Freitag, Juli 23, 2010

Wildgänse rauschen durch die Nacht wo Zigeuner hausen bald

Wo hausen Zigeuner und Wildgänse?

Haben Sie schon einmal sozial mit Demenzkranken gearbeitet oder zu tun gehabt, die über 70 oder 80 Jahre alt sind?


Demenzkrankheit bedeutet in erster Linie "Vergessen" - ob in kurzen oder langen Zeitabständen spielt keine Rolle. Auch 50-Jährige können demenzkrank sein, wie ich bei einem Vortrag vor einigen Tagen erfuhr. Also kann es beinahe jeden meiner Leser und auch mich treffen - kein Spaß, wirklich nicht.


Dement sein heißt aber nicht zwangsläufig "Dumm sein" oder irrational zu argumentieren, wie viele Außenstehende annehmen könnten, weil sie sich mit dem sehr problematischen Sujet nicht befassen wollen - sei es aus Angst vor der eigenen (Alters-) Zukunft oder vor dem Umgang mit unmittelbar Betroffenen auch in der eigenen Familie.


Dement sein und die sich damit befassende Therapie heißt auch, Erinnerungen in fragmentarisch vorhandenen Gehirnsegmenten zu speichern und sie je nach emotionaler Ausrichtung in einer Rückholung der Therapie oder des Gespräches zu aktivieren. Diese Arbeit muss aber professionell geleistet werden.


Wie so etwas nicht funktionieren kann zeige ich an diesem Beispiel, das an meine Artikelüberschrift angelehnt ist: "Lustig ist das Zigeunerleben":


Ein befreundeter Blogger hat mir vor etwa zwei Jahren ein Buch zugeschickt.

Der Titel: Antiziganismus, Rassismus gegen Roma und Sinti im vereinigten Deutschland; von Änneke Winckel.


Natürlich habe ich das Buch nicht zur Diskussion gestellt, weil es viele Bewohner in ein Chaos getrieben und überfordert hätte (nicht wegen einer evtl. Schuldfrage, sondern weil sie schlicht gedanklich nicht fit gewesen wären).


Aber ich habe es sehr genau durchgelesen.

Gesungen wird bei uns auch häufig - meistens schöne alte Volkslieder, die meistens ihren Wert haben, aber auch Lieder, die problematisch sind, so wie dieses "Lustig ist das Zigeunerleben".


Ich konnte schon vor der Lektüre von Änneke Winckels Buch herzlich wenig mit diesem Text anfangen, weil uns zu CVJM-Zeiten (damals war ich 12 Jahre alt) beim Zelten nachts immer der Ruf aufschreckte: „Die Zigeuner kommen“.


Warum hat der CVJM dieses zum Hass aufstachelnde Lied nicht aus seinem Repertoire gestrichen, und warum wird ein von der SS begierig aufgegriffenes Lied wie „Wildgänse rauschen durch die Nacht, mit schrillem Schrei nach Norden, unstete Fahrt, habt Acht, habt Acht, die Welt ist voller Morden“, das geradezu als Hymne erhoben wurde, nicht aus dem deutschen Volksliedgut verbannt?


Doch zurück zu den „Zigeunern“:


Etwa 500.000 Sinti und Roma wurden von den deutschen Nazis in den Gaskammern ermordet.


Ende des Mittelalters, also in der Kirchengeschichtsschreibung ab Anfang des 16. Jahrhunderts, wurden „Zigeuner“ als christliche Pilger angesehen, weil sie als „Abbildung der heiligen Familie" interpretiert wurden. Man stelle sich das heute einmal vor: katholische Pilger auf dem Jakobsweg abgeschlachtet.


Würden Sie christliche Pilger ermorden?


Als die Juden ausgegrenzt, diskriminiert, verfolgt und ermordet wurden, folgten ihnen Sintis und Romas; immer auf Vertreibung, immer auf Wanderschaft und immer ohne festes Ziel - immer ohne feste Bleibe, weil sie überall verscheucht, stigmatisiert, verletzt oder getötet wurden.


Und jetzt komme ich wieder zu meinem Ausgangspunkt zurück:


Ich kann manchen Menschen das Vorurteil, Sinti und Roma wären schlechte Menschen, argumentativ nicht ausreden. Aber ich kann der Generation, die nach diesen Menschen kommt, einen neuen Start in Sachen „Mitmenschlichkeit“ geben.


Vorerst ist meine Mitmenschlichkeit auch auf jene fokussiert, die in ihrem Leben keine Mitmenschlichkeit kannten oder kennen wollten, weil sie einem Verführer anhingen oder anhängen wollten und jetzt hilflos sind. Ich darf diese Menschen nicht allein lassen.


Wir werden sehen, wie die nächste Altersheim-Generation aussieht.
Wahrscheinlich ist es unsere.

Sonntag, Juli 18, 2010

Makro-Abenteuer: Die Schwebfliege und ihr Granny Smith

Als ich gestern Nachmittag während meiner Fahrradtour nahe Welden (nordwestlich von Augsburg) Pause machte und meinen Granny Smith vor mir auf den Tisch an der Raststelle legte, bemerkte ich, dass flugs eine Schwebfliege anschwirrte und neugierig die grüne Kugel umkurvte.

An alle aufmerksamen Leser: Ursprünglich dachte ich an eine Schlupfwespe: Leser Ranger hat mich jedoch berichtigt. Danke!


Klick' auf das Foto!


Jedenfalls surrte dieses kleine harmlose Insekt um meinen Apfel herum wie ein Hubschrauber, stand abwartend und peilend in der Luft herum und setzte dann ab, um seine Bohraktion durchzuführen.

Es ist schon sensationell, was sich in der Natur abspielt:

Du sitzt gerade einmal drei Minuten da, packst deinen Apfel aus, und schon kommt dieser wunderschön anzusehende Helikopter angerauscht. Welch' unglaublich gut funktionierende Sinnesorgane [von Gott geschenkt!] muss der haben, wenn er über zig Meter mitbekommt, dass
sich in Sekundenbruchteilen Nahrungsquellen vor ihm auftun!

12 Aufnahmen habe ich (damals) für dieses Makro verschossen - mit meiner Panasonic Lumix.

Und ich geb's zu: Ich wurde vom Jagdfieber gepackt. Und diese eine wurde gut. Ich bin aber kein Technik-Profi, eher ein Gelegenheitshai.

Heute habe ich eine Ricoh Capio R4 (Hat mir mein Bruder Hans [lebt in Holland] gschenkt). Das ist eine Weitwinkelkamera mit 28 bis maximal 200 Millimeter - also ein ganz anderes Kaliber für eine Digitalkamera. In der Preisklasse bis 300 Euro unschlagbar. Teste ich noch aus...

Makros mit lebenden Objekten sind nicht einfach zu machen, weil
immer deren Bewegung abgewartet werden muss, auch wenn es Techniken gibt, diese einzufangen. Aber man denkt oft nicht daran, wenn es schnell gehen soll. Mit einer guten Kamera können Objekte auch in der Bewegungsphase scharf abgebildet werden. Man braucht also viel Geduld.

Hans, ein hervorragender Fotograf und Maler (hauptsächlich expressionistisch und gegenständlich*) hat mich vor ein paar Jahren auf die Idee gebracht, Makros zu machen (liegt wohl in der Familie).


Das oben aufgenommene Beispiel ist nicht mein erstes, vielleicht aber eines der besseren und seltenen. Unten noch die Aufnahme einer Kreuzspinne, geschossen in Baarle-Nassau (Belgien) 2008. Auch nicht schlecht, oder?


Wer mehr Makros von mir haben will kann mich gerne anschreiben.
Ihr werdet staunen.

Übrigens: Mit ein wenig Geduld kann man auch in der eigenen Wohnung oder am Balkon Makros "schießen", wenn man die Blüten der gesetzten Pflanzen ins Visier nimmt.

Klick' wieder auf das Foto für die Kreuzspinne!



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*Sehr schöne [expressionistische] Malereien meines Bruders aus Holland kann man über mich bestellen. Fotos und Fortsetzungen natürlich auch.