Samstag, Juni 13, 2009

Iran: Die üblichen Reaktionen

Abgesehen davon, dass es bei einem Wahlsieg Mussawis höchst unwahrscheinlich zu innenpolitischen Reformen gekommen und das Atomwaffenprogramm weitergeführt worden wäre, ist die Reaktion der Massenmedien wieder einmal bezeichnend für das Verhältnis des Westens zur islamischen Diktatur in Teheran.

Haben Sie heute die Tagesschau um 20.00 h gesehen?

Peter Mezger (Tatsächlich ohne „t“) vom Bayerischen Rundfunk, der sich früher schon hin und wieder als "Nahost-Spezialist" präsentiert hatte, insbesondere in Gesprächen mit Avi Primor (Avis Lehrstunde, SZ) und Marcel Pott:
"Die bange Frage ist, ob die Anhänger Mussawis ihre Niederlage eingestehen werden".
Allein dieser Ekel erregende Satz sagt wohl mehr aus als viele ellenlangen Kommentare, die morgen und in den nächsten Tagen abgefasst und in der Mehrzahl einen ähnlichen Zungenschlag haben werden wie die Formulierung Mezgers. Die Regimekritiker haben gefälligst das Maul zu halten, eventuelle Wahlfälschungen zu akzeptieren und weitere vier Jahre darauf zu warten, ob Ahmadinejad vielleicht die bisher verborgene Demokratiefähigkeit in sich entdeckt. Das ist die unausgesprochene Botschaft. Ja nicht in Schwierigkeiten verwickelt werden und selbst als Journalist auch keine Öffentlich-Rechtliche Aufregung oder Bewusstseinsbildung auslösen!

Sätze wie dieser von Peter Mezger sind genau das, was der westliche Mainstream braucht. Das Dumme daran ist aber, dass sie die iranische Opposition nicht braucht.

Und haben Sie schon eine Reaktion der Friedensbewegten vernommen - von der Entwicklung in Nordkorea ganz zu schweigen? Aber vielleicht habe ich es ja auch zu eilig....

Ach ja, der Fairness halber sollte man diese Information nicht auslassen: Grünen-Vorsitzende Claudia Roth meldet pflichtschuldigst verhaltenen Protest an - der Wächterrat habe nur vier von 1.400 angemeldeten Kandidaten zur Wahl zugelassen.

Na, da sind wir aber so was von überrascht. Und Fraktionsvize Jürgen Trittin forderte, so der Focus im letzten Absatz seines Artikels, eine „glaubhafte Untersuchung über das Ausmaß von Wahlfälschungen“. Bundesregierung, EU und die internationale Gemeinschaft müssten dies mit Nachdruck einfordern. Herr Trittin sollte sich daran erinnern, was er nach der letzten Wahl gesagt hat - nämlich nichts. Und da lief es ähnlich ab.

Donnerstag, Juni 11, 2009

Aufmerksamkeit auf jüdische Flüchtlinge richten

Das Leid der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern ist bis heute von der Welt ignoriert worden. Pogrome, diskriminierende Gesetze, Enteignungen und Vertreibungen, denen sich die Juden in Marokko, Libyen, Ägypten, Jemen, Libanon, Syrien, Irak, Bahrain, Tunesien und Algerien über Jahrzehnte hinweg ausgesetzt sahen, sorgten für verschwindend wenig Medieninteresse.

Abbildung oben rechts: Jemenitische Juden, die 1949 über den Luftweg nach Israel kamen. Ein sehr beeindruckendes und bewegendes Bild wie ich finde. Zum Vergrößern bitte draufklicken. Bildquelle ausnahmsweise einmal Wikimedia

Doch heute rückt die Bewertung dieser Geschehnisse etwas mehr an die Peripherie der öffentlichen Wahrnehmung, nicht zuletzt auch deshalb, weil der libysche Diktator Muammar Gaddafi den Wunsch äußerte, sich während seines Italien-Besuches mit Juden zu treffen, die heute in Rom leben, was bei diesen aber
gemischte Gefühle hervorgerufen hatte, weil man einerseits berechtigte Schadensansprüche anmelden kann, gleichzeitig aber skeptisch ist, da man davon ausgehen muss, dass Gaddafi ein solches Treffen eher zur Propaganda denn zur Aussöhnung nutzt. Dass Gaddafi diesen Gesprächstermin auch noch auf den Sabbat terminiert hat, lässt sein Ansinnen nicht unbedingt glaubwürdiger erscheinen.(1)

Präzisieren wir die Zahlen, was das jüdische Leben in Libyen betrifft: Die synagogale Gemeinde lässt sich bis in die frühe römische Epoche zurückverfolgen, und zum Ende des Zweiten Weltkrieges lebten noch 38.000 Juden in dem nordafrikanischen Land. Aber nach antijüdischen Pogromen 1945 und 1948 sank ihre Zahl ständig. Nachdem Gaddafi 1969 erfolgreich geputscht hatte, konfiszierte der fanatische Israelhasser sämtliches jüdische Eigentum und strich alle Verbindlichkeiten, die gegenüber jüdischen Gläubigern bestanden. Heute ist eine jüdische Gemeinde in Libyen praktisch nicht mehr vorhanden. (2)


Die Situation im Jemen


Die dramatische Evakuierungswelle
Operation Fliegender Teppich im Jahr 1949 hat das Kapitel eines langen Leidensweges der Jüdischen Gemeinde, deren Gründungsgeschichte bis in biblische Zeiten zurückreicht, nicht geschlossen. Und der Mord an Rabbi Moshe al-Nahari im letzten Jahr erinnert Lyn Julius noch einmal an den schleichenden Exodus der jüdisch-jemenitischen Gemeinde:
Juden, Stammesfürsten, Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälte stimmen darin überein, dass die Bedrohung einen absoluten Höchststand erreicht habe. Nach dem Mord an Moshe al-Nahiri wurden die Juden in ihren eigenen Häusern belagert und ihre Fenster mit Molotowcocktails beworfen. Moshes Bruder, Rabbiner Yahia Ya'ish, appellierte flehentlich an die Regierung: "Schützen Sie uns oder ermöglichen Sie unsere Auswanderung"…
Eine Lektion, die man aus diesem endgültigen Exodus der Juden aus dem Jemen ziehen kann ist die, dass die arabische Welt nicht einmal antizionistische Juden toleriert. Und was nützt Mitleid für den verlassenen Rest von etwa 380 Juden heute, wenn man ihre Sicherheit nicht garantieren kann? Also bleibt für viele nur die Auswanderung . (3)

Nahost allgemein


Der Blog Point of No Return liefert eine sehr wichtige Analyse zu Präsident Obamas Rede und spricht die angebliche Gleichwertigkeit zwischen jüdischen und palästinensischen 'Historien’ an.
In Wahrheit ist die Lage der Palästinenser die unbeabsichtigte Nebenerscheinung eines fehlgeschlagenen antisemitischen Genozidprojekts. Und dieses Projekt wurde vom Hitlerregime und der palästinensischen Führung vorangetrieben.

Radikalisierte Araber machten sich zu Helfershelfern. Sie wurden
niemals wegen ihrer Mittäterschaft zur Verantwortung gezogen. Genau genommen wurde das Genozidprojekt der Araber von 1948 ("Dies ist ein Ausrottungskrieg und ein folgenschweres Massaker, von dem man in einem Atemzug mit den Gemetzeln der Mongolen und Kreuzfahrer sprechen wird" - Azzam Pasha, damals Generalsekretär der arabischen Liga) an zwei Fronten durchgeführt; es war ein Krieg gegen die Juden in der arabischen Welt und es war ein Krieg gegen die Juden in Palästina.

Die ''Anstrengung", die arabische Welt von Juden „ethnisch zu säubern“, hatte durchschlagenden Erfolg; aber in Palästina siegten die Juden auf wundersame Weise gegen den arabischen Versuch, sie in der einzig verbliebenen Ecke des Nahen Ostens zu zerstören, die sie ihre Heimat nennen können.

Über wie viele Flüchtlinge sprechen wir eigentlich?

Einem ausgezeichneten Bericht der
NY Times zufolge aus dem Jahr 2003 lebten noch bis 1948 etwa 856.000 Juden in den arabischen Ländern - zum Erhebungszeitpunkt im Jahr 2001 lediglich noch 7.800, wie die American Sephardi Federation berichtet. Etwa 600.000 Juden gingen nach Israel, der Rest in die USA und nach Westeuropa.

Obama, Mitchell und Clinton setzen heute Friedensgespräche ganz oben auf die Tagesordnung, ja, sie
diktieren Israel sogar, wie es sich „richtig“ zu verhalten habe. Warum sollte dann das Schicksal der jüdischen Flüchtlinge nicht ebenso wahrgenommen werden wie das der Palästinenser und Gegenstand zukünftiger Verhandlungen sein? Fragen wie Entschädigungsleistungen, Bevölkerungsaustausch und die Darstellung des eigenen Leides und ihrer Vertreibung müssen Gegenstand der Agenda sein, um die internationale Sympathie, die den Palästinensern entgegengebracht wird, in eine vernünftige Relation zur Gesamtsituation seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu setzen. (3)

Betrachtet man Obamas Kairoer Rede zusätzlich unter diesem Gesichtspunkt und besonders seine merkwürdige Formulierung, die Geschichte des Islam weise eine „stolze Tradition der Toleranz gegenüber anderen Religionen“ auf, dann stimmt es umso trauriger, wenn er mit keiner Silbe erwähnt, dass jene Juden, deren Vorfahren lange vor der Machtentfaltung des Islam in den arabischen Ländern gelebt hatten, die ersten Opfer seines zügellosen religiösen Nationalismus wurden, wie
Andre Aciman zu Recht anmerkt.

Zitieren wir doch kurz noch einmal zwei Sätze, die Obama in Kairo sprach und nehmen wir den Mann beim Wort:
Wie der Heilige Koran uns lehrt: ”Sei Gott gewärtig und spreche immer die Wahrheit.“ Das werde ich heute versuchen – ich werde die Wahrheit sagen, so gut ich das kann; demütig angesichts der Aufgabe, die vor uns liegt, und fest in meinem Glauben, dass die Interessen, die uns als Menschen gemein sind, viel stärker sind als die Kräfte, die uns entzweien.
Zur Wahrheit…“so gut man das kann und demütig“…gehört auch, dass in dem Land, das er besuchte, Juden vertrieben, misshandelt und umgebracht worden sind und ihnen alles abgenommen wurde bis auf das, was sie gerade so noch mit sich nehmen konnten. Der Wahrheit entspricht es auch, dass dort die heutige Geißel der arabischen Welt, der islamische Nationalismus, seine Wurzel hat. Aber das war der Wahrheit dann doch etwas zu viel für den Hoffnungsträger der pazifistischen Welt.

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Quelle:
HonestReporting (leicht überarbeitet; deshalb hier auf Castollux)

Sehr lesenswert und informativ: Der Blog Nach der Wahrheit graben hat eine ausführliche und sorgfältige Zusammenstellung zum Thema geschrieben, darunter auch Lyn Julius übersetzt und kommentiert.

(1) Hintergrundinformation: The Final Exodus of the Libyan Jews in 1967
(2) Quelle: Reuters
(3) Hintergrundinformation: The Jews of Yemen
(4) Ausführlich: The Forgotten Narrative: Jewish Refugees from Arab Countries.

Montag, Juni 08, 2009

Noch stehen die Zedern im Libanon

Als ich am Sonntag in einem Wahllokal meiner Heimatstadt als stellvertretender Wahlvorstand fungierte (Ja, schimpft mich ruhig), dachte ich natürlich mehr über die abgelaufenen Europawahlen und die Gründe für die schlechte Wahlbeteiligung nach, die heute landauf, landab breit diskutiert worden sind. Zeit genug hatte ich ja…; das lenkte mich ein wenig von den weitaus bedeutsameren Wahlen ab, was die internationalen Konsequenzen betrifft, die gleichzeitig im Libanon stattfanden.

Große Erleichterung allerorten, wie der überwiegende Teil der westlichen Massenmedien euphorisch konstatierte, und die gute Nachricht gleich vorweg - denn sonst gibt es eigentlich keine: Schummeleien dürfte es kaum gegeben haben, da beide Lager in etwa die Stimmenanteile bekamen, die sie bisher hatten - im Vergleich zur Ausgangslage eigentlich sogar ein Patt. Die als prowestlich eingestufte Riege um Ministerpräsident Siniora errang Focus zufolge* 68 Sitze (vorher 70) und die Hisbollah zusammen mit der verbündeten Freie Patriotische Bewegung (CPL) des christlichen Exgenerals Michel Aoun 57 (vorher 58). Als sicher gilt heute schon, dass Saad Hariri, Sohn des im Februar 2005 ermordeten Ministerpräsidenten Rafik Hariri, das Amt des Premiers übernehmen wird. Aber was gilt im Libanon schon als sicher, außer dass Hisbollah-Chef Nasrallah seit 2006 heimlicher Herrscher zumindest des Südlibanon und der südlichen Stadtteile Beiruts ist?

Muss man kollektiv in Jubel ausbrechen und wie Focus Online bereitwillig die optimistischen Verlautbarungen des scheidenden libanesischen Ministerpräsidenten übernehmen oder gar in Triumphgeschrei wie der Tagespiegel in seiner Schlagzeile, um nur zwei Beispiele herauszugreifen?

Zweifel sind angebracht.


Schon die Verwendung der Phrase „prowestlich unter Führung der Sunniten“ verbirgt mehr Unrühmliches als sie Gutes glauben machen will, denn Sinioras unfaire Ausfälle gegen Israel im Libanonkrieg 2006, seine unverhohlene Kumpanei mit der UNIFIL damals und schon vor Kriegsausbruch sowie der begeisterte Empfang, den die komplette libanesische Führungsriege dem Kindermörder Samir Kuntar und seinen vier Terrorkumpanen letztes Jahr nach dessen Freilassung aus israelischer Haft bereitet hatte**, zeigen, dass man sich mit Lobeshymnen eher bedeckt halten sollte. Von der Führung eines Landes, das einst als Schweiz des Nahen Ostens bezeichnet wurde und seit 1982 als Brückenkopf für die Expansionsgelüste Teherans dient, kann man alles Mögliche erwarten, nur keine stabile Amtsführung für die anstehende Legislaturperiode. Und auch auf Saad Hariri sollte man nicht bei den Buchmachern wetten - wenn’s heikel wird setzt er sich nach Saudi Arabien ab, wie schon 2008.

Und dann das Wahlergebnis: Die Zahlen geben alles andere als einen „Triumph“ her; bestenfalls eine Bestätigung des negativen Trends im Vergleich zur Hisbollah vor vier Jahren, obwohl die Christen (Anhänger des Maroniten Aoun nicht eingerechnet) bei dieser Wahl einen sehr hohen Mobilisierungsfaktor erreichten. Und auch wenn Israels Verteidigungsminister Barak den Wahlsieg des sunnitisch-maronitischen Wahlbündnisses - mehr ist es mit Sicherheit nicht - als „definitiv gutes Zeichen“ ansieht (was soll er sonst sagen?) und Taliban-„Fachmann“ Steinmeier „ein ermutigendes Signal nicht nur für den Libanon, sondern für die gesamte Region“ erkennen will, darf nicht übersehen werden, wer den höchsten (para-) militärischen Organisationsgrad im Land besitzt - die Hisbollah.

Wer hatte sich der Hisbollah und der Amal (Harakat Amal) im Mai 2008 in den Weg gestellt, als sie in einer Art Staatsstreich Westbeirut besetzte und die Regierung, die sich „einbunkerte“ und heute noch ob des Drohpotentials der Hisbollah paralysiert ist, zur Untätigkeit verurteilte? Niemand.

Und wie soll Regierungshandeln in Zukunft möglich sein, wenn die Hisbollah sich seitdem ein Vetorecht erpresst hat, das sämtliche Entscheidungen gegen sie unmöglich macht? Das erforderte das Ausscheiden der Hisbollah-Vertreter aus dem Kabinett.

Wo ist die Regierung, wenn die Hisbollah - Staat im Staate - militärische Manöver abhält, die nichts, aber auch gar nichts mit der Landesverteidigung zu tun haben und dabei, wie so oft seit 2006 - gegen die UNO-Resolution 1701 verstößt?

Avigdor Liebermann und Benjamin Netanyahu haben unmittelbar nach ihrem Wahlsieg in Israel darauf hingewiesen, dass ihre zukünftige Politik gegenüber den Palästinensern nicht isoliert vom Verhalten des Iran und seinem Proxy, der Hisbollah, gesehen werden kann.

Stimmt.

Dass deshalb die weitere innenpolitische Entwicklung des Libanon als Indikator für zukünftige Entscheidungen Israels auch im Umgang mit Hamas und Konsorten auf palästinensischer Seite gesehen werden muss, entspricht zwangsläufig und notgedrungen dieser Logik - auch wenn Herr Obama und die EU das gerne anders sähen. Die Zedern im Libanon stehen noch, und die Staatsflagge des Landes verweist darauf auch nachdrücklich. Doch Flaggen können grafisch umgestaltet werden. Dazu braucht es nur ein „Weiter so“ des Westens im Umgang mit der Terrororganisation Hisbollah.

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*Die Angaben variieren je nach Quelle ein wenig. Und das endgültige Ergebnis steht noch nicht fest.
** Die Freilassung erfolgte im Austausch gegen die Leichen der israelischen Reservisten Eldat Regev und Ehud Goldwasser Ende Mai 2008. Mehr dazu auf Lizas Welt, der dazu einen ausführlichen Kommentar verfasst hatte.