Donnerstag, Januar 19, 2012

"Deutsche Opfer sind keine Täter"

Leseempfehlung

Lizas Welt
: Karneval der Empörten

In Magdeburg wurde anlässlich einer Nazi-Demo und der Proteste dagegen vollends ununterscheidbar, wer auf welcher Seite steht.*

 
VON TJARK KUNSTREICH UND JOEL NABER

Die Häftlingsuniformen reichten nicht, auch die Gesichter hatten sie sich grau angemalt, um die Wohlstandsrosigkeit zu kaschieren: Eine Gruppe von Demonstranten, die gegen den Nazi-Aufmarsch in Magdeburg am 14. Januar protestieren wollten, hatte sich da etwas ganz Besonderes ausgedacht. Allerdings waren sie nicht barfuß unterwegs oder in Holzschuhen; so sieht man auf dem Foto oben die Markenschuhe, die Authentizität hat schließlich ihre Wettergrenzen. Wer nun vermutet, dass es sich hier um besonders radikale Gegner handelte, die zu jeder Form der Verhinderung eines Aufmarsches der Nazis bereit gewesen wären, hat weit gefehlt. Nicht nur, dass man sich schlicht auf die Straße legte, um sich wegtragen zu lassen. Um den Anschein allzu großer Identifikation mit den Opfern des Nationalsozialismus gar nicht erst aufkommen zu lassen, legten diese Leute eine Erklärung in Form eines Transparents vor, auf dem stand: »FÜR DAS ERINNERN – Wir trauern um jeden Menschen, den wir an den Faschismus verlieren«.

Erinnern an was? Und wer ist das »Wir«, das Menschen an den Faschismus verliert? Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich an die Stelle der Opfer setzt und die schon für sich genommen pervers ist, setzt sich reibungslos fort in der Nonchalance, mit der im selben Moment die Opfer des Nationalsozialismus durch die Nazis ersetzt werden, »die wir an den Faschismus verlieren«. Was suggeriert das anderes als: Wir könnten uns doch, im ERINNERN, so gut verstehen! Diese Ergänzung des Nazi-Gedenkens an die Bombardierung Magdeburgs steht in der schlechten Tradition des DDR-Antifaschismus, der schon immer die Opfer der Vernichtung vereinnahmte und damit zugleich zum Verschwinden brachte – doch es geht noch eine Stufe weiter: Das kämpferische Moment der Kommunisten ist der Identifikation mit der den Opfern zugedachten Passivität gewichen, die als Unschuld imaginiert wird.

Ehemalige KZ-Häftlinge haben zu verschiedenen Gelegenheiten ihre Uniformen wieder angezogen – manchmal auch solche Überlebende, die nicht im KZ waren –, um beispielsweise gegen Berufsverbote zu protestieren oder für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter zu demonstrieren. Schon das war fragwürdig, aber es war die Sache der Überlebenden. Allerdings war ihr Erscheinen vor dem Majdanek-Prozess oder anlässlich von IG-Farben-Aktionärsversammlungen Ausdruck ihres Interesses und ihrer Anliegen – gegen eine Gesellschaft, die die Tatsache, dass sie diese Uniformen einst trugen, verleugnete. Mit dem Tod der Überlebenden hat sich diese Form des moralischen Appells gegen das Vergessen erledigt. Nicht erledigt hat sich dagegen offenbar die Attraktivität des Opferstatus – die obszöne Verkleidung bringt schlafwandlerisch die neueuropäische Moral der Empörten zum Ausdruck, die sich von den Altnazis gestört fühlt, aber sie instinktiv auf ihrer Seite zu wissen wünscht. Denn an Gemeinsamem – dem ERINNERN an die Schrecken des alliierten Bombenkriegs und an die Gegenwart der fortdauernden Schrecken des globalisierten Kapitalismus – mangelte es doch nicht.
 
Dass sich das in Magdeburg abspielt, jener Hochburg der Vereinigung von west- und ostdeutschem Antiimperialismus, ist kein Zufall: Von allem war die Rede vor diesem Nazi-Aufmarsch, nur nicht vom Antisemitismus und vom Hass auf Israel. Wer davon spräche, würde im Handumdrehen Demonstranten wie Gegendemonstranten vereint gegen sich sehen. Die europäische Unschuld, die heute lieber morden lässt, statt selbst zu morden, fühlt sich von den bösen ewiggestrigen Nazis, denen man zumindest zugestehen muss, dass sie negativ die Wahrheit der europäischen Geschichte repräsentieren, eben so sehr gestört, wie sie sie zur Selbstvergewisserung braucht. In wenigen Wochen wird sich das Gleiche in Dresden abspielen, eine Selbstversicherung für deutsche Antifaschisten, die ohne Nazis in eine Identitätskrise gerieten – nicht von ungefähr sah man auf der Seite der Gegendemonstranten kein Transparent, das die Lüge von den »alliierten Mördern« angegriffen hätte. Denn darin ist man sich einig: Deutsche Opfer sind keine Täter.

------------
Quelle: Lizas Welt

*Man beachte besonders die theaterreife Pieta-Darstellung der Figur links im Bild. Im Wohlstand lässt's sich halt doch am besten leiden.

Fundstück: "Waschzwang statt Katharsis"



Nathan Waszawski mit einer fulminanten Bestandsaufnahme zur Verlogenheit deutscher Pazifisten*

Wenn ultra-orthodoxe Juden das Unrecht in die eigene Hand nehmen, um jüdische Kinder zu ängstigen und jüdische Frauen zu belästigen, dann demonstrieren säkulare und orthodoxe Juden gemeinsam gegen die erbärmliche Ideologie der Fundamentalisten.
Wenn deutsche Pazifisten gegen Antisemiten in den eigenen Reihen vorgehen, dann suchen sie einen Sündenbock und finden ihn in Juden und in Israel.

Der Aachener Friedenspreis lädt am Samstag, 21. Januar 2012, zu einem Seminar ein mit dem Thema „Herausforderung Antisemitismus“.


Die Referenten sind Dr. Dr. Peter Ullrich von der Universität Leipzig und Prof. Dr. Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin.

Peter Ullrichs Buch „Die Linke, Israel und Palästina“ trägt ein buntes Cover mit einem Bild des ehemaligen Premierministers Israels Ariel Sharon unter dem Schriftzug „Ethnischer Säuberer“. Peter Ullrich hat bereits Erfahrungen im Schönreden des Antisemitismus der Linken, die er zum Wohl des Aachener Friedenspreises einsetzen wird. Wolfgang Benz findet, dass nicht die Hartz-IV-Empfänger, sondern die Muslime die Juden von heute sind, sieht heutige Muslime in Deutschland genauso gefährdet wie Juden in der Zeit vor dem Dritten Reich. Bei 1.500.000.000 Muslimen weltweit, mehr als 50 islamischen Staaten, mehr als 4.000.000 Muslime in Deutschland, die 5% der Bevölkerung ausmachen, ist eine übergroße intellektuelle Toleranz von Vorteil, um seiner These zu folgen.

Organisiert wird das Seminar zum Abschrubben des pazifistischen Antisemitismus vom Arbeitskreis NahOst im Aachener Friedenspreis. Die Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises hören sich wie Orwellsche pazifistische Kriegstreiberei an, die Goebbels gefallen würde:

Wir warnen vor Kriegsdrohungen Israels gegen Iran.
Die Behauptung, der Iran beabsichtige die Vernichtung Israels, entbehrt jeglicher rationalen Grundlage.
Am nuklearen Wettrüsten sind Israel, Indien, Pakistan und die USA schuld.
Israels Geschichte ist voll von Angriffskriegen.