Samstag, Juli 19, 2008

Der Wackelkandidat aus Chicago

Kann man Obama trauen?*

Sieht man genau hin, dann können Obamas Versprechungen auf einen grundsätzlichen Wandel in der amerikanischen Politik Widersprüche und Ungereimtheiten nicht verbergen.

Ende Februar schien es, als habe Obama seinen erfolgreichen Wahlkampf zementiert. Obwohl selbst seine streng geeichten Fans größte Schwierigkeiten hatten, auch nur einen bedeutsamen Erfolg in seiner kurzen politischen Karriere aufzuzählen, bestand größtenteils Übereinstimmung darin, dass er eine neue Generation Wähler anspräche und repräsentiere - eine Generation, die der Clintons und Bushs überdrüssig ist, auf Facebook und YouTube abfährt; eine Generation, die weltweit zuhause sein will, und eine Generation, die keinerlei Berührungsängste mit anderen Bevölkerungsgruppen zu kennen scheint.

In den Augen dieser Wählergruppe wurde Obama als neuer Politikertypus wahrgenommen: Einer, der zu seinen Fehlern steht, [immer] die Wahrheit sagt und Vorteilsnahmen der Washingtoner Lobbyisten und Mächtigen verachtet.

Doch sind seit dieser Zeit einige Dinge vorgefallen und der Obama vom Februar existiert nicht mehr. Sicher ist das Haltbarkeitsdatum des Produkts “Obama“, das er nach wie vor geschickt und eloquent vermarktet, noch nicht abgelaufen, doch hinter seinen Versprechungen, die politische Agenda in den USA zu verändern bzw. zu reformieren, kann man manipulatorische Kunstgriffe und politische Volten der listigsten Art erkennen.

Er versprach, sich vom großen Geld und mächtigen Interessenverbänden „fernzuhalten“, wechselte dann aber flugs die Seiten, als er Geld von Ölkonzernen annahm - auch von einem Kriminellen aus Chicago und anderen Quellen. Er “versprach“ den jüdischen Wählern, dass unter seiner Regierung Jerusalem Israels ungeteilte Hauptstadt bleiben würde, machte dann aber ängstlich einen Rückzieher und änderte den Kurs, als er seine Aussage nach Einsprüchen empörter arabischer Wähler relativierte.

Er „versprach“, Ahmadinejad ohne Vorbedingungen zu treffen, korrigierte seine Meinung aber, als ihm politische Gegner [Zu Recht] Naivität und Aufwertung eines irrationalen Führers vorwarfen. Obama hat viel versprochen, aber er hat nie versprochen, seine Zusagen auch einzuhalten.

Er behauptet, dass er, wenn es um die wirklich heiklen und wichtigen Fragen für die Nation geht, im Recht sei und sein Rivale John McCain irre. Das wird sich noch herausstellen. Doch selbst wenn er in existentiellen Fragen wie zum Irakkrieg [der übrigens zum Bedauern vieler europäischer USA-Basher schon lange beendet ist und ein Befreiungskrieg war], zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge und zu Fragen der Energieversorgung auf der “richtigen Seite“ sein sollte: Das ist es nicht, was ihn zu einem Top-Rockstar in der amerikanischen Öffentlichkeit gemacht hat.

Die Medien fassen Obama mit Samthandschuhen an

Sorgfältig ausgearbeitete Politikentwürfe zählten nie zu seinen Stärken. Im Gegenteil: Hillary Clintons Argumente waren viel durchdachter und basierten auf intensiver und detaillierter Vorarbeit. Und McCain verfügt über wesentlich mehr Erfahrung in der Umsetzung politischer Konzepte. Dennoch gewann Obama die Primaries bei den Demokraten [Für alle Europäer: Die Bezeichnung “Demokraten“ ist nicht zwangsläufig Programm und führt diesseits des Atlantiks oft zu falschen Schlussfolgerungen**], weil dieser Wahlkampf, mehr als jeder andere vorher in der amerikanischen Geschichte, um Personen geführt wurde.

In Zeiten permanenter Beobachtung durch die Medien rund um die Uhr wollen die amerikanischen Wähler wissen, ob ihre Kandidaten authentisch sind - ob dies wirklich zutrifft, oder diese sich nur verstellen. Einer der Gründe, warum John Edwards und Hillary Clinton die Segel streichen mussten: Edwards wurde als Millionär wahrgenommen, der Hunderte Dollar für seinen Haarschnitt ausgab, während Hillary Clinton als Geschichtenerzählerin herumgereicht wurde.

Im Vergleich dazu konnte Obama mit seinen erfrischenden Versprechungen nur den Jackpot knacken.

Die US-Medien fassen Obama noch immer mit Samthandschuhen an -; sie ertappen ihn beim Lügen, winken ihn aber lächelnd durch, so, als ob die Medien selbst Angst davor hätten, etwas zur Sprache zu bringen, das das dünne Eis einbrechen lässt, auf dem er sich bewegt. Bis jetzt zeigen die Umfragen keinen Abwärtstrend, was seine Beliebtheit betrifft.

Erinnern Sie sich an Seinfelds "Two-faced"-Date - die Frau, die im Restaurant eine hinreißende Figur abgab, auf dem Balkon aber hässlich aussah - je nach Lichteinfall?

Obama wäre in den nächsten Monaten gut beraten, im Restaurant zu bleiben.

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*Übersetzung: Castollux.

** Die Republikaner haben die Sklaverei abgeschafft (Abraham Lincoln).

P.S.: In eckige Klammern hinzugefügte Anmerkungen, kleine semantische Umschreibungen und Ergänzungen stammen von mir. Der Text wurde dadurch inhaltlich in keiner Weise verändert.

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