Samstag, März 01, 2008

"Demokratie gegenwärtig die beste Staatsform"


Was versteht Herr Aiman Mazyek unter „gegenwärtig“ oder soll man das nicht so eng sehen?


Annette Rollmann (Freie Journalistin) hat für die Zeitung Das Parlament den Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) befragt und dabei die eine oder andere vernünftige Antwort bekommen -; dennoch lohnt es sich, schon wegen der Formulierung „gegenwärtig“ etwas genauer hinzusehen.

Die Eingangsfrage Rollmanns, was ihn an der deutschen muslimischen Community ärgere, beantwortet Aiman Mazyek damit, dass sich die Muslime den Herausforderungen (vielleicht hätte er besser „Chancen“ gesagt), die diese Gesellschaft bietet, nicht stellen und stattdessen in eine Opferrolle flüchten würden. Auch wenn er zu Recht darauf verweist, dass Resignation nicht die Lösung sein kann, schlägt er doch gleich eine Volte, indem er über die zunehmende Diskriminierung der Muslime generell lamentiert. Man kann ihm auch nicht widersprechen, wenn er bemerkt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht mehr zwischen dem Islam als Religion (Ideologie) und dem Muslim (dem einzelnen Menschen) unterschieden wird, aber umgekehrt wird auch ein Schuh draus - nämlich in der Beurteilung der säkularen Welt durch konservative Muslime.

Dass er seine Mitgliedschaft in der FDP und die lobende Hervorhebung Ignaz Bubis' nicht selten wie eine Monstranz vor sich her trägt - geschenkt. Aber die Parteizugehörigkeit liefert keinen Blankoscheck für richtige Gesinnung, besonders dann, wenn man den Mund gehalten hat, als ein gewisser Möllemann im Tandem mit dem Grünen-Abgeordneten Jamal Karsli Antisemitismus geschürt hatte und Westerwelle mit dem berüchtigten „18-Prozentpunkte-Slogan“ (sogar auf der Schuhsohle bei Christiansen) hausieren ging, was damals selbst den hartgesottensten Rechtsaußen nur ein müdes Lächeln entlockte. Wo war Herr Mazyek, als Möllemann mit Michel Friedman und Ariel Scharon auf übelste Weise umsprang und antisemitische Klischees bediente?

Persilscheine gibt’s leider auch nicht für einen Verweis in seiner Vita, wonach er zusammen mit Rupert Neudeck die Organisation Grünhelme gründete, die nicht zuletzt während des Libanonkrieges einen mehr als zweifelhaften Ruf erwarb. Nun ist wahrlich nicht jeder zu beneiden, der Rupert Neudeck zu seinen Freunden zählt, aber zusammen mit ihm die Kiste auch noch ins Leben gerufen zu haben, ist schon mehr als eine kritische Fußnote wert.

Herr Mazyek hat zudem, wie die Webseite des ZMD ausweist,
zwischen 1993 und 1998 „eine Reihe von Islamstudien bei anerkannten Wissenschaftler und Theologen, u.a. bei dem ehemaligen ZMD-Vorsitzenden Nadeem Elyas“ absolviert. Für alle, die es nicht wissen: Nadeem Elyas ist Anhänger der fundamentalistischsten Variante des Islam, des saudischen Wahabismus. Wenn Sie mir nicht glauben, dann sicher (nota bene) Faruk Sen, der in diesem Interview vom amtierenden ZMD-Vorsitzenden Ayyub Axel Köhler mit dem Satz zitiert wird, dass Nadeem Elyas für einen konservativen Islam steht, der sich nur aus taktischen Gründen an seine deutsche Umwelt anpasse.

Verstehen Sie jetzt, warum mich die Formulierung „gegenwärtig die beste Staatsform“ so „angelacht“ hat?

Schwer ist auch nachvollziehen, dass Frau Rollmanns Bemerkung, früher hätten Muslime in christlichen Kirchen ihre Freitagsgebete abhalten können, der Gesprächsführung dienlich war, denn Aiman Mazyek gab ihr jovial zu verstehen, dass „es das heute sogar immer noch gibt“ (für ihn also eine Selbstverständlichkeit - für mich überhaupt nicht) und er „straft“ Niedersachsens Bischöfin Margot Käßmann dafür ab, dass sie sich in einer Predigt am Reformationstag über das Zusammenleben mit Muslimen äußerte. Wenn nicht an diesem Tag, wann dann? Als Protestant darf ich diese Frage sehr wohl stellen. So viel ich weiß, hat Frau Käßmann niemals eine Anti-Islam-Predigt gehalten, wie Aiman Mazyek hier en passent der Bischöfin unterjubeln will. Wenn Frau Käßmann die Betonung auf das christliche Bekenntnis legte und Herr Mazyek damit ein Problem hat, bitte sehr. Aber er sollte es gefälligst nicht zum Problem der Protestanten und Christen insgesamt umdeklinieren.

Nun kann man auch unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob die Amtskirchen von Kirchensteuer profitieren sollen oder nicht (ich bin dafür), aber gleichzeitig frage ich mich, welche inhaltliche Aussage zum Islam Mazyek damit verbunden wissen will. Wieso soll man aus der Tatsache, dass der Islam eine Realität ist, ableiten, dass dieser Realität zwangsläufig eine Steuer folgen soll, noch dazu, wo die islamische Community keine feste Struktur hat und sich bei weitem nicht alle türkischen Muslime durch den ZMD vertreten fühlen oder in ihm organisiert sind? Im Zusammenhang damit echauffiert sich Mazyek darüber, dass zu wenig private Mittel bereitstünden. Obwohl sich mittlerweile bis in den hintersten Winkel der Republik herumgesprochen hat, dass die türkische Religionsbehörde Ditib (Diyanet) in die türkisch-sunnitischen Gemeinden hineinregiert und als Geldgeber für Prestigeobjekte auftritt, will uns Herr Mazyek weismachen, dass die große Hungersnot ausgebrochen ist.

Was sagt Mazyek zur Rolle der islamischen Gemeinden, wenn es gegen Extremisten in ihren Reihen geht?

Die Gemeinden müssen sich mit dem Extremismus, mit dem Missbrauch des Islam als Ideologie, wesentlich mehr auseinandersetzen, als bisher. Geleistete Distanzierungen, öffentliche Erklärungen bis hin zu Demonstrationen aller muslimischen Organisationen sind gut. Aber besonders unsere Gelehrten und Wissenschaftler müssen sich noch mehr mit einem gefährlichen Einzug von Nihilismus in die islamische Geisteswelt auseinandersetzen, der seinen Nährboden in einem tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex findet und dessen Überkompensierung zum Irrweg des Terrors führt.

Solange Aiman Mazyek pausenlos vom Missbrauch des Koran spricht kommen wir keinen Millimeter weiter, denn würde man sich nur noch auf die Frieden verkündenden Stellen konzentrieren, blieben die für die Rechtfertigung von physischer Gewalt brauchbaren Filetstücke in der Exegese außen vor. Auch will sich mir nicht erschließen, was Herr Mazyek mit „Nihilismus“ meint, wo doch speziell in der islamischen Gemeinschaft eine zunehmende Befrachtung des Alltags mit „Religiösem“ festzustellen ist.

Und weiter doziert er:

Wir schulen unsere Mitglieder mit Lehrgängen und Internetmaterialien. Ähnlich wie beim Kampf gegen Rechtsextremismus, zeigen wir, wie man diese Leute erkennt und gegebenenfalls entlarvt. […] Wo wird der Koran missbräuchlich zitiert und wie ist der entsprechende Vers richtig zu interpretieren? […] Muslime und Nichtmuslime müssen gegen Extremisten kämpfen. Wenn im Koran eindeutig Mord und Selbstmord für verboten erklärt wird, und einige immer noch Selbstmordattentate für legitim halten, dann haben sie ein gewaltiges Problem mit dem Islam, weil sie sich gegen ihn stellen.

Kampf gegen Rechtsextremismus ist lobenswert und sehr notwendig. Bin ich sowieso dabei. Wie wäre es aber zusätzlich mit Kampf gegen die spezifisch polit-islamistische Hasskultur, die sich im Internet ausbreitet und über Satellitenschüsseln in die Haushalte transportiert wird? Was hielte Herr Mazyek von einer (bisher weitgehend ausbleibenden) kritischen Auseinandersetzung mit dem grassierenden Antisemitismus unter den (meist türkischen) islamischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Medien? Mazyeks finaler Ausklang „weil sie sich gegen ihn [den Islam} stellen“ hat deshalb die Glaubwürdigkeits-Halbwertzeit abziehenden Nebels.

In Demokratien wird niemandem abverlangt, dass er seinem Glauben abschwört. Aber eine gründliche exegetische Überarbeitung etlicher mehr als problematischer Inhalte des Koran ist dringend notwendig. Diese Reform kann nur aus der islamischen Welt kommen; da hat Mazyek Recht. Warum also macht Herr Mazyek nicht Nägel mit Köpfen und ergo seinen Einfluss geltend, wenn ihm an Reformen wirklich so viel liegt, wie er versichert und er seit mehreren Jahren Delegierter der alljährlich in Kairo von der ägyptischen Regierung ausgerichteten internationalen Islamkonferenz ist?

Also noch einmal: Was versteht Herr Mazyek unter „gegenwärtig beste Staatsform“? Die Exegese dieser Frage erspare ich mir vorerst. Trotz FDP-Mitgliedschaft des Kandidaten.

Keine Kommentare: