Mittwoch, Dezember 03, 2008

Lesen bildet – nicht immer

Medien regen Phantasie der Terroristen an
(Übersetzt von Castollux*)

Bret Stephens

Azam Emir Kasab, einziger Terrorist, der lebend nach dem Massaker in Mumbai festgenommen war, gab zur Rechtfertigung an, dass der Mord an den Juden im Chabad House begangen wurde, um die Grausamkeiten zu rächen, die Israel an den Palästinensern verübe. Zwei weitere Terroristen zitierten Fälle von Gewalt gegen Moslems durch Hindus mit der Frage „Warum tut ihr uns dies an?“, bevor sie 14 unbewaffnete Leute im Oberoi-Hotel ummähten. Und wenn tote Terroristen sprechen könnten würden wir sicher von Abu Ghraib als einer der möglichen Ursachen für die Geiselnahme von US-Amerikanern und Briten hören (Abbildung links: David Klein).

Man könnte fast meinen, dass die Terroristen zu viel Zeit damit verbrachten, BBC World Service zu hören. Aber die BBC besitzt hier kein Alleinstellungsmerkmal. Wenn es um Terroristen und ihr Gejammer geht, werden sie von nahezu allen westlichen Medien mit reichlich Nahrung versehen, aus der sie sich bedienen können.

Im Frühjahr 2005 kam Newsweek mit einem dünn recherchierten Beitrag über eine Koranausgabe, die in Guantanamo angeblich die Toilette heruntergespült worden war. Resultat: Mindestens 15 Menschen wurden bei Unruhen in Afghanistan umgebracht.

Newsweek machte wenig später einen Rückzieher, was sicher richtig war, aber doch außergewöhnlich. Vergleichen Sie das einmal mit der Weigerung des französischen Reporters Charles Enderlin und seines Arbeitgeber France 2, den Bericht über Mohamed al-Dura zurückzunehmen oder wenigstens in Zweifel zu ziehen. Im September 2000 soll der 12-jährige palästinensische Junge angeblich von israelischen Soldaten während eines Schusswechsels im Gazastreifen getötet worden sein – ein Vorgang, bei dem Enderlin selbst nicht anwesend war. In jahrelanger akribischer Nachforschung hatten der französische Journalist Philippe Karsenty, Esther Shapira, Richard Landes u.a. nachgewiesen, dass es sich bei dem Bericht zu al-Dura um eine Fälschung gehandelt hatte - mit dem Zweck, Mord und Totschlag in den Gebieten der Palästinensischen Autonomiegebiete anzufachen. Wir wissen, wie „erfolgreich“ Enderlin war.

Vielleicht spukte auch irgendwie der Name des palästinensischen Jungen in den Köpfen der Killer von Mumbai. Und wenn nicht, dann gibt es keinen Mangel an anderen von westlichen Medien erdichteten Scheußlichkeiten wie „Belagerung von Gaza“, „Massaker von Jenin“ (2002) oder die Massaker in den libanesischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila (Begangen von den christlichen Falangisten) oder die angebliche Hinrichtung ägyptischer Kriegsgefangener während des Sechstagekrieges 1967.

Alle diese Fabeln haben reale Konsequenzen - nicht nur für Israelis. Im Juli 2006 schlenderte der amerikanische Staatsbürger Naveed Afzal Haq in das Büro der Seattle Jewish Federation, schoss auf sechs Menschen und tötete einen von ihnen. Einer der Überlebenden bezeugte, dass Haq sich als Moslem zu erkennen gab und ausrief, so handeln zu müssen, weil Bush die Juden in den USA finanziere, damit diese wiederum Israel unterstützen. Er erwähnte den „Freiheitskampf“ der Hisbollah, den Irak und mehr. Wie kam er auf solch’ wirre Gedanken?

Wie sich herausstellt, reichen Terrorverdächtige häufig selbst ihre Aussagen über „Böswilligkeiten“ amerikanischer oder israelischer Sicherheitskräfte und Soldaten an leichtgläubige westliche Medien weiter. Im Verwirrstück um den heruntergespülten Koran zum Beispiel verfasste Ari Berman von The Nation einen Artikel ("Newsweek hatte Recht"), der mit Aussagen von ehemaligen Guantanamo-Häftlingen aufwartet, die alle behaupten, dass es Methode gewesen sei, den Koran zu schänden. Kein Wort verschwendet Berman jedoch über die Instruktionen im so genannten „Manchester Dokument“ der Al-Qaida, das der britischen Polizei im Jahr 2000 in die Hände fiel. Daran wird den Gläubigen geraten, sich über „Misshandlungen im Gefängnis“ zu beschweren und darauf zu bestehen, dass "Untersuchungen eingeleitet werden, die bestätigen sollen, dass sie von staatlichen Sicherheitskräften gefoltert wurden."

Oder wie wär’s mit der Story der New York Times über Ali Shalal Qaissi aus dem Jahr 2006? Qaissi, Gründer von Association of Victims of American Occupation Prisons, behauptete, jener Mann mit der schwarzen Kapuze zu sein, der auf einem Kasten stand, angeschlossen an Drähte und auf makabre Weise von den Aufsehern in Abu Ghraib fotografiert. Die Times fand seine Geschichte glaubwürdig genug, um sie auf die Titelseite zu setzen, bis sich herausstellte, dass Shalal Qaissi der falsche Mann war. Eine Anmerkung der Redaktion gibt Aufschluss darüber, wie man Stories passend bzw. druckreif macht:
„ Die Times prüfte nicht ausgiebig genug Herrn Qaissis Insistieren darauf, dass er der Mann auf dem Foto sei. Herrn Qaissis Aussage ist bereits von anderen Rundfunkstationen und Zeitungsmedien ohne Infragestellung verarbeitet worden. Anwälte ehemaliger Gefangener in Abu Ghraib bürgten für ihn. Auch Menschenrechtler schienen seinen Bericht zu stützen.“
Selbstverständlich ist nie ausschließen, dass man auf eine gut gestrickte Lüge hereinfällt. Aber es ist schon mehr als erstaunlich, dass ein Blatt, das nahezu jede Verlautbarung einer amerikanischen oder israelischen Regierung prinzipiell argwöhnisch unter die Lupe nimmt, so leichtgläubig Angaben von dubiosen Gestalten wie Terrorverdächtigen übernimmt, wenn sie zum Nachteil eben jener von ihm so penibel kritisierten Regierungen gereicht. Oder - warum ist die Times (Und nicht nur sie), so erpicht darauf, einen zweifellos genuinen Skandal wie Abu Ghraib so zu verkaufen und somit als moralisches Äquivalent zu 9/11 aufzublasen? Eine Warnung ist auf jeden Fall angebracht: Terroristen weltweit könnten geneigt sein, das zu glauben, was sie in der Zeitung lesen.

-----------

*Mit geringfügigen Umarbeiten am Text

Dienstag, Dezember 02, 2008

Ägyptens "liberale" Judenhasser

Ich habe es im letzten Beitrag schon angesprochen: Die Bekämpfung des Politischen Islam (Und letztlich seine Überwindung) kann nur aus der islamischen Welt selbst kommen. Was wir im Westen leisten können ist: Politische, literarische und moralische Unterstützung in jeglicher Hinsicht. "Einprügeln" auf Muslime, die hier Moscheen bauen wollen, ist kontraproduktiv und GG-widrig, auch wenn sich manche der islamischen Organisationen gegen unser Grundgesetz stellen und wir rechtsradikale Tendenzen als Reaktion leider immer häufiger feststellen müssen.

Kontra Moschee-Neubau bzw. islamische Einflussnahmen schreibe (schrieb) ich auch hier in meinem Blog manchmal - aber nicht gegen Muslime, also Mitmenschen. Und das wird sich auch so fortsetzen. Man beweise mir, dass ich gegen Muslime als Menschen geschrieben habe....

Die Auseinandersetzung muss über die sachliche Ebene erfolgen, das heißt, über Fachwissen (Theologie, wovon ich als Fachmann etwas verstehe), oder über die Justiz, wenn alle Stricke reißen. Alle anderen Aktionen - polarisierende Stimmungsmache etc. in letzter Zeit, die sich auch gegen Sinti und Roma oder andere Randgruppen richten, sind kontraproduktiv und sowieso widerlich.

Ich bin gespannt darauf, wann das endlich in den letzten Hirnen Einzug hält und wir die freiheitsliebenden Muslime in ihren Heimatländern (!) noch mehr tatkräftig unterstützen.

Amr Bargisi ist einer dieser mutigen Muslime (Journalisten) in der islamischen Welt, die erfreulicherweise immer mehr auftreten. Er findet deutliche Worte gegen Antisemitismus und - vor allen Dingen - für eine offene islamisch-arabische Gesellschaft.

Warum hören wir ihm nicht ein paar Zeilen zu?

Danke Amr Bargisi!

AMR BARGISI

Ägyptens Judenhasser verdienen mehr Ächtung des Westens

Oder: Weiterer Beleg dafür, dass das Vorurteil nichts mit Israel zu tun hat.

"Aber wir sind doch selbst Semiten!" - Das wird Ihnen ein weltgewandter ägyptischer Journalist wahrscheinlich auf den Vorwurf antworten, dass die ägyptischen Medien mit Antisemitismus gespickt sind. Doch gibt es wenig mehr Orte [als in Ägypten, d. Übersetzter Castollux], wo Juden als Urheber jeglichen Übels beschuldigt werden - angefangen von krebsverursachenden Schädlingsbekämpfungsmitteln bis zum Krieg im Irak.

Noch erschreckender ist die Tatsache, dass viele dieser Schuldzuweisungen von Menschen kommen, die sich selbst der liberalen Bevölkerungsschicht Ägyptens zurechnen - einer demokratiefreundlichen und antiislamistischen Gruppierung, auf der die Hoffnungen des Landes für eine tolerantere Zukunft ruhen.

Die letzte Episode ereignete sich am 2. Oktober, als die Anti-Defamation League eine Pressemitteilung herausgab. Titel: „Zunahme antisemitischer Inhalte auf Online-Finanzseiten“ Ein ägyptischer Journalist las darüber in der israelischen Tageszeitung Maariv - und hier kann man nachlesen, wie das neue, "liberale" ägyptische Wochenblatt Al-Youm As-Sabi mit seiner Headline aufwartete:
[Die] Juden sind Hauptverdächtige für die Finanzkrise."
Der Artikel lief längsseits eines Tickers des Börsenkurses mit der Bildunterschrift "Warum nimmt die Stimmung gegen die Juden in den USA zu?"

Dies war nicht der einzige Fall, in dem Ägyptens Intelligenzija Gründe fand, die Juden für die Finanzkrise verantwortlich zu machen. Am 11. Oktober schrieb Abbas an-Tarabili, Chefredakteur der Tageszeitung Al-Wafd (Oben links eine "sehr sympatische" Karikatur, die Sharon mit Bush zeigt) - der „Hauszeitung“ von Ägyptens „Liberaler“ Partei gleichen Namens, eine Kolumne, in der er behauptete, dass die Juden allein schon über die Börse gewinnen würden, weil sie den Goldpreis seit Ende der 1070er-Jahre manipulierten.

"Die Juden spielten ein schmutziges Spiel“, schrieb er. "Es trifft zu, dass die westlichen Länder - vorneweg die Vereinigten Staaten - viel zu verlieren haben, aber all das fließt in die Taschen jüdischer Geschäftemacher, die die Börsen weltweit unter Kontrolle halten."

Zwei Wochen später brachte Al-Masry Al-Youm, Ägyptens größte unabhängige Zeitung und landesweit als das (!) Organ für Liberalismus betrachtet, einen Artikel mit dem schlichten Titel:
"Die jüdische Verschwörung."
Kolumnist Khairi Ramadan, der auch eine der landesweit erfolgreichsten Talkshows mitmoderiert, forderte seine Leser auf, nicht zu ignorieren, was im Internet "über eine jüdische Verschwörung beim Amtsende Bushs zur Vorbereitung für die Kontrolle des folgenden Präsidenten gesagt wird."

"Die verfügbaren Informationen", schrieb Ramadan, weisen darauf hin, dass "die Juden Wochen vor dem Kollaps von Lehman Brothers 400 Milliarden Dollar vom Kapitalmarkt abzogen,"; und er fügte hinzu, dass der Zusammenbruch des Brokerhauses mit den Ereignissen vom 11. September zusammenhänge, als „Tausende Juden nicht zur Arbeit ins World Trade Center gingen."

Diese Beispiele sind besonders herausstechend, weil sie nicht mit Israel oder Zionismus [direkt] in Verbindung gebracht werden. Sie entlarven die unwahrhaftige Behauptung - gerne gebraucht von Professoren wie John Mearsheimer und Stephen Walt, Autoren des Bestsellers "Die Israel Lobby" im letzten Jahr, dass der Hass auf Juden keines der großen Hauptantriebsmomente der Abneigung der arabischen Welt gegen Israel allgemein sei.

Aber diese Beispiele werfen auch eine ernste Frage darüber auf, was in der arabischen Welt als Liberalismus verstanden wird. Warum sich mit diesem Hinhören auf Stimmen zur Volkswirtschaft belasten - ganz zu schweigen von Politik, Demokratie oder Menschenrechten - auch wenn sie hasserfüllte Verschwörungtheorien verbreiten?

Ein weiterer Aspekt: In den vergangenen acht Jahren haben die Vereinigten Staaten riesige Ressourcen in den Nahen Osten gepumpt, um dort Demokratie aufzubauen. Aber es steht [noch] nicht fest, ob dieses Projekt gelingen wird, so lange Amerikas natürliche Verbündete in der Region selbst in diesem so hochgradig irrationalen und illiberalen Zustand verharren.

Was kann man tun?

Hier ein bescheidener Vorschlag:

Der ägyptische Staat und seine Zeitungen unternehmen größte Anstrengungen, zu vermeiden, dass Autoren nicht mehr als Aussätzige behandelt werden, auch wenn sie nur leise ihre Sympathie mit Israel bekunden.

Westliche Institutionen sollten eine ähnliche Vorgehensweise übernehmen, indem sie allen Journalisten untersagen, dass sie in jenen verschiedenen Einrichtungen schreiben, wo sie ihre israelfeindlichen Plattformen aufbauen können. Schon diese Geste der kalten Schulter könnte diese ungebetenen Gäste zu einem anderen Zungenschlag veranlassen.

----------------
Amr Bargisi lebt in Kairo und ist ehemaliger Bartley Fellow des Wall Street Journal.

Hattip: Benny Peiser

Sonntag, November 30, 2008

Kardinal Taurans Blackout: Islam Auslöser für neue Gottsuche?

Ziemlich gewagt, was Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, am 28. November von sich gab. Er dankte „den Muslims“ dafür, dass sie, „Gott zurück in die öffentliche Sphäre Europas bringen“. Tags zuvor schien er wohl seinen interreligiösen Nachrichtenkanal abgeschaltet zu haben, denn was er da zu lesen bekam hätte ihn vielleicht von seiner vorlauten Bemerkung abgehalten. Und ist es nicht auffällig, dass ausgerechnet immer dann, wenn zum wiederholten Mal ein verheerender Anschlag wie der in Mumbai verübt wird, kuriale Stimmen zu vernehmen sind, die eine allzu simple Versöhnungssymbolik zwischen islamischer und (katholischer) christlicher Welt beschwören?

Toleranz wird zum Verbrechen wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann im „Zauberberg“)

In Kairo hatten Hunderte Moslems demonstriert, wie sie ihren christlichen Nachbarn, den Kopten, „Gott näherbringen“ wollen. Der muslimische Inhaber eines Ladens für Molkereiprodukte beschreibt hier den Angriff.

Muss ein „Interessanter Gott“ sein, den Tauran hier mit dem biblischen kompatibel machen will. Ein muslimischer Zeuge schildert: „Wie auf Knopfdruck stürmten plötzlich mit Knüppel, Langmessern und Eisenstangen bewaffnete Jugendliche aus allen Himmelsrichtungen zum Schauplatz des Geschehens.“ Der Anlass: Kopten hatten die Einweihung ihrer neuen Kirche mit einem Gottesdienst feiern wollen, also ein Gottesdienst für den Einen, dem Taurans Aussage zufolge beide Vertreter der Gläubigen anhängen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn in Nigeria Christen und Muslims aufeinander losgehen (oder wie vor Monaten in Kenia) erkenne ich - soweit mir das berichtet wird - keinen Grund, allein eine Seite dafür verantwortlich zu machen. Das wäre zu billig. Besonders in Nigeria schaukelt sich seit Jahren zwischen Pfingstlern und Muslims ein mörderischer Kampf hoch, dessen Ursache kaum noch erkennbar ist.

In Ländern mit dem Islam als beherrschender religiöser „Ordnungsmacht“ sind die Verhältnisse allerdings klar definiert: Christen müssen Diskriminierung und Verfolgung erleiden. Und so auch in Ägypten, wenn das Leid der Christen offiziell marginalisiert wird.

Der kürzlich von Seiten des Vatikan aufs Neue hochheilig beschworene „Gott, Abrahams, Issaks und Jakobs“, der zuletzt wieder als Übervater für eine gemeinsame „christlich-islamische Konferenz“ herhalten musste - ohne Beteiligung der Juden natürlich, weil doch „gerade zwischen Christentum und Islam so viele Gemeinsamkeiten“ bestünden (Wie z.B. auch zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und den christlichen Führen im Westjordanland. Auch da geht’s gegen die Juden), muss sich Gedanken ob seiner Gespaltenheit gemacht haben, wenn es seit dem 18. Oktober 1965 mit Formulierung der verhängnisvollen Schrift Nostra Aetate, einem unverbindlich-scholastisch verbrämten Geschreibsel, in dem es in Teil 3, der allerdings erst nach arabischen Protesten (!) gegen die alleinige Ausrichtung der Erklärung auf das Judentum hinzugefügt wurde, heißt:
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.“
Wenn das kein Blackout war! Und geht’s noch ein wenig schwammiger? Mit beinahe jeder christlichen Sekte hätte man diese Übereinkunft erzielen können. Was diese grandiose Fehlleistung für die heutige Zeit bedeutet, belegte wohl am treffendsten der kapitale Bock des niederländischen katholischen Bischofs von Breda, Tiny Muskens (71), im August 2007, der bei völlig klarem Verstand vorschlug, alle Gläubigen sollten Gott künftig Allah nennen. Dies fördere das wechselseitige Verständnis zwischen den Religionen: „Warum sollen wir nicht alle gemeinsam sagen: Wir nennen Gott fortan Allah?“

Schon zigmal ist dargelegt worden, dass Allah polytheistischen Ursprungs ist - mit dem jüdisch-christlichen Gott der ganzen (!) Bibel also nichts gemein haben kann, gleich, ob man den Koran, die Hadithen oder restliche arabische Geschichtsschreibung hernimmt. Es gibt in der Geschichte des Judentums meines Wissens auch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Glaube an den einen Gott sich zum Beispiel auf den Echnaton-Kult beziehe, auch wenn man gerne mit diesem Sujet kokettiert, da es höchst mystisch daherkommt. Deshalb werde ich jetzt darauf auch nicht mehr näher eingehen.

Für die Al-Azar-Universität in Kairo ist Allahs Herkunft kein Thema. Eigentlich kein Wunder - müsste man doch 1.400 Jahre islamisch-monolithischer Schockstarre auflösen. Genau das soll aber nicht passsieren…; wenigstens heute nicht, was bei der ungeheuren politischen Sprengkraft, die diese Frage enthält, mehr als verständlich ist. Auch der u.a. bei Wikipedia hilflos anmutende Versuch, zwischen dem hebräischen El oder Elohim einen Zusammenhang mit Allah zu konstruieren, oder der Verweis darauf, dass arabische Christen nicht selten auch Allah für den biblischen Gott verwenden, ist schon oft genug als sprachliche (!) Angleichung entzaubert worden, die immer wieder (als langweiliges) Argument dafür herhalten soll, dass Allah doch der Eine sei. Im Umkehrschluss müsste man schließlich davon ausgehen, dass der biblische Elohim ein Mondgott gewesen sei, nur weil man eine sprachliche Angleichung konstruieren kann. Und dass Allah sich auf den polytheistischen Mondgott bezieht dürfte heute kein Geheimnis mehr sein.

Wenn man der törichten Aussage des Kurienkardinals überhaupt etwas „Positives“ abgewinnen kann, dann diese: Kritische Christen werden sich mit ihrem Glauben und seiner Position zum (Politischen) Islam intensiver auseinandersetzen als bisher; und viele Atheisten werden den sich entwickelnden Denkprozess begleiten. Diese Diskussion wird nicht zuletzt wegen der modernen Kommunikationsmittel in die islamische Welt zurückschwappen - und die Rufe nach einer kritischen Hinterfragung des eigenen Glaubens bzw. nach einer ehrlichen Exegese des Islam werden lauter. Noch nicht laut genug, aber lauter. Vor 2001 war in dieser Hinsicht überhaupt nichts los.

Warum also keine Renaissance der Frage nach dem persönlichen Gott, die von der Aufklärung kassiert worden war? Warum nicht wieder mehr seelsorgerische Hinwendung an den Einzelnen, klare Predigten statt weniger (typisch protestantischer) Selbstzerfleischung, Pädagogisierung und Profanisierung biblischer Verkündigung? Wenn die Kirche das beherzigt wird sie die Lebendigkeit ausstrahlen, die ihr momentan in mancherlei Hinsicht fehlt. An einer Wahrheit wird sich wohl nichts ändern: Kirche wird da glaubwürdig, wo sie Wahrheiten offen ausspricht und dafür auch bereit ist, Nachteile oder gar Leiden in Kauf zu nehmen. Aber es reicht oft auch schon, wenn sie nicht satt und träge wird.

Hattip: H. M. Broder, Roger B.