Sonntag, Oktober 14, 2007

Eingemauert in hässlichen Prinzipien


Als sich 1979 die "Ruhmreiche Sowjetarmee" anschickte, mit über 100.000 Soldaten ihren Vasallenstaat Afghanistan zu überfallen, hatte sie wie schon 1953 (Arbeiteraufstand 17. Juni in der DDR), 1956 (Ungarn-Aufstand) und 1968 (Niederschlagung des Prager Frühlings) stets einen Adlatus zur Seite, den man mit Recht als "stalinistischer als die Sowjetunion" bezeichnete: Die SED in der – heute leider noch nicht ganz entsorgten – DDR.

Die Nachfolgeorganisation dieser Partei – sie nennt sich heute Die Linke (wie viele Umbenennung folgen noch?), hat letzten Freitag im Bundestag geschlossen gegen ein deutsches Afghanistan-Mandat gestimmt. Nun konnte dies der deutlichen Bundestagsmehrheit für eine Verlängerung dieses Mandats nichts anhaben, aber das Stimmverhalten der Linksaußen-Partei und insbesondere die darin immanente Geisteshaltung sprechen Bände.

Es ist sozialistische Tradition, eigene Verbrechen mit dem fehl geschlagenen Experiment einer angeblich großen humanistischen Idee zu entschuldigen. Ein typisches Wesensmerkmal aller totalitären Ismen. Trauiges Beispiel hierfür ist neben anderen die sowjetische Invasion und Besatzung 1979-1989, die etwa 1,2 Millionen Afghanen und ca. 15.000 Russen das Leben kostete.

Für die Partei Die Linke scheint dieser Krieg nicht stattgefunden zu haben. Und wenn, dann ja doch nur, weil man wie in allen Fällen vorher, von sozialistischen Freunden um Hilfe gebeten worden war. Dass nach dem Abzug der Sowjets 1989 - wie in Tschetschenien heute – alles für Jahrzehnte zermalmt worden war, was soll’s?

Bezeichnend für die Einmauerung in ihre hässlichen Prinzipien des billigen Taktierens ist seit geraumer Zeit der Versuch der Linken, ein Nation-Building-Programm für Afghanistan, das nun rein gar nichts mit einer Invasion zu tun hat, wahltaktisch in einen Terrorkrieg (Lafontaine) umzudeklarieren.

Die stets wiederholte Mär von westlichen Besatzern in Afghanistan hilft leider auch nicht weiter, wie Stefan Wirner in der WELT treffend beobachtet hat: "Christine Buchholz, Mitglied im Parteivorstand und Trotzkistin, erklärte letzte Woche: 'Die tragischen Anschläge auf Angehörige der Bundeswehr zeigen, dass auch die Bundeswehr inzwischen als Besatzer angesehen wird.' " Da hilft auch Hopfen und Malz nicht weiter, wenn man der werten Dame erklärt, dass es sich hier um ein UN-Mandat handelt und selbst Enduring Freedom, was ihr Parteifreund Lafontaine beharrlich verschweigt (warum wohl?), durch die UN-Resolution 1638 abgedeckt ist

Die scheinheilige Larmoyanz und gespielte Friedenssehnsucht bei den Linksaußen hat Tradition: Sie manifestierte sich schon in den 1920-Jahren des letzten Jahrhunderts, als Lenin seine Konsomolzen vom Land wegrekrutierte und ihnen beibrachte, dass Frieden in erster Linie bedeutet, zu lernen, wie man ein Maschinengewehr bedient und einen Tank fährt. Dem "Segen" dieser über Stalin- und Breschnew-Zeiten hinweg perfektionierten Schulung in bester totalitärer Gesinnung konnten sich die sozialistischen Satellitenstaaten nicht verschließen – selbst im fernen Angola, Kuba und Ägypten nicht.

Merke: Die Sprache war nicht immer russisch (oder totalitär), aber der Stechschritt war und ist heute noch in allen totalitären Systemen der gleiche - im Kopf und den Stiefeln. Oder noch perfektionierter, wie viele Menschen jenseits der Elbe zeigten, die es heute noch gewohnt sind, lieber auf den Staat zu bauen, als nach 1989 zu begreifen, dass sie in der Freiheit und ergo in der Verantwortung auch für sich selbst angekommen waren. "Wir sind das Volk", hieß es zuerst allenthalben; und dann "Wir wollen die D-Mark". Wie schnell sich doch niedere Instinkte gegenüber höheren Idealen durchsetzten. Eine chemische Reaktion des Darmes darauf!

Dass in der DäDäRRR oftmals die deutschen 150-prozentigen Konvertiten (von Hitler zu Stalin, hätte umgekehrt auch funktioniert) nicht zurückstehen wollten, versteht sich von selbst. Wer erinnert sich nicht an die süßen Bilder, als der putzige DDR-Nachwuchs in Waffenkunde ausgebildet wurde und mit "Spielzeugpanzern" herumfuhr. Für den zu erringenden Frieden natürlich.

So wurde Wehrerziehung in der jungen DDR schnell zum wesentlichen Bestandteil einer eliminatorisch-totalitär sozialistischen Grundhaltung, die den Kindern von klein auf eingebläut wurde. Und in einem Positionspapier der FDJ (Freie deutsche Jugend) von 1969 hieß es folgerichtig, dass die Schuljugend "mit glühendem Hass gegen die imperialistischen Feinde unseres Volkes und der Menschheit" zu erfüllen sei. Die Erziehung des Schülers zum Hass auf den imperialistischen Klassenfeind wurde von der SED zur wichtigsten (!) Aufgabe des Lehrers erhoben. 1) Dass dieses Klima später die besten Unterschlupfmöglichkeiten für viele RAF-Kombattanten bot und sich mehr und mehr mit dem eliminatorischen und antisemitischen Anliegen der PLO , Hamas und Konsorten etc. verband, war nur die logische Folge; siehe Entebbe 1976, als deutsche und palästinensische Terroristen gemeinsam eine Maschine der Air France entführten und jüdische Passagiere selektierten.

Um möglichst schnell auch allen Eltern klarzumachen, wie wichtig es wäre, dass ihre Kinder zum Frieden gedrillt werden müssten wie Bullterrier, verschickte man in der friedliebenden DDR entsprechende Richtlinien an alle Haushalte mit Kindern, wie in diesem Beispiel aus dem Jahr 1970: "Lassen Sie etwa zu, dass die Feinde des Guten, die Vertreter des Krieges mit Hilfe der westlichen Fernseh- und Rundfunkstationen durch Lüge und Hetze versuchen, auf Sie und auf ihr Kind Einfluss zu gewinnen? Sie dürfen nicht zulassen, daß ihr Kind diesem Gift ausgesetzt wird. Sie bringen es in große Konflikte, schaden damit dem Kind und seiner Entwicklung."

Da Begriffe wie “Frieden“ ohne den viel existenzielleren Begriff "Freiheit" in einem heruntergewirtschafteten Sozialismus auf die Dauer nicht gehalten werden konnten und Menschen auch in totalitären Staaten über Sinnesorgane verfügen, musste die tagtäglich über westliche Fernsehsender empfangene Wahrheit entsprechend "erklärt" werden: "In den Zeitungen […des Westens], im Rundfunk und über das Fernsehen werden täglich Faschismus und Militarismus, Mord und Verbrechen verherrlicht oder verharmlost. Der Imperialismus braucht die Verrohung und die Verdummung der Menschen, damit sie seine räuberischen und verbrecherischen Ziele unterstützen. [...] und es werden ständig grundlegende Rechte und Freiheiten des Menschen verletzt, um die kapitalistische Klassenherrschaft zu erhalten." 3)

“Frieden“ ist und bleibt das Zauberwort aller totalitären Systeme, aber auch aller Radikalpazifisten, ideologisierter Pastoren, linker Spinner und vor allen Dingen derer, die im Herzen stets das Gegenteil im Schilde führen. Nicht zuletzt deshalb ist es für Die Linke so leicht, mit diesem Versprechen auf Stimmenfang zu gehen. Wer wünscht sich denn keinen Frieden, wenn er nicht komplett verrückt ist? Das verführerische Hantieren mit der Sehnsucht der meisten Menschen nach echtem Frieden verschafft der Linken immer wieder die Sympathien, die sie in Wirklichkeit eigentlich schon verspielt hat, sobald sie das Wort ausgesprochen hat. Sie bedient sich heute des gleichen unverbindlichen Symbolismus wie die Friedensbewegung der 1980er-Jahre 4), die allen Ernstes glaubte, dem Westen unterstellen zu müssen, was beim Ostblock für sie ausgeschlossenen war, nämlich mangelnden Friedenswillen.

Der Satz des verstorbenen ehemaligen Präsidenten des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, "Hinter dem Ruf nach Frieden verbergen sich die Mörder" hätte treffender wohl kaum formuliert werden können. All jenen, die dieses Wort inflationär verwenden, ohne das Wort Freiheit voran (!) zu stellen, sollte man sehr kritisch begegnen.

1) Schirrmeister, Karl-Günter: Erziehung zum Hass. Geistige Militarisierung in der DDR. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1987, S. 274.

2) Unser Kind kommt zur Schule. Ein Brief an alle Eltern der Schulanfänger 1970, Berlin Ost, o.J. [1970]

3) Schirrmeister; wie 1)

4) Ich glaubte damals auch, dass die Stationierung der Pershing II (NATO-Doppelbeschluss) ein Fehler war, ließ mich dann aber später doch vom Gegenteil überzeugen. Gorbatschow musste seine SS-20 abziehen, weil die UDSSR bei einem weiteren Wettrüsten bankrott gewesen wäre.

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