Sonntag, November 30, 2008

Kardinal Taurans Blackout: Islam Auslöser für neue Gottsuche?

Ziemlich gewagt, was Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, am 28. November von sich gab. Er dankte „den Muslims“ dafür, dass sie, „Gott zurück in die öffentliche Sphäre Europas bringen“. Tags zuvor schien er wohl seinen interreligiösen Nachrichtenkanal abgeschaltet zu haben, denn was er da zu lesen bekam hätte ihn vielleicht von seiner vorlauten Bemerkung abgehalten. Und ist es nicht auffällig, dass ausgerechnet immer dann, wenn zum wiederholten Mal ein verheerender Anschlag wie der in Mumbai verübt wird, kuriale Stimmen zu vernehmen sind, die eine allzu simple Versöhnungssymbolik zwischen islamischer und (katholischer) christlicher Welt beschwören?

Toleranz wird zum Verbrechen wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann im „Zauberberg“)

In Kairo hatten Hunderte Moslems demonstriert, wie sie ihren christlichen Nachbarn, den Kopten, „Gott näherbringen“ wollen. Der muslimische Inhaber eines Ladens für Molkereiprodukte beschreibt hier den Angriff.

Muss ein „Interessanter Gott“ sein, den Tauran hier mit dem biblischen kompatibel machen will. Ein muslimischer Zeuge schildert: „Wie auf Knopfdruck stürmten plötzlich mit Knüppel, Langmessern und Eisenstangen bewaffnete Jugendliche aus allen Himmelsrichtungen zum Schauplatz des Geschehens.“ Der Anlass: Kopten hatten die Einweihung ihrer neuen Kirche mit einem Gottesdienst feiern wollen, also ein Gottesdienst für den Einen, dem Taurans Aussage zufolge beide Vertreter der Gläubigen anhängen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn in Nigeria Christen und Muslims aufeinander losgehen (oder wie vor Monaten in Kenia) erkenne ich - soweit mir das berichtet wird - keinen Grund, allein eine Seite dafür verantwortlich zu machen. Das wäre zu billig. Besonders in Nigeria schaukelt sich seit Jahren zwischen Pfingstlern und Muslims ein mörderischer Kampf hoch, dessen Ursache kaum noch erkennbar ist.

In Ländern mit dem Islam als beherrschender religiöser „Ordnungsmacht“ sind die Verhältnisse allerdings klar definiert: Christen müssen Diskriminierung und Verfolgung erleiden. Und so auch in Ägypten, wenn das Leid der Christen offiziell marginalisiert wird.

Der kürzlich von Seiten des Vatikan aufs Neue hochheilig beschworene „Gott, Abrahams, Issaks und Jakobs“, der zuletzt wieder als Übervater für eine gemeinsame „christlich-islamische Konferenz“ herhalten musste - ohne Beteiligung der Juden natürlich, weil doch „gerade zwischen Christentum und Islam so viele Gemeinsamkeiten“ bestünden (Wie z.B. auch zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und den christlichen Führen im Westjordanland. Auch da geht’s gegen die Juden), muss sich Gedanken ob seiner Gespaltenheit gemacht haben, wenn es seit dem 18. Oktober 1965 mit Formulierung der verhängnisvollen Schrift Nostra Aetate, einem unverbindlich-scholastisch verbrämten Geschreibsel, in dem es in Teil 3, der allerdings erst nach arabischen Protesten (!) gegen die alleinige Ausrichtung der Erklärung auf das Judentum hinzugefügt wurde, heißt:
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.“
Wenn das kein Blackout war! Und geht’s noch ein wenig schwammiger? Mit beinahe jeder christlichen Sekte hätte man diese Übereinkunft erzielen können. Was diese grandiose Fehlleistung für die heutige Zeit bedeutet, belegte wohl am treffendsten der kapitale Bock des niederländischen katholischen Bischofs von Breda, Tiny Muskens (71), im August 2007, der bei völlig klarem Verstand vorschlug, alle Gläubigen sollten Gott künftig Allah nennen. Dies fördere das wechselseitige Verständnis zwischen den Religionen: „Warum sollen wir nicht alle gemeinsam sagen: Wir nennen Gott fortan Allah?“

Schon zigmal ist dargelegt worden, dass Allah polytheistischen Ursprungs ist - mit dem jüdisch-christlichen Gott der ganzen (!) Bibel also nichts gemein haben kann, gleich, ob man den Koran, die Hadithen oder restliche arabische Geschichtsschreibung hernimmt. Es gibt in der Geschichte des Judentums meines Wissens auch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Glaube an den einen Gott sich zum Beispiel auf den Echnaton-Kult beziehe, auch wenn man gerne mit diesem Sujet kokettiert, da es höchst mystisch daherkommt. Deshalb werde ich jetzt darauf auch nicht mehr näher eingehen.

Für die Al-Azar-Universität in Kairo ist Allahs Herkunft kein Thema. Eigentlich kein Wunder - müsste man doch 1.400 Jahre islamisch-monolithischer Schockstarre auflösen. Genau das soll aber nicht passsieren…; wenigstens heute nicht, was bei der ungeheuren politischen Sprengkraft, die diese Frage enthält, mehr als verständlich ist. Auch der u.a. bei Wikipedia hilflos anmutende Versuch, zwischen dem hebräischen El oder Elohim einen Zusammenhang mit Allah zu konstruieren, oder der Verweis darauf, dass arabische Christen nicht selten auch Allah für den biblischen Gott verwenden, ist schon oft genug als sprachliche (!) Angleichung entzaubert worden, die immer wieder (als langweiliges) Argument dafür herhalten soll, dass Allah doch der Eine sei. Im Umkehrschluss müsste man schließlich davon ausgehen, dass der biblische Elohim ein Mondgott gewesen sei, nur weil man eine sprachliche Angleichung konstruieren kann. Und dass Allah sich auf den polytheistischen Mondgott bezieht dürfte heute kein Geheimnis mehr sein.

Wenn man der törichten Aussage des Kurienkardinals überhaupt etwas „Positives“ abgewinnen kann, dann diese: Kritische Christen werden sich mit ihrem Glauben und seiner Position zum (Politischen) Islam intensiver auseinandersetzen als bisher; und viele Atheisten werden den sich entwickelnden Denkprozess begleiten. Diese Diskussion wird nicht zuletzt wegen der modernen Kommunikationsmittel in die islamische Welt zurückschwappen - und die Rufe nach einer kritischen Hinterfragung des eigenen Glaubens bzw. nach einer ehrlichen Exegese des Islam werden lauter. Noch nicht laut genug, aber lauter. Vor 2001 war in dieser Hinsicht überhaupt nichts los.

Warum also keine Renaissance der Frage nach dem persönlichen Gott, die von der Aufklärung kassiert worden war? Warum nicht wieder mehr seelsorgerische Hinwendung an den Einzelnen, klare Predigten statt weniger (typisch protestantischer) Selbstzerfleischung, Pädagogisierung und Profanisierung biblischer Verkündigung? Wenn die Kirche das beherzigt wird sie die Lebendigkeit ausstrahlen, die ihr momentan in mancherlei Hinsicht fehlt. An einer Wahrheit wird sich wohl nichts ändern: Kirche wird da glaubwürdig, wo sie Wahrheiten offen ausspricht und dafür auch bereit ist, Nachteile oder gar Leiden in Kauf zu nehmen. Aber es reicht oft auch schon, wenn sie nicht satt und träge wird.

Hattip: H. M. Broder, Roger B.

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