Samstag, Juli 30, 2011

Schade um die Buchstaben: Hannes Stein zum Terroranschlag in Norwegen

Jetzt verstehe ich Hannes Stein überhaupt nicht mehr. Und nach seinem letzten Interview mit der taz geht er mir - ganz ehrlich gesagt - mehr und mehr auf den Geist mit seiner pastoral daherkommenden Gesinnungsethik. Hoffentlich kommt er bald wieder zur Besinnung. Sein taz-Interview spreche ich weiter unten an.

Vor wenigen Tagen hatte Hannes Stein einen - wie ich beim oberflächlichen Lesen dachte - relativ sachlichen Beitrag darüber geschrieben, wie Ulrich Sahms Meldung über eine antiisraelische Veranstaltung der sozialistischen Jugend auf der Insel Utøya bei Oslo zu bewerten sei - nämlich im Kontext der Ereignisse vor dem Terroranschlag.

Die Post-Analyse war teilweise zutreffend - ich hatte sie schon vor über drei Jahren ähnlich formuliert, als kaum ein Mensch darüber nachdachte, Hannes Stein erst recht nicht, weil er sich damals noch im Tiefschlaf befand, was das Thema betraf. Mittlerweile ist aber eine Menge Wasser den Hudson River bei ihm und den Lech hier bei mir im Voralpenland heruntergeflossen.

Hannes Stein begeht schon Fehler in der Diktion mancher Passagen, oder besser gesagt, in der Wortwahl generell - für einen erfahrenen Journalisten eigentlich ungewöhnlich. So schreibt er beispielsweise:
[…] Was ist die Ideologie des Mörders? Er hasst den Islam (nicht den islamischen Fundamentalismus, nicht Al Qaida, nicht die „Islamische Republik Iran“, sondern den Islam). Er hasst Muslime (nicht Achmadinedschad, nicht Osama Bin Laden, nicht Ayman al-Zawahiri, sondern alle Muslime von Indonesien über Indien bis Kurdistan). Er hasst „Marxisten“ (nicht Lenin, Stalin, Trotzki, Mao und Che Guevara, sondern alle Linken).
Was Hannes Stein hier von sich gibt, ist geifernder Unsinn, auch wenn er sich vordergründig auf den Täter bezieht, und journalistisch fast schon unredlich, weil ideologisch gestanzt (Sorry, Hannes!).
Er übernimmt - unwissentlich oder nicht - an dieser Stelle bedenkenlos und holzschnittartig Formulierungen wie „hasst den Islam“, „hasst Muslime“ und „hasst Marxisten“. Das ist so klar wie Kloßbrühe und trifft selbstverständlich auf die Person des Terroristen selbst zu, aber Stein kopiert hier sprachlich und spiegelbildlich genau dasselbe Vokabular derjenigen, die er bekämpft. Vielleicht bemerkt er diesen Fauxpas nicht einmal.

Was hat er da vom Stapel gelassen? Und welche Unterstellungen hat er hier vorgenommen?

Wäre es okay, wenn er in einem Aufwasch sämtliche Islamkritiker als „rechtsradikal“ einstuft, weil sie z.B. zu Recht Erdogans Slogan
„Der Islam ist vom Islamismus nicht zu unterscheiden. Es gibt nur den Islam“
ernst nehmen, was er [Hannes Stein] aber unausgesprochen als indiskutabel zu implizieren scheint?
Sind es dann die Kritiker, die man wegen der Zitation dieser Phrase zur Verantwortung ziehen muss, oder derjenige /diejenigen Muslime (Christen u.a. können es also schlecht sein), die diese Phrase herausposaunen?

War es Mohammed Atta, der den Koran zitiert hat, bevor er in die Twin Towers reingerauscht ist, oder war es Hannes Steins Phraseologie, die Atta im Nachhinein hilfreich das Gütesiegel „Islamismus“ aufgedrückt hatte, weil der vom edlen „Ur-Islam“ abgerückt sei, den man sowieso nicht zu scharf kritisieren solle, da ja so vielschichtig?

Hier zeigt sich die bedenkliche Naivität Hannes Steins in theologischen Fragen besonders deutlich. Er versteht davon überhaupt nichts.
Ist es in Ordnung, wenn Hannes Stein also mehr oder weniger stringent insinuiert, dass zwischen rechtsradikalen/extremen Islamkritikern auf der einen Seite und liberalen, konservativen und linken Islamkritikern auf der anderen Seite ein Zusammenhang bestünde?
Hannes Steins Vorgehensweise ist hier besonders indifferent, unausgegoren und schwatzhaft, so sehr ich ihn auch aufgrund mancher Kontakte in den letzten Jahren schätze. Mit Formulierungen wie dieser schafft Hannes Stein genau das, was er [selbst] möglicherweise vermeiden wollte - nämlich eine Weichzeichnung des Unterschiedes zwischen Mensch und Ideologie. Er sorgt nicht für Differenzierung, sondern zündet selbst ideologische Nebelkerzen.

Kaum jemand in unserer befreundeten Blogosphäre - und ich am allerwenigsten - hat die Notwendigkeit bestritten, zwischen persönlicher Beziehung zu Menschen und der Hinterfragung ihrer Ideologie sorgfältig zu unterscheiden. Genau diese Unterscheidung trifft Hannes Stein aber nicht mehr, weil er eine [mediale/blogosphärische] Absprache unter allen Islamkritikern unterstellt, die nicht dem Bild entsprechen, das er selbst sich von [Gesellschafts-] Islamkritikern macht. In seinem Rundumschlag lässt er alles vermissen, was einen guten Journalisten auszeichnet: Nachdenklichkeit, Reflexion und sorgsame Wortwahl.
Im taz-Interview antwortet Hannes Stein auf die Frage
Was verteidigen Sie denn?
Die offene Gesellschaft. Etwa die Meinungsfreiheit mitsamt der Freiheit, den Islam zu kritisieren. Flemming Rose von der dänischen Zeitung Jylland Posten hat dazu einmal gesagt: Er möchte, dass die Muslime in Europa integriert werden. Dazu gehört, dass man sich über ihre Religion genauso lustig machen kann wie über, sagen wir, den Katholizismus. Die Muslime haben, so komisch das klingt, ein Recht darauf.
Das wirkt auf mich fast schon abstoßend, wenn man das bisher diskutierte Sujet heranzieht und bedenkt, was unten folgt.

Hannes Stein unterstellt hier unausgesprochen, dass jegliche [Gewalt-] Reaktion der Muslime auf säkulare Kritik am Islam „erlaubt“ und Grundvoraussetzung einer "offenen" Gesellschaft sei - allerdings so, wie er sie halluziniert. Hier agiert er interesannterweise sehr radikal.

Ich behaupte das , weil er es an diesem Punkt nicht näher ausführt. Wäre er ein konsequent arbeitender Journalist, dann hätte er die konkreten Bedingungen angegeben, unter denen wechselseitige Kritik zwischen Islam und am Christentum stattfindet. Das hat er aber nicht gemacht, von der real existierend krassen Unverhältnismäßigkeit der Kritik an Christentum einerseits bzw. Islam andererseits ganz abgesehen. Das kann man am Alltagsleben ablesen (Essensvorschriften, Justizwesen, Schulordung, Scharia-Verharmlosung, Abschaffung christlicher Feiern in vorauseilendem Gehorsam etc.pp.).

Und weiter führt er aus:
Übrigens ist es bei den Verteidigern des christlichen Abendlandes mit dem Philosemitismus meistens schlagartig vorbei, wenn man auf Auschwitz zu sprechen kommt.
Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Ich weiß selbst, dass es unter so genannten Israelfreunden Antisemiten gibt, und ich habe das auch selbst oft genug thematisiert, werde das auch immer tun. Aber dass Hannes Stein sich zu einer derart pauschal-primitiven und hässlichen Äußerung hinreißen lässt, hätte ich niemals erwartet. Und wieder wirft er alles in einen Topf. Ich kommentiere das weiter nicht, weil es Zeitverschwendung ist.

Sein Schlusssatz:
Ich antworte mit einer einfachen Unterscheidung, die wir von Karl Popper gelernt haben: Ideen sollen im öffentlichen Raum gegeneinander antreten, auch der Islam in all seinen Spielarten. Ideen brauchen keinen Schutz; Kritik an ihnen, auch erbarmungslose, auch irrtümliche, ist erlaubt. Mit Menschen ist es etwas anderes. Menschen müssen geschützt werden.
Das hört sich sehr, sehr nach einem Lippenbekenntnis an, wenn es denn tatsächlich darum ginge, dass auch Islamkritiker ein Recht auf Schutz haben!

Zum Schluss möchte ich noch kurz ein Gespräch erwähnen, das wir vor etwa zwei Jahren per E-Mail führten (ich verrate da keine Geheimnisse, bin also nicht indiskret). Es ging um einen Beitrag Navid Kermanis (des Ehemanns von Katajun Amirpur) in der NZZ: Er hatte sich damals in ziemlich obszöner Art und Weise über die Darstellung des Kreuzestodes Jesu Christi echauffiert. Gut, das kann man je nach Weltanschauung verschieden betrachten.

Kann Hannes Stein sich noch daran erinnern, wie er Kermanis "Bildbetrachtung" mir gegenüber verteidigt hatte? Die gröbsten Hässlichkeiten gegen das Christentum hat er als „Freiheit der Kunst“ zu verteidigen versucht. Ich hatte damals attestiert, dass diese Freiheit eine Selbstverständlichkeit wäre, Kermani aber sehr pingelig reagiere, wenn Islamkritik geäußert werden würde. Von Hannes Stein habe ich nie wieder etwas zum Thema gehört geschweige denn leise Kritik an Kermani….
Abgesehen von seiner übertriebenen Sympathie für den Iraner: Kann er mir mal erklären, warum er bei Islamkritik bzw. Kritik an Muslimen so hektisch reagiert und gleichzeitig beim Umgang mit christlichen Gefühlen bzw. verfolgten Christen so großzügig und gleichgültig, obwohl jedes Jahr mehr als 15.000 Christen weltweit von Muslimen ermordet werden?

Mensch Hannes: Dein einseitig vorgebrachter moralischer Rigorismus geht mir auf den Keks!
Und zitiere bitte erst dann wieder Karl Popper, wenn du ihn auch wirklich ernst nimmst.

Freitag, Juli 29, 2011

Nachbetrachtung zu Norwegen: Ordnung und Struktur in die Debatte bringen

Ich selbst hatte eigentlich auch vor, zu den Schuldzuweisungen der Tugendwächter deutscher Medien, die nach den schrecklichen Ereignissen in Norwegen reflexartig und heuchlerisch - ja heuchlerisch! - gegen Autoren wie Henryk M. Broder, Gideon Böss und Richard Herzinger, um nur drei zu nennen, zu Felde gezogen waren und ihnen geistige Brandstifterschaft vorgeworfen hatten, etwas zu schreiben (Weiter unten wird darauf Bezug genommen). Im benachbarten Ausland kam, wie aufmerksame Leser wie Sie festgestellt haben dürften, diese Debatte so gut wie gar nicht auf. Irgendwie merkwürdig, nicht wahr?

Lizas Welt hat zu diesem komplexen Sachverhalt einen sehr gut durchdachten und äußerst sorgfältig formulierten Beitrag geschrieben - und viele meiner Gedanken quasi vorweggenommen. Vielen Dank dafür!

Zu Hannes Steins Beitrag auf Achgut (leicht kritikwürdig, würde ich sagen) werde ich im nächsten Castollux-Beitrag Stellung beziehen. Sein Kommentar kommt zwar versöhnlich daher, weist meines Erachtes aber einige argumentative Schwachstellen auf.


Paranoia mit Parallelen

Lizas Welt

(Bild rechts von Lizas Welt übernommen)

Zurzeit wird viel darüber räsoniert und spekuliert, was (und wer) Anders Breivik dazu getrieben haben könnte, erst eine Bombe zu zünden und dann mit stoischer Ruhe einen Massenmord an Minderjährigen zu verüben. Ist er ein isolierter Psychopath mit Allmachtsfantasien? Oder muss man ihn vielmehr als terroristische Speerspitze einer größeren, bedrohlichen Bewegung wider den Islam und den „Multikulturalismus“ betrachten? Vor allem der letztgenannte Erklärungsansatz hat in den vergangenen Tagen – genauer gesagt: seit dem Beginn der Verbreitung von Breiviks über 1.500 Seiten umfassender, als „Manifest“ deklarierter Kampfschrift – rasant an Popularität gewonnen. Denn in diesem wirren und irren Pamphlet nimmt der Mörder Bezug auf allerlei Denker, Ideen und Ideologien – und weil Immanuel Kant, George Orwell, Winston Churchill und John Stuart Mill es dummerweise versäumt haben, ihre Texte ins Internet zu stellen, stürzen sich zahlreiche Medien hierzulande auf von Breivik zitierte lebende Personen, allen voran auf Henryk M. Broder, und verkünden sogleich ihre Urteile, die von „Stichwortgeber“ bis zu „geistiger Brandstifter“ reichen (und eine Flut von widerwärtigen Droh- und Hassmails an Broder ausgelöst haben). Dieselben Leute, die noch bei jedem Anschlag oder Attentat einer islamistischen Terrororganisation zur Zurückhaltung mahnen, vor einem „Generalverdacht“ warnen oder gar ein gewisses Verständnis für die jeweilige Tat nicht verhehlen, können jetzt gar nicht schnell genug die vermeintlichen ideologischen Hintermänner (sowie gegebenenfalls deren Vereinigungen) eines wahnsinnig gewordenen, mörderischen, vom Herrenmenschentum besessenen Einzeltäters – und ein solcher ist Anders Breivik nach Stand der Dinge zunächst einmal – an den Pranger stellen.

Das Entsetzen über das Massaker wich in Deutschland bemerkenswert schnell einer (Mit-) Schuldzuweisung an so ziemlich alle, die sich jemals in irgendeiner Form kritisch oder ablehnend gegenüber dem Islam geäußert haben. Und da die vielen politischen Strömungen, die in dieser reichlich diffusen Menge vertreten sein sollen, dann doch erkennbar mehr trennt als eint, muss sich eine Klammer finden lassen, die sie dennoch unwiderruflich zusammenhält, etwas also, das über allem steht und den vermeintlich gemeinsamen Kampf gegen den Islam dominiert. Es war nur eine Frage der Zeit, wann jemand ausspricht, wer oder was denn diese Klammer sein soll, und so preschte die öffentlich-rechtliche Rundfunkjournalistin Bettina Marx vor: Die „Begeisterung für Israel“ eine „die linken und rechten Islamfeinde“, denn „in dem Land zwischen Mittelmeer und Jordan sehen sie den Brückenkopf des Westens im Nahen Osten und das Bollwerk gegen den Islamismus“. Ja, mehr noch: „Kritik an der Politik Jerusalems weisen sie als Antisemitismus zurück, die legitimen Ansprüche der Palästinenser gelten für sie nicht. Die Palästinenser werden pauschal als Terroristen verunglimpft.“ Und so lässt sich schließlich der ganz große Bogen spannen: „Von den christlichen Fundamentalisten in den USA und ihrer politischen Vertretung in der Tea Party über linke Antideutsche bis hin zu den neofaschistischen Parteien in Italien und Osteuropa reicht die Achse der islamophoben Israelfreunde.“ Fehlt noch jemand? Genau, das Objekt der Begeisterung höchstselbst: „Die Regierung in Jerusalem heißt all diese Unterstützer willkommen.“

Und gehört nicht auch Anders Breivik zu diesen Unterstützern? Man munkelt ja, er sei ausweislich seines „Manifestes“ ein Freund des jüdischen Staates und überhaupt der Juden. Dass Breivik die hellsichtigen Kritiken der Frankfurter Schule als das Werk destruktiver, linker, „kulturmarxistischer“ Juden betrachtet, die Europa eine „Political Correctness“ aufgezwungen und es in den „Multikulturalismus“ (also in den Untergang) getrieben hätten, dass er glaubt, die USA habe ein „Judenproblem“, dass er von einer „Holocaust-Religion“ fabuliert, die der Erkenntnis im Wege stehe, dass der Islam weitaus gefährlicher sei als der Judenhass und erheblich mehr Menschenleben gefordert habe als die Shoah – all dies und noch viel mehr wird schlichtweg ignoriert. Die Stellen im „Manifest“, wo Breivik sich auf bekannte Islamkritiker wie Henryk M. Broder bezieht, werden medial begierig aufgegriffen, um den Bezugsgrößen und ihrem Umfeld anschließend eine Komplizenschaft zu unterstellen und eine Mitschuld am Massenmord zu geben; die Passagen jedoch, in denen er sich antisemitisch äußert, unterschlägt man. Andernfalls würde ja auch die gar nicht einmal sonderlich subtil vermittelte Botschaft gefährdet, dass es mal wieder die Juden waren, die der Welt – in Person eines norwegischen Verbündeten und mit der Rückendeckung durch dessen Umfeld – ein mörderisches Unglück beschert haben.

In einer derart aufgeheizten Stimmung haben es besonnene und differenzierende Stimmen schwer. Eine davon gehört Richard Herzinger, der zu Recht feststellte: „Es wäre unsinnig, aus islamfeindlichen Einträgen des Massenmörders von Oslo in Internetforen zu folgern, es führe eine direkte Linie von auch hierzulande verbreiteten obsessiv muslimfeindlichen – oft zugleich auch antisemitischen – Affekten zu terroristischer Aktivität. Die Gefahr aber, dass sich fanatische Randgruppen unter dem Vorwand der Angst vor der (Selbst-)Auslöschung des ‚christlichen Abendlandes’ ihren islamistischen Antipoden – deren paranoiden Wahn sie in Wahrheit teilen – angleichen und ihre Methoden übernehmen könnten, ist nach dem Horror von Oslo nicht mehr von der Hand zu weisen.“ Gleichwohl gelte es, genau zu trennen, wie Herzinger in einem weiteren Beitrag ausführte: „Zunächst wäre zu fragen, was die Ankläger mit dem Begriff ‚Islamkritik’ eigentlich meinen. Diese Kampfvokabel schüttet den diametralen Gegensatz zwischen neonazistischen und rechtsnationalistischen Islamfeinden einerseits und andererseits aufklärerischen Säkularisten zu, die in den totalitären Zügen des politischen Islam eine akute Gefahr für die freiheitlichen Errungenschaften der offenen, pluralistischen Gesellschaft sehen. Während erstere Muslime als solche hassen, weil sie einem ‚fremden’ Glauben angehören beziehungsweise einem ‚fremden Kulturkreis’ entstammen, und von ihrer Deportation aus einem nunmehr wieder ‚artreinen’ Vaterland träumen, verteidigt die zweite Gruppe nicht zuletzt die Muslime selbst gegen autoritäre Strukturen in den islamischen Gemeinden, die den muslimischen Bürgern ihre Chancen auf Teilhabe an den Möglichkeiten der freien Gesellschaft beschneiden.“

Dieser Unterschied ist elementar, doch er wird nur von wenigen nachvollzogen. Nicht von den Rechtsnationalisten, die zwar erschrocken über die Terrortaten von Oslo und Utøya sein mögen, sich von ihnen distanzieren und sie verurteilen, aber an ihren xenophoben Phantasmagorien einer „Überfremdung“ Europas, die von linken „Multikulti“-Ideologen (wozu sie grundsätzlich alle zählen, die nicht dem rechtsnationalistischen Lager angehören) tatkräftig befördert werde, unverrückbar festhalten und sich bisweilen sogar in abstrusen Verschwörungstheorien ergehen – wie etwa jener, nach der es sich bei Breiviks Tat um eine „False Flag“-Operation mit dem Ziel, die Gegner des Islam zu diskreditieren, gehandelt habe. Und auch nicht von zahlreichen Medien und anderen Bescheidwissern, die auf ein Verbrechen wie jenes in Norwegen geradezu gewartet zu haben scheinen, um endlich die gesamte Islamkritik als ideologisches Rüstzeug des Teufels verdammen zu können. Dementsprechend lässt man nun bevorzugt „Experten“ wie Sabine Schiffer zu Wort kommen, eine „Medienpädagogin“, die nicht nur über gute Beziehungen zum deutschsprachigen Programm des staatlichen iranischen Rundfunks verfügt, sondern auch Sympathien für Verschwörungstheorien zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 hegt und nicht zuletzt „jüdische Organisationen“ der „Verbreitung des antiislamischen Rassismus“ bezichtigt. Der Deutschlandfunk bat sie gestern zum Interview, und auch wenn es ausgesprochen mühsam ist, Schiffers Gestammel so etwas wie eine These zu entnehmen, lässt sich doch festhalten, dass sie nicht nur verschiedene Blogs, sondern allen Ernstes nahezu die gesamte Medienlandschaft der „Islamophobie“ zeiht und ihr somit eine Mitschuld an Breiviks Mordtaten zuweist.

Kaum jemandem fällt auf, dass es zwischen Anders Breivik und den Islamisten essenzielle Gemeinsamkeiten gibt (die Breivik sogar selbst benennt), ja, dass beide sozusagen Brothers in Crime sind. Als einer der wenigen neben Richard Herzinger hat das Bremer Aktionsbündnis gegen Wutbürger diese Parallelen erkannt und benannt: „In Wirklichkeit verhält es sich so, dass der Adorno wegen seiner ‚Studien zum autoritären Charakter’ hassende Breivik als Prototyp eines solchen den Islam zutiefst beneidet, weil der Islam eine gesellschaftliche Hierarchie, strenge Regeln und religiöse Werte im Einklang mit seinem kulturellen Erbe bietet, also all das, was Breivik in der europäischen Gesellschaft so schmerzlich vermisst. Breiviks Islamhass und sein wahnhafter Kampf gegen ihm übermächtig scheinende Gegner, gegen die nur ein Wunder helfe, erscheint als Ausdruck eines Gefühls der eigenen Ziel- und Wertlosigkeit. Letztendlich will er im Kampf gegen den Islam selbst in einer Gemeinschaft aufgehen, die der der Djihadisten ähnelt: zum Letzten entschlossen, skrupellos, gewalttätig und im festen Glauben an die Überlegenheit der eigenen Überzeugungen.“ Im Grunde genommen gleicht Breivik vor allem den Salafisten: Auch diese haben es zuvorderst auf „Abtrünnige“ in den eigenen Reihen, also auf „Feinde“ im Inneren abgesehen. Und so, wie die Salafisten weltlich orientierte Muslime (oder wen sie dafür halten) bedrohen, verfolgen und töten, zündete der norwegische Massenmörder erst im Regierungsviertel eine gewaltige Bombe, bevor er ein Feriencamp sozialdemokratischer norwegischer Jugendlicher heimsuchte, um dort eigenhändig und kaltblütig ein Massaker unter jenen anzurichten, die er in seinem irrationalen und fanatischen Weltbild für den „kulturmarxistischen“ und „multikulturellen“ Nachwuchs hält.

Diese frappierenden Parallelen bemerkte übrigens auch der norwegische Botschafter in Israel, Svein Sevje, nicht; im Gegenteil hielt er es für nötig und richtig, gegenüber einer israelischen Tageszeitung die Ansicht zu äußern, der (islamistisch geprägte) palästinensische Terror sei zwar ebenfalls „moralisch inakzeptabel“, verfolge aber immerhin „ein definiertes Ziel“, das „im Zusammenhang mit der israelischen Besatzung“ zu sehen sei – womit er ihn sowohl rationalisierte als auch faktisch entschuldigte. Dass Sevje zudem die Einbeziehung der Terrortruppe Hamas in Friedensverhandlungen für unverzichtbar hält, ist da nur folgerichtig. Echauffiert hat sich nicht nur hierzulande kaum jemand über diese unsägliche Trennung in einen schlechten und einen irgendwie nachvollziehbaren Terror. Man stelle sich dagegen vor, wie wohl die Reaktionen ausfielen, wenn der israelische Botschafter in Norwegen einer norwegischen Zeitung sagen würde, er verurteile Breiviks Terror zwar, doch habe dieser immerhin ein definiertes Ziel verfolgt, das im Zusammenhang etwa mit der norwegischen Einwanderungspolitik zu sehen sei. Das hat der israelische Botschafter selbstverständlich (!) nicht geäußert; im Gegenteil hat das offizielle Israel die Morde scharf verurteilt und den Opfern große Empathie entgegengebracht. „Wir in Israel können uns voll und ganz in diese Katastrophe hineinversetzen und sind zutiefst schockiert von diesem Verbrechen“, sagte beispielsweise Premierminister Benjamin Netanyahu. „Wir kennen den unerträglichen Schmerz der Familien und der Nation. Deshalb möchte ich den Menschen, der Regierung und dem Staat das aufrichtige Beileid der Menschen, der Regierung und des Staates Israel aussprechen.“ Man darf gespannt sein, wie die Reaktionen aus norwegischen Regierungskreisen ausfallen werden, wenn es im jüdischen Staat mal wieder zu einem Angriff von Terroristen kommt.