Wie in Marokko an Weihnachten Schwarzafrikaner abgefertigt werden
In den Hirnen manch selbst ernannter Islamkritiker und verkappter Ausländerfeinde mag zurzeit der fiebrig-schwüle Fremdenhass fröhliche Urständ feiern und gut zum selbstgerecht-vergessenen Verzehr der Weihnachtsgans und der üblichen Völlerei passen. Jedem das Seine. In meine Überlegungen zur Weihnachtszeit passt das definitiv nicht.
Wenn in den wirren Phantasien mancher rechtslastiger „Retter des Abendlandes“ wider besseren Willen von der apokalyptischen Vision einer Sturmflut islamistischer Heerscharen in zweistelliger Millionenzahl die Rede ist, statt sich mit dem politischen Islam ernsthaft und seriös auseinanderzusetzen, dann kann ich nur fünf Fakten attestieren: Blanke Unkenntnis, billige Scharfmacherei auf Kosten der wirklich Bedürftigen, grenzenlose Heuchelei, Ignoranz und dumpfer Hass.
Um es an dieser Stelle vorweg zu sagen: Bei den meisten Schwarzafrikanern, die ohne Rechtsstatus in Marokko leben, handelt es sich um Christen - nicht, damit mir auch noch schelmisch unterstellt wird, ich würde einer islamischen „Invasion“ das Wort reden, weil ich mich für das Wohl von Flüchtlingen einsetze. Aber was soll’s - Menschen, die prinzipiell gegen Ausländer und Flüchtlinge sind, machen da mittlerweile keinen Unterschied mehr und werden mir auch diesmal und in Zukunft das Wort im Munde verdrehen. Es ist höchste Zeit, dieser ganz speziellen Gattung „Islamkritiker“ etwas entgegenzuhalten, bevor der Ruf der gewissenhaften und ernsthaften Islamkritiker, die keine Menschenhatz betreiben und meinen größten Respekt verdienen, und zu denen ich mich auch zähle, vollends ruiniert wird.
Castollux hat einen Beitrag der Deutschen Welle vom 20. Dezember transkribiert (mit sehr wenigen Änderungen an der Textstruktur, ohne den Inhalt zu verändern). Das war es mir mehr als wert. Wenn ich jetzt Freunde verliere, dann waren es eh’ die falschen. Manchmal muss man eben seine Hosentaschen ausleeren und nachsehen, was dabei herauskommt. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort: Für einen falschen verlorenen Freund kommen 10 echte hinzu, wenn du deinem Gewissen treu bist.
Ganz herzlichen Dank an Jan Tussing von der Deutschen Welle, auch wenn er von meinem Dank nichts weiß. Aber er hat mich zu diesem Beitrag animiert. Was es so alles gibt....
Wie Marokko in der Weihnachtszeit mit den schwarzafrikanischen Flüchtlingen umspringt.
Transkription aus einem Beitrag der Deutschen Welle vom 20. Dezember 2007
In vielen Teilen der Welt freuten sich die Menschen auf ein paar fröhliche oder ruhige Festtage im Kreise ihrer Lieben. Doch was für die einen die schönste Zeit des Jahres ist, bedeutet für die anderen der blanke Horror. Für schwarzafrikanische Flüchtlinge in Marokko z.B.; denn dann schlägt für sie die Stunde der Angst. Dann schlägt die marokkanische Polizei zu. Sie kommt in die ärmeren Stadtteile der Hauptstadt Rabat, sammelt die Flüchtlinge dort ein, um sie im Norden in den Bergen wieder auszusetzen. Bei Nacht und Nebel, fernab der Öffentlichkeit.
Jan Tussing von der Deutschen Welle mit Einzelheiten:
Immer um Weihnachten bekommt Paul Angst, denn immer im Winter führt die marokkanische Polizei eine Razzia durch. Sie kommt hier ins Viertel und nimmt alle schwarzafrikanischen Flüchtlinge fest. „Es ist Dezember und wir müssen in eine andere Stadt fliehen, um Weihnachten zu feiern.“ Paul verhaspelt sich vor Aufregung immer wieder. „Wenn du hier in Rabat bleibst, ist das Risiko zu groß und wir werden nach Oujda abgeschoben.“ Nach Oujda, das ist das Schreckenswort. Dort sind in den vergangenen Jahren schon viele Flüchtlinge in den Wäldern erfroren. „Ich war zweimal in Oujda“, sagt Paul, „2005 und 2006.“ Dort musste er ohne Decken in der Kälte aushalten. Jetzt habe er Asthma bekommen, in der Kälte dort in Oujda. Warum schlägt die marokkanische Polizei immer an Weihnachten zu? Ganz einfach. An Weihnachten verlassen die meisten Ausländer Marokko. Dann feiern die Journalisten und Mitarbeiter internationaler Organisationen bei sich zuhause in Europa. Niemand schaut zu, wenn bei Nacht und Nebel Hunderte von Flüchtlingen in den kalten Norden des Königreiches verschleppt werden. Paul Mango ist Christ, kommt aus dem Kongo und lebt seit zwei Jahren in Rabat. Der 26-Jährige brauchte zwei Jahre, um nach Marokko zu kommen und hat sich beim Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) registrieren lassen. Eigentlich wollte Paul nach Europa, aber seit die Grenzzäune in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla von drei auf sechs Meter aufgestockt wurden, kann er sich die Weiterreise abschminken. Hinzu kommt, dass das UNHCR ihm seinen Flüchtlingsstatus aberkannt hat. Paul hat nun nichts mehr, was er der marokkanischen Polizei vorzeigen kann. Keinen Pass, keine Aufenthaltserlaubnis, nichts, was ihn als Flüchtling ausweist.
„Ohne Papiere kann ich mich nicht mehr fortbewegen, und auch wenn man mit den Papieren ja sowieso nicht mehr viel anfangen kann, so geben sie einem doch eine gewisse Sicherheit. Die vom UNHCR wissen doch, dass die Marokkaner keine Schwarzen mögen.“ So wie Paul geht es rund 10.000 Afrikanern in Marokko. Sie haben das El Dorado gesucht und die Hölle gefunden. Heimatlos, staatenlos und mittellos. Endstation Marokko. „Ich lebe von der Güte Gottes. Und ich habe keine Papiere. Wenn ich durch die Gegend gehe, oder irgendwohin gehen muss, oder in den Bus steige, dann habe ich Angst.“
Es riecht scharf in seiner Dreizimmerwohnung, die er sich mit 12 weiteren Flüchtlingen teilt. Direkt nebenan wohnt seine Nachbarin Mamie. Die 36-jährige Kongolesin lebt hier mit ihren 4 Kindern auf 12 Quadratmetern. Vor drei Jahren, während der Unruhen im Kongo, starb ihr Mann. Ihre Eltern waren bereits tot. Die junge Mutter entschied sich daraufhin, wegzugehen.
Über Benin und Algerien kam sie nach Marokko. Im Dezember - der Zeit der Razzien. Sie wurde in den Norden des Landes deportiert, nach Oujda. Und dort kam es noch schlimmer. Zwei Männer haben sie vergewaltigt - ebenso vertrieben aus Afrika. „Schließlich kam noch ein dritter Mann“, sagt sie in schlechtem Französisch. „Er war die ganze Nacht bei mir.“ Doch konnte Mamie ja nicht zur Polizei gehen. Die hatte sie ja erst im Wald zur Grenze nach Algerien ausgesetzt. Mamie wurde also schwanger. Ohne ärztliche Betreuung. Sie kam mit dem Leben davon. „Dieu Merci“, Gott sei Dank. „Dieu Merci“ heißt auch der Junge, den sie schließlich zur Welt brachte. Dieser steht still neben ihr und verzieht keine Miene, sein ernstes Kindergesicht unter einer braunen Wollmütze. „Die Marokkaner leben doch selbst überall auf der Welt. Sie sind doch selbst die größte Gruppe an illegalen Immigranten. Ich versteh’ das nicht. Dieses Land mag keine Schwarzen. Dies ist ein Land von Rassisten.“
Wenn Sie an die deutsche Botschaft einen dringenden Appell richten wollen, um die Lage der schwarzafrikanischen Flüchtlinge in Marokko zu verbessern, dann bitte ich Sie, das hier zu tun:
Deutsche Botschaft Rabat
Hattip: Deutsche Welle