocaust niemals stattfand -, wurde der Staat Israel wegen der europäischen Schuld am Holocaust erschaffen; und so ist Israel nicht nur eine illegitime Erscheinung, sondern eine, zu deren Entfernung Europa und der Westen verpflichtet sind. Es finden sich hier selbstredend mehrere Schichten von Absurditäten: Die Tatsache, dass der Zionismus mehr als ein halbes Jahrhundert vor den Holocaust zurückzudatieren ist, die biblische Verheißung Israels für die Juden, der Fakt, dass die Belfour-Deklaration 1917 [mit Zustimmung des Völkerbundes, d. Übers.] verabschiedet wurde, dass Juden seit Tausenden Jahren in Israel leben und ihre Zahl im Wesentlichen durch die [Einwanderungs-] Wellen der Alijot, die im 19. Jahrhundert begannen, angewachsen ist.

Vergiss es.

Ahmadinejad fragt mit offensichtlich geheuchelter Neugier, warum die Juden nicht sonst irgendwo hingehen wollten.

Chaim Weizmann, der berühmte Chemiker, zionistische Staatsmann und Gründungsvater Israels, beantwortete in Großbritannien exakt diese Frage in den Jahren vor der Belfour-Deklaration. Ein Mitglied des House of Lords fragte ihn: „Warum besteht ihr Juden auf Palästina, wenn es so viele unerschlossene Länder gibt, wo ihr euch in geeigneter Weise niederlassen könnt?“

Weizmann entgegnete: „Das ist so, wie wenn ich Sie fragte, warum Sie vergangenen Sonntag 20 Meilen gefahren sind, um ihre Mutter zu besuchen, wo es doch so viele alte Damen gibt, die in Ihrer Straße leben.“


Hat tip:
(HonestReporting) Media BackSpin

Freitag, Oktober 19, 2007

Haarscharf am ganz großen Krieg vorbei

Als ich am 9. September auf meiner Seite einen Beitrag von Dr. Yohai Sela zu Syriens nuklearen Ambitionen einstellte, wusste ich noch nicht, welche zusätzlichen Informationen zum (damals vermeintlichen) Angriff Israels auf ein syrisches Ziel eintreffen würden. Ich dachte, damit wäre es vorerst getan. So wie viele (vorerst) ungenügend Informierte weltweit auch.

Im Vorfeld spielten sich jedoch höchst dramatische und gefährliche Entscheidungen bei den koordinierten Aktionen ab - sei es, um die Bevölkerung zu schützen und vor Panik zu bewahren, wie in einer Demokratie üblich, oder, wie in diesem Fall seitens des diktatorisch geführten Regimes Syriens, die Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Diese Entscheidungen waren substantiell und lebenswichtig für den Nahen Osten - und für uns, ohne dass wir einen Hauch davon bemerkten.

Syrien war im Gange, auf seinem Gebiet schnellstmöglich eine Nukleartechnologie aufzubauen, die im Verbund mit dem Klerikal-Regime im Iran auf dem besten Weg war, Israel mit einem weiteren nuklearen Bedrohungspotenzial zu konfrontieren und in die Zange zu nehmen. Die peripheren Anlagen standen bereit, wie die Satellitenbilder beweisen. Und die Nuklearlieferungen für Syrien trafen am Bestimmungsort ein - was heute noch nicht offiziell bestätigt wird.

Man braucht mittlerweile nicht viel Phantasie, zu verstehen, weshalb israelische Bomber des Typs F-15I mit Geleitschutz aufstiegen, um dem miesen Spuk in Syrien ein Ende zu bereiten. Das Problem ist (vorläufig) gelöst, auch wenn syrische Politiker nach etlichen Dementis ("Kein Angriff hat stattgefunden") versuchten, dies als aggressiven Akt auf ein arabisch finanziertes Agrarforschungszentrum (sic!) herunterzureden und ganze Heerscharen von Journalisten herumkarrten, um zu zeigen, dass dort nichts passiert wäre. Der Industriekomplex im Zielgebiet ist so groß, dass man alle Ausweichmöglichkeiten hat, den versammelten Journalisten den obligatorischen Mittelfinger zu zeigen und die Weltöffentlichkeit am Nasenring zu führen. Tatsache ist jedoch, dass das eigentliche Angriffsziel von der syrischen Regierung weiterhin geheim gehalten wird.

James Forsyth und Douglas Davis haben in einer spannenden Analyse dargestellt, warum dem so ist.

Und Castollux hat den kompletten Beitrag ins Deutsche übersetzt. Lizas Welt hat sich auch damit beschäftigt.

An jenem Tag standen wir dem Dritten Weltkrieg so nahe
James Forsyth/Douglas Davis
The Spectator, 3. Oktober 2007


Ein akribisch geplanter, brillant durchgeführter chirurgischer Schlag israelischer Jets auf eine Atomanlage in Syrien am 6. September dürfte die Welt aus einer schrecklichen Gefahr gerettet haben. Das einzige Problem ist, dass niemand außerhalb einer wortkargen Gruppe hoher israelischer und amerikanischer Offizieller weiß, was diese Gefahr genau beinhaltete. Noch bemerkenswerter ist es, dass sowohl Israel als auch Syrien, weit von einer kriegerischen Auseinandersetzung entfernt, entschlossen zu sein scheinen, kein Wort über die Affäre zu verlieren. Einen Monat nach dem Vorfall führt das Ausbleiben harter Fakten unaufhaltsam zu dem Schluss, dass die Implikationen des Vorfalls enorm gewesen sein müssen. Dies wurde dem Spectator durch eine hochrangige britische Ministerialquelle bestätigt: „Wenn die Leute gewusst hätten, wie nahe wir an einem dritten Weltkrieg waren, hätte es eine Massenpanik gegeben. Vergessen Sie Flutkatastrophen oder die Maul- und Klauenseuche – Gordon [Brown] hätte sich mit dem blutigen Buch der Offenbarung und des Armageddon befassen müssen.“

Amerikanischen Quellen zufolge war der israelische Geheimdienst hinter einem nordkoreanischen Frachtschiff her, das eine Ladung nuklearen Materials, als „Zement“ deklariert, durch die halbe Welt transportierte. Am 3. September legte das Schiff im syrischen Hafen Tartous an. Die Israelis folgten der Fracht die ganze Zeit über, bis sie an ihrem Bestimmungsort ankam – in der Kleinstadt Dayr as Zawr, nahe der türkischen Grenze im nordöstlichem Syrien gelegen. Das Reiseziel stellte dabei keine große Überraschung dar: Es war schon vorher Gegenstand intensiver Überwachung durch den israelischen Spionagesatelliten Ofek gewesen, und innerhalb weniger Stunden drang nun eine Truppe mit israelischen Elitekommandos heimlich nach Syrien ein und zu der Stadt vor. Sie sammelte Bodenproben und anderes Material und kehrte damit nach Israel zurück. Mit Sicherheit bewies das Entnommene, dass die Fracht aus Atommaterial bestand.

Operation Obstgarten
Drei Tage, nachdem die nordkoreanische Fracht in Syrien angekommen war, wurde die Endphase der Operation Orchard (Operation Obstgarten) gestartet. Nach vorheriger Absprache mit Washington wurden israelische F-15I-Jets gestartet, und Minuten später waren die Anlage und ihr frisch angekommenes Material zerstört. Die Details der Operation waren so geheim, dass selbst die Piloten, die den Jets Begleitschutz geben sollten, erst davon unterrichtet wurden, als sie sich in der Luft befanden. Sie wurden jedoch nicht gebraucht: Die eingebaute Tarnkappentechnologie und die elektronischen Kampfleitsysteme waren ausgeklügelt genug, die aus russischer Produktion stammenden syrischen Flugabwehrsysteme ins Leere laufen zu lassen.

Was befand sich in der Lieferung, die die Israelis dazu veranlasste, einen Angriff auszuführen, der sich leicht zu einem umfassenden Krieg in der Region hätte ausweiten können? Chemische oder biologische Waffen konnten es nicht gewesen sein; von Syrien weiß man, dass es davon Vorräte im Überfluss besitzt – die größten in der Region. Es konnten auch keine Raketensysteme sein; Syrien hatte schon vorher eine große Anzahl von Nordkorea erhalten. Die einzig mögliche Erklärung ist, dass es sich bei der Lieferung um Nuklearmaterial handelte. Das Ausmaß der potenziellen Bedrohung – und die Geheimdienstaktivitäten, mit denen dem Waffentransfer nachgespürt wurde – erklärt dabei den dichten Nebel der offiziellen Geheimhaltung. Es gab keine offiziellen Anweisungen und keine Andeutungen von irgendeinem der Dutzenden Beteiligten, die an Vorbereitung, Analyse, Entscheidungsfindung und Ausführung der Operation mitgewirkt haben müssen. Selbst wenn die Israelis nun entschieden „Kein Kommentar“ sagen, ist das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Geheimhaltung selbst ist bedeutsam.

Israel ist ein kleines Land. In gewisser Hinsicht ähnelt es einer erweiterten, wenngleich chaotischen Familie. Die Dinge sprechen sich schnell herum. Die Israelis sind schon so lange in eine Ecke gedrängt, dass sie abhängig von Nachrichten geworden sind. Israels Medien sind viel zu robust, und seine Politiker halten nicht dicht genug, um Geheimnisse auch lange Zeit Geheimnisse bleiben zu lassen. Selbst angesichts einer zunehmend veralteten Militärzensur haben israelische Journalisten Wege gefunden, Informationen zu publizieren und, falls nötig, dazu verdammt zu sein.

Beispiellose Geheimhaltung
Die einzig denkbare Erklärung für das beispiellose Schweigen ist, dass der Vorfall so riesig war und die Folgen für die israelische Sicherheit so bedeutend, dass niemand es wagte, die Regel der omertà zu brechen. Auch die arabische Welt ist auffallend ruhig geblieben, was einiges besagt. Und selbst amerikanische Offizielle schwiegen, obwohl es nicht unerwartet gekommen wäre, wenn sie den Vorfall als Beweis für die Richtigkeit ihrer Warnungen vor den Gefahren, die von Schurkenstaaten und Massenvernichtungswaffen ausgehen, veröffentlicht hätten. Doch das Gegenteil trat ein. George W. Bush mauerte bei beharrlichen Fragen auf einer Pressekonferenz mit dem monotonen Statement: „Ich kommentiere diese Materie nicht.“ Mittlerweile haben die Amerikaner ihre Verhandlungen mit Nordkorea weitergeführt, als wäre nichts geschehen.

Als die syrische Erwiderung schließlich kam, war sie zwar mitteilsamer, aber nicht hilfreicher. Zuerst schaffte es Syriens UN-Botschafter Bashar Ja’afari aus den Startblöcken, der freudig verkündete, dass in Syrien nichts bombardiert und nichts beschädigt worden sei. Eine Woche später bestätigte der syrische Vizepräsident Farouk al-Shara, dass doch ein Angriff stattgefunden habe – auf das arabische Studienzentrum zur Erforschung von Dürregebieten und Trockenland (ACSAD). Ein Foto der von der Arabischen Liga betriebenen Anlage schwenkend, erklärte er triumphierend: „Hier ist das Bild, wie Sie sehen können, und es beweist, dass alles, was über diesen Angriff gesagt wurde, falsch war.“

Nun, vielleicht nicht alles. Am Tag darauf ließ ACSAD dementieren, dass sein Zentrum ins Visier genommen worden war: „Was da aus den zionistischen Medien, diese ACSAD-Einrichtung betreffend, leckte, sind allesamt Erfindungen und Lügen“, donnerte es, gefolgt von der Mitteilung, dass für die Medien eine Besichtigungstour durch das Gebäude organisiert worden sei. Einige Tage danach lieferte Syriens Präsident Bashar al-Assad seine ersten Betrachtungen zum Angriff. Dessen Ziel, so erzählte er der BBC gegenüber fälschlich, sei ein ungenutztes Militärgebäude gewesen. Und er ließ einen Schwur folgen, dass er sich rächen werde, „vielleicht politisch, vielleicht mit anderen Mitteln“.

Mittlerweile fand die Washington Post heraus, dass die USA während der vergangenen sechs Monate stetig anwachsendes Beweismaterial gesammelt hatten – besonders in dem Monat, in dem der Angriff erfolgte –, und dass Nordkorea bei der Entwicklung einer Nuklearanlage mit Syrien zusammenarbeitete. Die Beweise, so die Zeitung, beinhalteten „dramatische Satellitenaufnahmen, die einige US-Offizielle zu der Annahme führten, dass die Anlage dafür verwendet werden kann, Material für Atomwaffen herzustellen“. Selbst innerhalb der amerikanischen Geheimdienste wurde der Zugang zu diesen Bildern auf eine Handvoll Leute beschränkt, die dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Stephen Hadley, unterstellt wurden.

Die „am wenigsten unwahrscheinlichen“ Möglichkeiten
Warum zögern alle Seiten, die Details dieses außergewöhnlichen Vorfalls bekannt zu geben? „Im Nahen Osten“, so Bret Stephens, leitender Redakteur beim Wall Street Journal und aufmerksamer Beobachter der Region, „geschieht das nur, wenn Vernunftinteressen und das Verlangen nach Schamgefühl zusammenfallen“. Er deutete an, dass eine teilweise Neuauflage des israelischen Luftangriffs, der 1981 auf den irakischen Atomreaktor Osirak geflogen wurde, die „am wenigsten unwahrscheinliche“ Erklärung sei. Eine andere der „am wenigsten unwahrscheinlichen“ Möglichkeiten ist die, dass Syrien plante, seine Terrorkunden mit „schmutzigen“ Bomben zu versorgen, die dann überall in der Welt die Hauptstädte bedrohen würden. Terrorismus ist in Syrien eine Wachstumsindustrie, und es ist nur natürlich, dass das syrische Regime, ermuntert durch seinen iranischen Verbündeten, danach trachtet, Marktführer zu bleiben, indem es die Hizbollah, die Hamas und eine Unmenge palästinensischer Splittergruppen, die in Damaskus Unterschlupf gefunden haben, mit der ultimativen Waffe beliefert.

Die Syrer haben gute Gründe, den Einsatz jetzt zu erhöhen: Bashar al-Assads Alewiten-Regime wird in den kommenden Monaten mit einer Menge unangenehmer Fragen konfrontiert werden – besonders zu seiner mutmaßlichen Rolle bei der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri und zu seiner aktiven Unterstützung des Aufstands im Irak. Beide Themen könnten das Überleben des Regimes gefährden. Wie groß ist demnach die Versuchung, eine Gegenbedrohung zu schaffen, die Washington und andere zur Mäßigung veranlassen könnte – und die Syrien vielleicht sogar eine begrenzte Rückkehr in den Libanon ermöglicht?

Aber das erklärt nicht, warum die Lieferung offensichtlich zu groß war, um mit dem Flugzeug verschickt werden zu können. Wenn man genauer hinschaut, findet man eine Reihe anderer sehr plausibler Erklärungen. Die Nordkoreaner – intensivem internationalen Druck ausgesetzt – könnten sich dafür entschieden haben, einen erheblichen Vorrat ihres Atommaterials in Syrien zu „parken“, in der Erwartung, ihn zurückzubekommen, wenn sich die Lage entspannt hat. Sie könnten auch einen Teil ihres nuklearen Entwicklungsprogramms ausgelagert und die Syrer dafür bezahlt haben, das Uran anzureichern, während ein internationales Expertenteam damit fortfuhr, Nordkoreas Nuklearanlagen zu inspizieren und unbrauchbar zu machen. Die Schiffsladung könnte sogar – und auch dies gehört zu den am „am wenigsten unwahrscheinlichen“ Erklärungsversuchen – dafür gedacht gewesen sein, Syriens eigenes Atomwaffenprogramm zu unterstützen, das seit Mitte der 1980er Jahre auf dem Zettel steht.

Die Konsequenzen
Abgesehen von der Abwendung der Bedrohung, die sich in Dayr as Zawr entwickelte, ist die strategische Position Israels durch den Angriff gestärkt worden. Erstens hat das Land – wie Generalleutnant Amos Yadlin, Chef des militärischen Geheimdienstes Israels, anführte – „seine Abschreckungskraft wiederhergestellt“, die aufgrund seiner ungeschickten Kriegsführung letztes Jahr im Libanon beschädigt wurde. Zweitens wurde Damaskus daran erinnert, dass Israel weiß, was es zu tun hat, und dass es jederzeit in der Lage ist, auf syrischem Territorium zuzuschlagen. Gleichermaßen ist der Iran davon in Kenntnis gesetzt worden, dass Israel keine nukleare Bedrohung akzeptieren wird. Washington wiederum wurde in Erinnerung gerufen, dass der israelische Geheimdienst in der Region oft eine bessere Führungskraft ist als der eigene – ein entscheidender Punkt angesichts unterschiedlicher Einschätzungen der amerikanischen und israelischen Geheimdienste, was die Entwicklung der iranischen Bombe betrifft. Der iranisch-syrischen Stellvertretertruppe Hizbollah wurde zudem verdeutlicht, dass ihr Luftverteidigungssystem – mit dem sie prahlte, es werde das strategische Gleichgewicht in der Region verändern – angesichts der israelischen Technologie versagt.

Unterdessen teilte ein hochrangiger israelischer Analyst mit, dass der beunruhigendste Aspekt der Angelegenheit, aus einer globalen Perspektive betrachtet, in der Bereitschaft von Staaten besteht, ihre Technologien und Massenvernichtungswaffen zu teilen. „Ich glaube nicht, dass die ehemalige Sowjetunion ihre Technologie für Massenvernichtungswaffen mit jemandem geteilt hat“, sagte er. „Und sie waren vorsichtig genug, die Zahl der Scud-Raketen, die sie verkaufen wollten, zu begrenzen. Seit dem Ende des Kalten Krieges wissen wir jedoch, dass die Russen diese Grenzen signifikant überschritten haben, als sie Raketentechnologie an den Iran verkauften.“

Weit geöffnet wurden die Schleusentore jedoch vom abtrünnigen pakistanischen Atomwissenschaftler Abdul Kadir Khan, der in Pakistan als Vater der islamischen Bombe verehrt wird. Khan eröffnete faktisch einen Supermarkt der Nukleartechnologie samt ihrer Bauteile und Pläne, der länger als ein Jahrzehnt auf der Weltbühne operierte. Nachdem sein Werk 2004 ausgeschaltet wurde, gestand Khan, dass er Technologie und Material an den Iran, Libyen und Nordkorea geliefert hatte. Proliferationsfachleute sind überzeugt, dass sie die Identitäten von mindestens drei seiner zahlreichen anderen Kunden kennen: Ägypten, Saudi-Arabien und Syrien. Neben atomarem Knowhow soll das Khan-Netzwerk auch Zentrifugen für die Urananreicherung an letzteres verkauft haben. 2003 nahmen die Befürchtungen bezüglich Syriens Atomprogramm zu, als eine zu Versuchszwecken aufgebaute elektronische Abhöranlage der Amerikaner unverwechselbare Signale erfasste, die anzeigten, dass die Syrer die Zentrifugen nicht nur erhalten hatten, sondern sie auch tatsächlich betrieben.

Wenn Israels Militärschlag auf Dayr als Zawr letzten Monat chirurgisch war, dann auch die Handhabung der Nachwirkungen. Die einzige Gewissheit im Nebel der Verschleierung besteht darin, dass am 6. September etwas Großes geschah – etwas sehr Großes. Zumindest veranschaulicht es, dass Massenvernichtungswaffen in den Händen von Schurkenstaaten die größte Bedrohung für den Weltfrieden darstellen. Wir mögen aus diesem Vorfall ohne Krieg herausgekommen sein, aber wenn dem Iran erlaubt wird, weiterhin den nuklearen Weg zu beschreiten, ist es schwer vorstellbar, dass wir wieder so glimpflich davonkommen.

Hat tip: Lizas Welt, Heplev

Sonntag, Oktober 14, 2007

Eingemauert in hässlichen Prinzipien


Als sich 1979 die "Ruhmreiche Sowjetarmee" anschickte, mit über 100.000 Soldaten ihren Vasallenstaat Afghanistan zu überfallen, hatte sie wie schon 1953 (Arbeiteraufstand 17. Juni in der DDR), 1956 (Ungarn-Aufstand) und 1968 (Niederschlagung des Prager Frühlings) stets einen Adlatus zur Seite, den man mit Recht als "stalinistischer als die Sowjetunion" bezeichnete: Die SED in der – heute leider noch nicht ganz entsorgten – DDR.

Die Nachfolgeorganisation dieser Partei – sie nennt sich heute Die Linke (wie viele Umbenennung folgen noch?), hat letzten Freitag im Bundestag geschlossen gegen ein deutsches Afghanistan-Mandat gestimmt. Nun konnte dies der deutlichen Bundestagsmehrheit für eine Verlängerung dieses Mandats nichts anhaben, aber das Stimmverhalten der Linksaußen-Partei und insbesondere die darin immanente Geisteshaltung sprechen Bände.

Es ist sozialistische Tradition, eigene Verbrechen mit dem fehl geschlagenen Experiment einer angeblich großen humanistischen Idee zu entschuldigen. Ein typisches Wesensmerkmal aller totalitären Ismen. Trauiges Beispiel hierfür ist neben anderen die sowjetische Invasion und Besatzung 1979-1989, die etwa 1,2 Millionen Afghanen und ca. 15.000 Russen das Leben kostete.

Für die Partei Die Linke scheint dieser Krieg nicht stattgefunden zu haben. Und wenn, dann ja doch nur, weil man wie in allen Fällen vorher, von sozialistischen Freunden um Hilfe gebeten worden war. Dass nach dem Abzug der Sowjets 1989 - wie in Tschetschenien heute – alles für Jahrzehnte zermalmt worden war, was soll’s?

Bezeichnend für die Einmauerung in ihre hässlichen Prinzipien des billigen Taktierens ist seit geraumer Zeit der Versuch der Linken, ein Nation-Building-Programm für Afghanistan, das nun rein gar nichts mit einer Invasion zu tun hat, wahltaktisch in einen Terrorkrieg (Lafontaine) umzudeklarieren.

Die stets wiederholte Mär von westlichen Besatzern in Afghanistan hilft leider auch nicht weiter, wie Stefan Wirner in der WELT treffend beobachtet hat: "Christine Buchholz, Mitglied im Parteivorstand und Trotzkistin, erklärte letzte Woche: 'Die tragischen Anschläge auf Angehörige der Bundeswehr zeigen, dass auch die Bundeswehr inzwischen als Besatzer angesehen wird.' " Da hilft auch Hopfen und Malz nicht weiter, wenn man der werten Dame erklärt, dass es sich hier um ein UN-Mandat handelt und selbst Enduring Freedom, was ihr Parteifreund Lafontaine beharrlich verschweigt (warum wohl?), durch die UN-Resolution 1638 abgedeckt ist

Die scheinheilige Larmoyanz und gespielte Friedenssehnsucht bei den Linksaußen hat Tradition: Sie manifestierte sich schon in den 1920-Jahren des letzten Jahrhunderts, als Lenin seine Konsomolzen vom Land wegrekrutierte und ihnen beibrachte, dass Frieden in erster Linie bedeutet, zu lernen, wie man ein Maschinengewehr bedient und einen Tank fährt. Dem "Segen" dieser über Stalin- und Breschnew-Zeiten hinweg perfektionierten Schulung in bester totalitärer Gesinnung konnten sich die sozialistischen Satellitenstaaten nicht verschließen – selbst im fernen Angola, Kuba und Ägypten nicht.

Merke: Die Sprache war nicht immer russisch (oder totalitär), aber der Stechschritt war und ist heute noch in allen totalitären Systemen der gleiche - im Kopf und den Stiefeln. Oder noch perfektionierter, wie viele Menschen jenseits der Elbe zeigten, die es heute noch gewohnt sind, lieber auf den Staat zu bauen, als nach 1989 zu begreifen, dass sie in der Freiheit und ergo in der Verantwortung auch für sich selbst angekommen waren. "Wir sind das Volk", hieß es zuerst allenthalben; und dann "Wir wollen die D-Mark". Wie schnell sich doch niedere Instinkte gegenüber höheren Idealen durchsetzten. Eine chemische Reaktion des Darmes darauf!

Dass in der DäDäRRR oftmals die deutschen 150-prozentigen Konvertiten (von Hitler zu Stalin, hätte umgekehrt auch funktioniert) nicht zurückstehen wollten, versteht sich von selbst. Wer erinnert sich nicht an die süßen Bilder, als der putzige DDR-Nachwuchs in Waffenkunde ausgebildet wurde und mit "Spielzeugpanzern" herumfuhr. Für den zu erringenden Frieden natürlich.

So wurde Wehrerziehung in der jungen DDR schnell zum wesentlichen Bestandteil einer eliminatorisch-totalitär sozialistischen Grundhaltung, die den Kindern von klein auf eingebläut wurde. Und in einem Positionspapier der FDJ (Freie deutsche Jugend) von 1969 hieß es folgerichtig, dass die Schuljugend "mit glühendem Hass gegen die imperialistischen Feinde unseres Volkes und der Menschheit" zu erfüllen sei. Die Erziehung des Schülers zum Hass auf den imperialistischen Klassenfeind wurde von der SED zur wichtigsten (!) Aufgabe des Lehrers erhoben. 1) Dass dieses Klima später die besten Unterschlupfmöglichkeiten für viele RAF-Kombattanten bot und sich mehr und mehr mit dem eliminatorischen und antisemitischen Anliegen der PLO , Hamas und Konsorten etc. verband, war nur die logische Folge; siehe Entebbe 1976, als deutsche und palästinensische Terroristen gemeinsam eine Maschine der Air France entführten und jüdische Passagiere selektierten.

Um möglichst schnell auch allen Eltern klarzumachen, wie wichtig es wäre, dass ihre Kinder zum Frieden gedrillt werden müssten wie Bullterrier, verschickte man in der friedliebenden DDR entsprechende Richtlinien an alle Haushalte mit Kindern, wie in diesem Beispiel aus dem Jahr 1970: "Lassen Sie etwa zu, dass die Feinde des Guten, die Vertreter des Krieges mit Hilfe der westlichen Fernseh- und Rundfunkstationen durch Lüge und Hetze versuchen, auf Sie und auf ihr Kind Einfluss zu gewinnen? Sie dürfen nicht zulassen, daß ihr Kind diesem Gift ausgesetzt wird. Sie bringen es in große Konflikte, schaden damit dem Kind und seiner Entwicklung."

Da Begriffe wie “Frieden“ ohne den viel existenzielleren Begriff "Freiheit" in einem heruntergewirtschafteten Sozialismus auf die Dauer nicht gehalten werden konnten und Menschen auch in totalitären Staaten über Sinnesorgane verfügen, musste die tagtäglich über westliche Fernsehsender empfangene Wahrheit entsprechend "erklärt" werden: "In den Zeitungen […des Westens], im Rundfunk und über das Fernsehen werden täglich Faschismus und Militarismus, Mord und Verbrechen verherrlicht oder verharmlost. Der Imperialismus braucht die Verrohung und die Verdummung der Menschen, damit sie seine räuberischen und verbrecherischen Ziele unterstützen. [...] und es werden ständig grundlegende Rechte und Freiheiten des Menschen verletzt, um die kapitalistische Klassenherrschaft zu erhalten." 3)

“Frieden“ ist und bleibt das Zauberwort aller totalitären Systeme, aber auch aller Radikalpazifisten, ideologisierter Pastoren, linker Spinner und vor allen Dingen derer, die im Herzen stets das Gegenteil im Schilde führen. Nicht zuletzt deshalb ist es für Die Linke so leicht, mit diesem Versprechen auf Stimmenfang zu gehen. Wer wünscht sich denn keinen Frieden, wenn er nicht komplett verrückt ist? Das verführerische Hantieren mit der Sehnsucht der meisten Menschen nach echtem Frieden verschafft der Linken immer wieder die Sympathien, die sie in Wirklichkeit eigentlich schon verspielt hat, sobald sie das Wort ausgesprochen hat. Sie bedient sich heute des gleichen unverbindlichen Symbolismus wie die Friedensbewegung der 1980er-Jahre 4), die allen Ernstes glaubte, dem Westen unterstellen zu müssen, was beim Ostblock für sie ausgeschlossenen war, nämlich mangelnden Friedenswillen.

Der Satz des verstorbenen ehemaligen Präsidenten des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, "Hinter dem Ruf nach Frieden verbergen sich die Mörder" hätte treffender wohl kaum formuliert werden können. All jenen, die dieses Wort inflationär verwenden, ohne das Wort Freiheit voran (!) zu stellen, sollte man sehr kritisch begegnen.

1) Schirrmeister, Karl-Günter: Erziehung zum Hass. Geistige Militarisierung in der DDR. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1987, S. 274.

2) Unser Kind kommt zur Schule. Ein Brief an alle Eltern der Schulanfänger 1970, Berlin Ost, o.J. [1970]

3) Schirrmeister; wie 1)

4) Ich glaubte damals auch, dass die Stationierung der Pershing II (NATO-Doppelbeschluss) ein Fehler war, ließ mich dann aber später doch vom Gegenteil überzeugen. Gorbatschow musste seine SS-20 abziehen, weil die UDSSR bei einem weiteren Wettrüsten bankrott gewesen wäre.