"Nur an der Wirklichkeit teilnehmend haben wir teil am Guten."
Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) hat am 24. Oktober wieder einmal (ja, leider; ich kann nichts dafür) eine Friedensdenkschrift unter dem Motto
„Aus Gottes Frieden leben, für gerechten Frieden sorgen“herausgegeben. Sie hätte sich diese Arbeit, in die sie immerhin drei Jahre investierte, eigentlich sparen können, denn das, was formuliert wurde, ähnelt eher den außenpolitischen Ansichten Lafontaines und seiner Partei Die Linke und ist alles andere als neu:
„Wir können aber niemals Terror durch Terror [Heraushebung durch Castollux] bekämpfen, also sollten wir dies jetzt einstellen und zwar unverzüglich“.
So überraschte es [mich] auch nicht sonderlich, dass ausgerechnet Bodo Ramelow, Religionsbeauftragter (sic!) der linken Bundestagsfraktion, eilfertig gratulierte, wenn auch mit erhobenem Zeigefinger:
„Die Forderung nach einem friedens- und sicherheitspolitischen Gesamtkonzept im Sinne einer Stärkung des Völkerrechts müsste konsequenterweise ergänzt werden durch die Aufforderung zur sofortigen Beendigung aller Teilnahmen an völkerrechtswidrigen Kriegen“,
womit er selbstredend den Abzug der Bundeswehr aus allen Krisengebieten meinte.
Überwiegend positives Echo kam auch aus anderen Ecken - Überraschung, Überraschung - der Islamischen Zeitung, und selbstverständlich von Kerstin Griese aus der SPD- Bundestagsfraktion, die dem Papier, an dem sie selbstredend mitarbeitete, attestiert, es weise zu Recht darauf hin, dass
„terroristische Bedrohungen nicht die überkommene Idee eines ''gerechten Krieges"gutheißen dürften - und weiter, so das Mitglied der EKD-Synode:
"es geht um einen gerechten Frieden“.
Dilemma
Eben weil sie – wie in dieser neuen Denkschrift wieder einmal – mehr oder weniger deutlich die Anwendung der Bergpredigt in der internationalen Politik einfordert, macht sie gerade erst Politik. Sie betreibt die Sache der Radikalpazifisten und Globalisierungsgegner.
Die Denkschrift von 1981 bejahte noch eindeutig die
„Notwendigkeit militärischer Mittel zur Abstützung des Friedens“und orientierte sich dabei an jener Form des Einsatzes von außen- und innenpolitischer Gewaltausübung, die ihre Legitimation nicht nur - aber doch auch sehr nachdrücklich - mit der Einführung der Bergpredigt ab Matthäus 5,17, ff. begründen kann:
"Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. […] Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.An dieser Stelle widerspricht Jesus eindeutig einer Gesinnungsethik, die die Gefahren dieser Welt verkennt und die Verantwortung an andere abgibt, indem sie sich allein auf falsch verstandene (Feindes-) Liebe und Passivität dem Gewalttäter gegenüber verlässt.
Jesus betont die Verantwortungsethik (siehe auch Max Weber).
Besonders modisch kommt die Geisteshaltung der [christlich] radikalen Pazifisten seit den 1980er-Jahren mit der Phrase des „sozialen Widerstandes“ daher. Sie erfährt heute eine beängstigent naiv daherkommende Renaissance, bsonders in der Auseinandersetzung mit der faschistoiden Ideologie des Islam, und wird von nahezu allen Gesellschaftsschichten getragen und befeuert - in besonders auffälliger Weise ausgerechnet von der Mauerschützen-Fraktion Die Linke [mittlerweile auch von beinahe allen Parteien außer der CSU].
Zufall?
Diese Leute werden ihre Gründe haben, insbesondere was ihren Schnusekurs mit dem Islam betrifft (Demografischer Wandel und daraus resultierendes Wahlverhalten etc; Ziel- und Wählergruppenorientierung).
Nun hat die EKD auch in ihrer neuen Denk(mal-) Schrift den Einsatz von Gewalt nicht völlig ausgeschlossen und akzeptiert - man lese und staune - den Gewalteinsatz gegen Terrorregime und bei (nachgewiesenem!) Genozid. Doch den ultimativen Wermutstropfen gießt sie gleich im toskanischen Rotwein hinterher:
„Nur, wenn es durch einen völkerrechtlich wasserdichten Auftrag abgesichert ist“.
Ich frage mich oft, in welcher Wirklichkeit diese Kirche lebt:
Geht sie tatsächlich davon aus, dass man in allen Fällen das Einverständnis der UNO einholen müsse, wenn irgendwo auf der Welt Menschen massakriert werden - wenn Einsatz und Hilfe sofort und dringend geboten sind –; nicht erst nach langem Palaver in einem Gremium, das zu einem Drittel aus Vertretern von Diktaturen und zu einem weiteren Drittel aus Vertretern von korrupten Staaten besteht? Warum inszeniert die EKD Politik? Warum verfasst sie Denkschriften (oder Quasi-Handlungsanleitungen) zu politischen Entscheidungen? Ist das tatsächlich ihre Aufgabe?
Unbestritten hat die Kirche das Recht und auch die Pflicht, zu allen gesellschaftlichen Fragen eine Position zu beziehen, wenn dies Menschen in ihren existentiellen sozialen Fragen betrifft. Warum jedoch läuft sie immer wieder dem herrschenden Zeitgeist hinterher? Hat sie das nötig? Ich denke nein. Aber das ist nur meine unmaßgebliche Privatmeinung.
Innerkirchlicher Widerspruch
So ganz privat äußert sich der niedersächsische Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU) zum Papier der EKD imitten einer wabernden Gleichschaltungsmaschinerie (Oh Gott: "Autobahn-Alarm"!) der Politischen Korrektheit übrigens nicht; und dies durchaus zutreffend, wenn er
„erhebliche Bedenken zu einem Aspekt der neuen Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“äußert.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig, denn wenn die EKD die Position vertritt, dass militärisches Eingreifen nur als äußerstes Mittel mit einem klaren völkerrechtlichen Auftrag denkbar sei,
„dann hätten wir im Kosovo nicht eingreifen dürfen“. Und es "wären Tausende von Menschen tot, die heute meine Freunde sind".
Wir dürfen nicht vergessen (!), dass der Kampfeinsatz der Bundeswehr im Kosovo im Verbund mit der NATO und den USA (Letztere mussten mal wieder als Erste ran, um danach auch als Erste beschimpft zu werden) auch ohne völkerrechtliches Mandat einem bereits begonnenen Genozid Einhalt geboten hatte. Ohne den Eingriff der NATO hätte der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic seine Ausrottungspolitik fortsetzen können. In einem Brief an den Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Huber, formuliert Gansäuer seine Einwände auch klar und deutlich, wenn er u.a. darauf hinweist, dass es
„Situationen geben kann, in denen ein völkerrechtlicher Auftrag nicht zustande kommt, aber unser Gewissen und unsere ethische Überzeugung einen solchen Eingriff gebieten".
Recht hat er!
"Gerechter Krieg" und "Gerechter Friede"
Im ersten Abschnitt oben zitierte ich Frau Kerstin Griese, die darüber schwadronierte, dass die Idee eines „gerechten Krieges“ überkommen sei und es alleine um den „gerechten Frieden“ gehe.
Was veranlasst diese Frau eigentlich immer wieder, von „Krieg“ zu sprechen, wenn begrenzter und „gerechtfertigter Gewalteinsatz“ geboten ist, um Menschen beizustehen und sie aus den Klauen mörderischer Despoten zu befreien? Warum setzt sie Gewalteinsatz mit Krieg gleich?
Scheut sie sich, das Wort Gewalt auszusprechen, wenn aus humanitären Gründen gerechtfertigt?
Will sie einen Brunnen graben lassen, um am Tag darauf nach einem "Waffenstillstand" diejenigen, die diesen Brunnen gegraben haben und friedlich daraus trinken, von Terroristen und Feinden der Freiheit erschlagen zu lassen?
Ginge es nach Frau Griese, hätte sie wohl vorher bei den Mördern eine Ausweiskontrolle veranlasst. Vielleicht reicht sie beim EKD-Korps auch den Vorschlag ein, Parfümtücher auf die iranischen Atomanlagen herunterwehen lassen, um das Mullah-Regime vom Einsatz der Atombombe abzuhalten und damit Israels Sicherheit zu garantieren. Eine Menge offener Fragen, so viel steht fest.
Vielleicht hat Frau Griese im Geschichtsunterricht aber auch von ihren nazistisch sozialisierten Geschichtslehrern gelernt, dass die Welt 1945 auch dann befreit worden wäre, wenn zwischen 1939 und 1945 nur Platzpatronen verschossen und nicht Millionen junge GI's und ihre alliierten Freunde ihr Leben für die Freiheit der Welt geopfert hätten - damit ihre eigene Zukunft und die ihrer Familien.
Mich würde brennend interessieren, wie die EKD mit Frau Griese im Schlepptau einen „gerechten Frieden“ schaffen will, wenn die Sicherheiten dafür nicht geschaffen sind/werden. Entspricht es letzten Endes nicht der Wahrheit, wenn Jürgen Gansäuer resümiert, dass die Kirche die Realität im Blick behalten muss?
"Sie muss sich daran gewöhnen, dass wir es rund um die Welt auch mit Menschen zu tun haben, die die begrüßenswerte ethische Basis unserer Kirche nicht haben."
Das 128 Seiten starke "Friedenspapier" der EKD darf dann getrost vernachlässigt werden. Schade nur um die Bäume, die ihr Holz dafür ließen.