Montag, Juni 08, 2009

Noch stehen die Zedern im Libanon

Als ich am Sonntag in einem Wahllokal meiner Heimatstadt als stellvertretender Wahlvorstand fungierte (Ja, schimpft mich ruhig), dachte ich natürlich mehr über die abgelaufenen Europawahlen und die Gründe für die schlechte Wahlbeteiligung nach, die heute landauf, landab breit diskutiert worden sind. Zeit genug hatte ich ja…; das lenkte mich ein wenig von den weitaus bedeutsameren Wahlen ab, was die internationalen Konsequenzen betrifft, die gleichzeitig im Libanon stattfanden.

Große Erleichterung allerorten, wie der überwiegende Teil der westlichen Massenmedien euphorisch konstatierte, und die gute Nachricht gleich vorweg - denn sonst gibt es eigentlich keine: Schummeleien dürfte es kaum gegeben haben, da beide Lager in etwa die Stimmenanteile bekamen, die sie bisher hatten - im Vergleich zur Ausgangslage eigentlich sogar ein Patt. Die als prowestlich eingestufte Riege um Ministerpräsident Siniora errang Focus zufolge* 68 Sitze (vorher 70) und die Hisbollah zusammen mit der verbündeten Freie Patriotische Bewegung (CPL) des christlichen Exgenerals Michel Aoun 57 (vorher 58). Als sicher gilt heute schon, dass Saad Hariri, Sohn des im Februar 2005 ermordeten Ministerpräsidenten Rafik Hariri, das Amt des Premiers übernehmen wird. Aber was gilt im Libanon schon als sicher, außer dass Hisbollah-Chef Nasrallah seit 2006 heimlicher Herrscher zumindest des Südlibanon und der südlichen Stadtteile Beiruts ist?

Muss man kollektiv in Jubel ausbrechen und wie Focus Online bereitwillig die optimistischen Verlautbarungen des scheidenden libanesischen Ministerpräsidenten übernehmen oder gar in Triumphgeschrei wie der Tagespiegel in seiner Schlagzeile, um nur zwei Beispiele herauszugreifen?

Zweifel sind angebracht.


Schon die Verwendung der Phrase „prowestlich unter Führung der Sunniten“ verbirgt mehr Unrühmliches als sie Gutes glauben machen will, denn Sinioras unfaire Ausfälle gegen Israel im Libanonkrieg 2006, seine unverhohlene Kumpanei mit der UNIFIL damals und schon vor Kriegsausbruch sowie der begeisterte Empfang, den die komplette libanesische Führungsriege dem Kindermörder Samir Kuntar und seinen vier Terrorkumpanen letztes Jahr nach dessen Freilassung aus israelischer Haft bereitet hatte**, zeigen, dass man sich mit Lobeshymnen eher bedeckt halten sollte. Von der Führung eines Landes, das einst als Schweiz des Nahen Ostens bezeichnet wurde und seit 1982 als Brückenkopf für die Expansionsgelüste Teherans dient, kann man alles Mögliche erwarten, nur keine stabile Amtsführung für die anstehende Legislaturperiode. Und auch auf Saad Hariri sollte man nicht bei den Buchmachern wetten - wenn’s heikel wird setzt er sich nach Saudi Arabien ab, wie schon 2008.

Und dann das Wahlergebnis: Die Zahlen geben alles andere als einen „Triumph“ her; bestenfalls eine Bestätigung des negativen Trends im Vergleich zur Hisbollah vor vier Jahren, obwohl die Christen (Anhänger des Maroniten Aoun nicht eingerechnet) bei dieser Wahl einen sehr hohen Mobilisierungsfaktor erreichten. Und auch wenn Israels Verteidigungsminister Barak den Wahlsieg des sunnitisch-maronitischen Wahlbündnisses - mehr ist es mit Sicherheit nicht - als „definitiv gutes Zeichen“ ansieht (was soll er sonst sagen?) und Taliban-„Fachmann“ Steinmeier „ein ermutigendes Signal nicht nur für den Libanon, sondern für die gesamte Region“ erkennen will, darf nicht übersehen werden, wer den höchsten (para-) militärischen Organisationsgrad im Land besitzt - die Hisbollah.

Wer hatte sich der Hisbollah und der Amal (Harakat Amal) im Mai 2008 in den Weg gestellt, als sie in einer Art Staatsstreich Westbeirut besetzte und die Regierung, die sich „einbunkerte“ und heute noch ob des Drohpotentials der Hisbollah paralysiert ist, zur Untätigkeit verurteilte? Niemand.

Und wie soll Regierungshandeln in Zukunft möglich sein, wenn die Hisbollah sich seitdem ein Vetorecht erpresst hat, das sämtliche Entscheidungen gegen sie unmöglich macht? Das erforderte das Ausscheiden der Hisbollah-Vertreter aus dem Kabinett.

Wo ist die Regierung, wenn die Hisbollah - Staat im Staate - militärische Manöver abhält, die nichts, aber auch gar nichts mit der Landesverteidigung zu tun haben und dabei, wie so oft seit 2006 - gegen die UNO-Resolution 1701 verstößt?

Avigdor Liebermann und Benjamin Netanyahu haben unmittelbar nach ihrem Wahlsieg in Israel darauf hingewiesen, dass ihre zukünftige Politik gegenüber den Palästinensern nicht isoliert vom Verhalten des Iran und seinem Proxy, der Hisbollah, gesehen werden kann.

Stimmt.

Dass deshalb die weitere innenpolitische Entwicklung des Libanon als Indikator für zukünftige Entscheidungen Israels auch im Umgang mit Hamas und Konsorten auf palästinensischer Seite gesehen werden muss, entspricht zwangsläufig und notgedrungen dieser Logik - auch wenn Herr Obama und die EU das gerne anders sähen. Die Zedern im Libanon stehen noch, und die Staatsflagge des Landes verweist darauf auch nachdrücklich. Doch Flaggen können grafisch umgestaltet werden. Dazu braucht es nur ein „Weiter so“ des Westens im Umgang mit der Terrororganisation Hisbollah.

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*Die Angaben variieren je nach Quelle ein wenig. Und das endgültige Ergebnis steht noch nicht fest.
** Die Freilassung erfolgte im Austausch gegen die Leichen der israelischen Reservisten Eldat Regev und Ehud Goldwasser Ende Mai 2008. Mehr dazu auf Lizas Welt, der dazu einen ausführlichen Kommentar verfasst hatte.

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