Mittwoch, August 13, 2008

Bielefelder Mobbingkultur

Heinz Gess, Professor für Soziologie an der FH Bielefeld, nimmt seine Profession sehr ernst. Das schließt mitunter nicht aus, dass seine Forschung unschöne Fakten aufgreift, nicht zuletzt auch, was die Personalhistorie der eigenen Lehranstalt betrifft. Dass Heinz Gess schon seit Jahren gemobbt wird, weil er die konsequente und wahrhaftige Umsetzung seines Lehr- und Forschungsauftrages lebt, ist mir bekannt.

Schlimm genug, dass ein Dozent, der Differenzierung im Umgang mit Israelkritik anmahnt und auf die Verlogenheit des sich als Antizionismus gerierenden Antisemitismus aus der linken Ecke und seine Schnittmengen zur rechten und islamistischen Gesinnung verweist, permanent Anfeindungen durch Kollegen und Studenten ausgesetzt ist.

Seine vorerst letzte Zuspitzung erfuhr der Konflikt zwischen Heinz Gess und seinen Gegnern, letztere in höchster Instanz verkörpert durch Rektorin Professor Dr. Beate Rennen-Allhoff, als er am 7. April 2008 auf seiner Internetplattform Kritiknetz einen Artikel von Clemens Heni und Peter Bierl veröffentlichte, der veranschaulichte, dass in der Öko-Pax-Bewegung antisemitisch grundierte, völkische und konservativ-revolutionäre Ideologien verwurzelt sind. In einem weiteren erklärenden Beitrag1) hatte Gess darauf hingewiesen, dass Werner Haverbeck (1909-1999), ehemaliger Professor für Sozialwissenschaften und ausgestattet mit höchsten NS-Funktionen, an der FH Bielefeld Karriere machen konnte, nach dem Krieg dieser Lebensabschnitt unberücksichtigt blieb bzw. Haverbeck an der FH Bielefeld ungehindert und ungefragt weiterarbeiten konnte (Zu seiner weiteren “Karriere“ weiter unten im Aufruf).

Diese Information löste bei der oben erwähnten Rektorin eine unangemessen aggressive Reaktion aus. Sie überzog Professor Gess mit einem Disziplinarverfahren, weil er (angeblich) seine Verschwiegenheitspflicht (!) als Beamter verletzt habe. Dabei konnte "Werner Haverbeck an der FH Bielefeld trotz Nazi-Karriere und neofaschistischer Aktivitäten ungestört seinen ideologischen und politischen Geschäften nachgehen und seine verdorbenen Früchte als ’Professor für Sozialwissenschaft’ unter die Studierenden bringen.“

Aufklärung dieses Sachverhalts bzw. dessen wissenschaftliche Auswertung an der FH Bielefeld durch einen sorgfältig und akribisch arbeitenden Professor, der das “Pech“ hatte, an derselben Einrichtung lehren zu „dürfen" wie der kulturrassistische Nazi Werner Haverbeck, ist nicht erwünscht. Ja, richtig gelesen - sie ist nicht erwünscht. Deshalb soll Heinz Gess ein Maulkorb umgehängt werden.

Dass diese Situation so nicht hingenommen werden kann versteht sich von selbst, denn der Wissenschaftsbetrieb - insbesondere auch in einer Disziplin wie der Soziologie - darf nicht dem Dünkel und der Gönnerhaftigkeit von Institutionen oder Personen ausgesetzt werden, die für sich in Anspruch nehmen, Geschichte verdunkeln zu müssen.

Die Autoren Clemens Heni und Pater Bierl haben einen Aufruf verfasst, der auch dem Wissenschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen zuging. Hier im Wortlaut:

Ein unglaublicher Skandal...Disziplinarverfahren gegen Professor Heinz Gess

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Kollegen,

Wir wenden uns an Euch mit der Bitte um Hilfe und Solidarität wegen eines Disziplinarverfahrens, das die Rektorin der Fachhochschule Bielefeld, Professor Dr. Beate Rennen-Allhoff, Anfang Juni gegen Professor Heinz Gess eingeleitet hat. Vorgeworfen wird Gess, seine Pflichten als Beamter verletzt zu haben. Er habe dem Ansehen der Behörde geschadet und insbesondere gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen.

Es geht um einen Artikel, den wir beide verfasst haben, und den Heinz Gess auf der von ihm betrieben Homepage kritiknetz.de unter dem Titel "Grün-braune Liebe zur Natur: Die NSDAP als "grüne Partei" und die Lücken der Naturschutzforschung" veröffentlicht hat.

Das Disziplinarverfahren bezieht sich auf eine Nachbemerkung von Gess. Er verweist darin auf die Tatsache, dass Werner Haverbeck (1909-1999, Abb. rechts mit strammem Hitlergruß) ab 1972 mehrere Jahre lang an der FH Bielefeld als Professor für Sozialwissenschaft wirken konnte. Haverbeck war Mitglied der NSDAP-Reichsleitung, des NS-Studentenbundes und der SA sowie Leiter des NS-Reichsbundes für Volkstum und Heimat. In der Bundesrepublik war Haverbeck von 1974 bis 1982 Präsident des rechtslastigen Umweltverbandes "Weltbund zum Schutz des Lebens" und Mitunterzeichner des so genannten Heidelberger Manifestes von 1981, in dem die Forderung "Ausländer raus" pseudoökologisch verbrämt erhoben wurde. Haverbeck war Mitbegründer des so genannten Collegium Humanum in Vlotho in Niedersachsen, einer rechtsextremen Tagungsstätte, wo sich unter anderem 1984 das "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Führers" (KAH) traf. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens begründet Rektorin Rennen-Allhoff mit folgender Passage des Textes von Gess:

"Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass der Werner Haverbeck an der FH Bielefeld ungeachtet seiner Nazi-Karriere und neofaschistischen Aktivitäten ungestört seinen ideologischen und politischen Geschäften nachgehen und seine verdorbenen Früchte als "Professor für Sozialwissenschaft" unter die Studierenden bringen konnte, ohne je dafür an der FH in die Kritik zu geraten und ohne dass das Rektorat der FH es je für nötig gehalten hätte; sich von seinem Tun oder seinen Schriften zu distanzieren, dass aber dasselbe Rektorat (nicht in persona) und dessen Personalabteilungsleiter es für dringlich hält, sich von dem Herausgeber dieser Seite und der "Internetzeitschrift für kritische Theorie der Gesellschaft" das Kritiknetz, ausdrücklich zu distanzieren."

Gess habe seine Dienstpflichten verletzt, weil er damit Maßnahmen der Verwaltung öffentlich kritisiert habe, urteilt die FH-Rektorin. Wir halten es für einen Skandal, dass jemand mit einem Disziplinarverfahren überzogen werden soll, der darauf hinweist, dass ein ehemaliger hochrangiger NSDAP-Funktionär und in der Bundesrepublik prominenter Nazi-Aktivist an der FH Bielefeld Karriere machen konnte. Damit soll ein Wissenschaftler mundtot gemacht werden, der einen solchen Vorgang öffentlich benennt.

Verschwiegenheitspflicht kann nicht heißen, die Einstellung eines alten Nazis zu vertuschen und das nach über 30 Jahren. Pikant ist, dass einen Monat zuvor, Anfang Mai 2008, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das von Haverbeck gegründete Collegium Humanum wegen rechtsextremer Umtriebe verboten hat.

Wir fordern die sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen Heinz Gess und eine Entschuldigung der Rektorin. Wir fordern, die einschlägigen Archive zu öffnen und von unabhängigen Historikern klären zu lassen, wie es möglich war, dass Haverbeck an der FH Bielefeld Dozent werden konnte. Wir verlangen - sofern aufgrund des zeitlichen Abstandes noch möglich - diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Haverbeck gedeckt und seine Karriere ermöglicht haben.

Wir bitten Euch, diesen Vorgang publik zu machen, dieses Schreiben weiterzuverbreiten, sowie beim Wissenschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gegen das Disziplinarverfahren gegen Heinz Gess zu protestieren. Wir haben dafür einen Musterbrief verfasst, den Ihr benutzen könnt. Solltet Ihr einen solchen Brief schicken, bitte gebt uns Rückmeldung.

Die Journalisten unter Euch bitten wir, über diesen Vorfall in ihren Medien zu berichten. Für Rückfragen stehen wir zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Clemens
Heni und Peter Bierl

clemens_heni@web.de
peterbierl@gmx.de

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1) Hochschulpraxis in der Kritik
Wie Aufklärung über den esoterischen Öko-Nazi Werner Haverbeck durch die Hochschulleitung der FH Bielefeld behindert wird
http://www.kritiknetz.de/?position=artikel&aid=435

Hattip: Clemens Heni, Peter Bierl

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