Samstag, Juni 20, 2009

Mach' brav Männchen und schwätze darüber!

Dietmar Näher von Politisch Korrekt (heute nennt sich sein Projekt Politblogger) mit einer "Neuigkeit", die mich umhaut:
Palästinenser retten israelische Siedlerin und ihr Baby
Eine beherzte und gute Tat, zweifellos; und eigentlich eine Selbstverständlichkeit für empathiefähige Menschen. Doch Herr Näher reicht das nicht. Er will ein Klagelied singen - ähnlich wie unsere Qualitätsjournalisten der Öffentlich-Rechtlichen, denn....
...in den meisten anderen Ländern hätte eine Begebenheit wie die folgende sicherlich keinen Nachrichtenwert. Doch im Westjordanland, wo sich israelische Siedler und Palästinenser spinnefeind gegenüber stehen, ist das anders....
Dass neben Al-Jazeera und der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan zumindest auch die Jerusalem Post den Vorfall aufgreift, kann (konnte) man nur in seinem Forum nachlesen, das er zwischenzeitlich für diesen Beitrag deaktiviert hat. Warum wohl? Er wurde nach der Quelle befragt und musste damit wohl oder übel rausrücken.

Zudem verschweigt der barmherziger Samariter eine Kleinigkeit: Jedes Jahr werden in israelischen Krankenhäusern Tausende Palästinenser medizinisch versorgt und geheilt, ohne dass darüber in den westlichen Medien berichtet wird oder Israel das an die große Glocke hängt.


Namen fehlen in den zitieren Berichten - aber das spielt bei unserem Investigativjournalisten Dietmar keine Rolle. Mit einer billigen semantischen Verknüpfung will er auf einen Irrsinn hinweisen:
Ironie der Geschichte: Entlang der Dorfstraße, auf der es zu dem Unfall kam, hat die israelische Armee damit begonnen, die umstrittene Sperranlage zu erweitern, die - so sehen es zumindest die Israelis - die Siedler vor gewaltsamen Übergriffen der Palästinenser schützen soll. Was für ein Irrsinn.
Irrsinn ist also Nähers Ansicht nach, dass Israelis sich vor hilfsbereiten Palästinensern schützen wollen. Er weiß es zwar besser, aber ein wenig Propaganda kann ja nicht schaden.

Vielleicht sollte sich Dietmar beim SWR bewerben - für den Schneideraum.

Donnerstag, Juni 18, 2009

Brüller des Tages von Klaus Ernst, MdB, Die Linke

Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender von Die Linke im Bundestag, sorgte heute für ein denkwürdiges Ereignis: Er lieferte einen der besten und passendsten Versprecher, den ich in letzter Zeit gehört habe. Und tiefenpsychologisch sehr bedeutsam....

Bekannt dafür, dass er sich schnell in Rage redet, wollte er eigentlich sagen:
Angesichts der Tasache, dass sich der Bürger heute nicht mehr traut....
Doch wurde dies d'raus:
Angesichts der Tatsache, dass man dem Bürger heute nicht mehr trauen kann....
Brüllendes Gelächter im Plenum. Und nicht nur dort.

Mittwoch, Juni 17, 2009

Ulrich Pick in Teheran: Hardliner nicht gleich Hardliner

Diesen Gedanken scheint ARD-Hörfunkreporter Ulrich Pick (Abbildung; Quelle: NDR) verinnerlicht zu haben. Wenn er in diesen Tagen telefonisch aus Teheran zugeschaltet wird, sollte man eigentlich froh sein, dass mit ihm ein Mann berichtet, der politisch nicht festgelegt zu sein scheint. Sollte... und scheint....

Problematisch wird's, wenn Pick (wegen der Ausgangssperre für Journalisten) nachts aufs Dach hinausgeht und von dort berichtet. Problematisch deshalb, weil er meint, die Rufe Abertausender Iraner, die sich ebenfalls auf den Dächern rundum versammeln, für uns Zuhörer so interpretieren zu müssen, dass wir sie auch richtig verstehen (sollen)*: Tod der Diktatur (andere Berichte sagen Tod dem Diktator), dann die vielstimmige Herstellung einer Analogie zwischen dem dritten Imam al-husain und Mussawis Vornamen Hossein. Dazu das Allah-u-Akhbar.

Pick geht nun her und beginnt flugs mit der Auslegung: die Nennung der Vornamen des dritten Imam und Mussavis in einem zusammengezogenen Ruf bedeute, dass man Mussawi mit jenem Ali-Sohn aus dem 7. Jahrhundert gleichsetze und in ihm einen Erlöser sehe, was etliche hartgesottene Mussawi-Anhänger sicher auch so sehen. Aber die Mehrheit der jungen Iraner? Das Allah-u-Akhbar, so Pick gleich hinterher, ließe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass das Volk die islamische Republik in ihrem Ist-Zustand erhalten wolle. Einfacher und holzschnittartiger geht's kaum noch.

Nun weiß ich nicht, wie viele Hochhäuser Ulrich Pick in Teheran von seinem Standort aus überblicken kann, was bei einer Einwohnerzahl von 13 Millionen sehr schwierig sein dürfte; vielleicht kann er auch die Rufe aus dem Dutzend anderer großer iranischer Städte, in denen die Menschen mittlerweile auf die Straße gehen, interpretieren und sogar hören. Überraschen würde es mich nicht, denn unsere Öffentlich-Rechtlichen (Hoch lebe die GEZ!) sind Spezialisten dafür, wie man Korrespondenten in Tel Aviv, Jerusalem, Kairo oder Beirut stationiert, um sie dann - Wunder über Wunder - aus dem Gazastreifen oder dem Sudan live berichten zu lassen.

Ulrich Pick steht also auf einem Hochhaus in Teheran, ist in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und muss nervigen Moderatoren im Rundfunk hierzulande die Lage erklären. Doch warum diese vorschnelle Interpretation? Wahied Wahdat-Hagh von der European Foundation for Democracy in Brüssel weiß es besser, ohne vor Ort zu sein: Mussawi ist ebenso ein Hardliner wie Ahmadinejad und die restlichen zwei Kandidaten, die zur Wahl angetreten waren. Oder hätte der Wächterrat, der direkt der Wespenkönigin Ali Chamenei untersteht und sie gleichzeitig schützt und füttert, einen Kandidaten durchgelassen, der auch nur andeutungsweise die Systemfrage stellt? Und ein wenig dankbar müssen Chamenei und der Wächterrat ihrem Mussawi schließlich ja sein, zumal er das iranische Nuklearprogramm kräftig angeschoben hat und schon einmal Studenten kräftig verprügeln ließ.


An all das denkt Ulrich Pick nicht, und er vergisst auch, dem geneigten Hörer mitzuteilen, dass der Wächterrat von über 1.400 Bewerbern bis auf die vier durchgeschlüpften Hardliner (ein international gesuchter Bombenleger und Verbrecher ist auch darunter) alle gnadenlos abschmetterte. Warum dazu nicht ein, zwei Sätze?

Was die Pick-Reportagen (die von Peter Mezger sind fast noch schlimmer) besonders ärgerlich macht: Der ARD-Mitarbeiter hätte wenigstens andeuten können, dass in den Straßen Teherans mehr passiert und mehr erhofft wird als das, was man verschlafen im Oval Office oder bei Hempels auf dem Sofa wahrnimmt. Warum verwies er (der Kenner) nicht darauf, dass die Jugend - und das sind nun mal beinahe alle Demonstranten und damit über 60% aller Iraner - keinen Bock auf eine Entscheidung zwischen diesem oder jenem Hardliner hat, sondern das System prinzipiell in Frage stellt? Warum sagt Pick, Mussawi hätte die Demonstranten aufgerufen, ab jetzt zu Hause zu bleiben und liefert nicht die richtige Erklärung hinterher? Mal' sehen, was in den nächsten Tagen von Herrn Pick kommt.

Allah-u-Akhbar-Geschrei muss nicht zwangsläufig die Forderung nach Beibehaltung des islamischen Terrorregimes bedeuten - auch wenn's Ulrich Pick noch
immer in den Ohren dröhnt.

Von Tehranlive.org hier noch eine große Bilderserie. Einige Bilder sind sehr schockierend. Gefunden bei DenkBar.

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*Ulrich Pick erklärte dazu, dass er nun sein Mikrofon in den Nachthimmel halte und man konnte auch die Sprechchöre hören, allerdings ziemlich undeutlich.

Reisen bildet und bewirkt arabische Selbstkritik - sagt Najem Wali

Für seine arabischen Nachbarn ist Israel der Feind schlechthin. Und als sehr problematisch kann es sich erweisen, wenn man als Araber das anders sieht und sogar noch in israelisches "Feindesland" reist, um sich selbst vor Ort ein Bild zu machen.

Der 1956 im Irak geborene und heute in Berlin lebende Buchautor Najem Wali gehört zu dieser seltenen Spezies. Er ist ein Tabubrecher im besten Sinne des Wortes und stellt auf seiner politisch brisanten Tour, die er in seinem Buch Reise in das Herz des Feindes beschreibt, einige erstaunliche und überraschende Gemeinsamkeiten zwischen seinem Heimatland Irak und dem Staat der Juden fest. Dabei begegnet Wali vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten - Dichtern, Intellektuellen und Politikern, aber auch dem sprichwörtlichen Mensch auf der Straße.


Wali kann zum Beispiel nicht verstehen, dass alle (arabische) Welt auf Israel eindrischt und das Land manchmal sogar des Rassismus gegenüber der arabischen Minderheit bezichtigt wird, gleichzeitig aber in keinem arabischen Land, sieht man von den Autokraten und Feudalherrschern und deren Klans ab, die Einwohner besser leben als die Araber in Israel. Für ihn ist das schon deshalb kaum nachvollziehbar, wenn man seine Motivation für die Reise berücksichtigt
: er wollte die in Israel lebenden Glaubens-, Lebens- und Flüchtlingsgemeinschaften auf ihre Demokratietauglichkeit hin untersuchen.

Einfach erfrischend, wie Wali mit dem weltweit gehegten Mythos aufräumt, den die arabische Welt um ihres Machterhaltes willen pflegt - nämlich die permanent von ihr am Köcheln gehaltene Flüchtlingsfrage:

Alle arabischen Potentaten würden - so Wali - bei einer Lösung des Palästinenserproblems sofort gestürzt werden, weil sie der Welt keinen Mythos mehr verkaufen könnten. Alles politische Handeln geschehe bisher deshalb fast immer in Verknüpfung mit der Palästinafrage.

Das Argument der arabischen Herrschenden, man bräuchte keine Demokratie, weil Feinde das ausnützen könnten, entfällt somit, und auch die bisherige "Rechtfertigung" der Armut in den eigenen Ländern mit dem kläglichen Hinweis darauf, dass man für die Befreiung Palästinas aufrüsten müsse. Dabei spricht Wali auch den entlarvenden Umstand an, dass vielen in arabischen Staaten lebenden palästinensischen Flüchtlingen die Einbürgerung verweigert wird, damit sie nicht ihre Identität verlieren. So wollen die Regierungen diesen Mythos am Leben erhalten.

Nun kann man sebstverständlich nicht immer davon ausgehen, dass Walis Erfahrungen mit Juden und Arabern in Israel ausschließlich positiv ausfielen, aber er entdeckte einige hoffnungsvolle Ansätze des Zusammenlebens, so zum Beispiel in Haifa, wo das integrative Zusammenleben offiziell von der Stadtverwaltung gefördert wird, oder in Abu Gosh, wo Araber und Juden noch heute wirtschaftlich davon profitieren, dass sich die Araber während der palästinensischen Belagerung 1948 für eine Koexistenz mit den jüdischen Mitbürgern entschieden hatten.


Walis Buch ist ein beherztes Plädoyer für arabische Selbstkritik, für Demokratie und Frieden.

Najem Wali Reise in das Herz des Feindes
Ein Iraker in Israel

Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien

Verlag: Hanser
2009
ISBN-13: 9783446233027

ISBN-10: 3446233024

Best.Nr.: 25617341

Montag, Juni 15, 2009

We haven't got it!

But maybe w'ill do it!

Von Tehranlive.org hier noch eine große Bilderserie. Einige Bilder sind sehr schockierend.
Gefunden bei DenkBar.