Donnerstag, Mai 07, 2009

Follaths Fallout

Ich gebe es zu - nach Erich Follaths Schmierenlektüre juckte es mich auch gewaltig in den Fingern. Da aber gleich mehrere Blogger sich des wohl besch****nsten, gleichzeitig aber wohl gehässigsten und vor verstecktem (Israel-) Judenhass nur so triefenden SPIEGEL-Beitrages der letzten Wochen zum Nahostkonflikt annahmen, belasse ich es mit einem Hinweis auf die Quellen (Im Beitrag unten) und stelle den Beitrag von Mr. Moe (Zeitung für Schland) unkommentiert und ungekürzt ein.

Bildquelle: Krimi-Kiste

Frau Putz hat jetzt einiges aufzuholen, denn Meister Follath hat mächtig vorgelegt. Er ist im Metier übrigens kein Unbekannter. Der ehemalige Stern-Redakteur war auch schon mal literarisch dem Mossad auf den Versen....


Erich Follath: Deutsche Phantasie und Israel
Zeitung für Schland

Nicht erst nach dem Gaza-Krieg sowie der Ernennung Avigdor Liebermans zum israelischen Außenminister ist man in Bezug auf „Israelkritik“ deutscher Medien einiges gewöhnt. Und trotzdem wird in schöner Regelmäßigkeit ein Artikel veröffentlicht, von dem man geneigt ist zu denken, dass es schlimmer nicht mehr ginge. SPIEGEL-Redakteur Erich Follath weiß diesen Punkt mit Leichtigkeit zu erreichen und geht in seiner durch und durch antisemitischen fiktiven Ansprache, die Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier dem „Ultranationalisten“ Avigdor Lieberman halten solle, sogar noch ein gutes Stück über ihn hinaus.

Follath lebt die genuin deutsche Phantasie aus, den Juden – seiner Auffassung nach vermutlich - endlich einmal richtig die Meinung geigen zu können und bei dieser Gelegenheit auch gleich noch krude Ansichten nach Gutsherrenart in die Welt zu bölken. Da bereits an diverser Stelle auf Follaths Geschmiere reagiert wurde, sei vorab auf die entsprechenden Beiträge verwiesen:

* Claudio Casula formuliert „eine Standpauke, die der israelische Außenminister dem Reporter nicht halten wird – aber sollte.“ Einmal mehr eine Meisterleistung und unbedingt zur Lektüre empfohlen!
* tw24 nennt Follath einen “Schreibtischtäter im Blutrausch“, was den Sachverhalt im Kern treffend beschreibt.

* Euckens Erbe setzt sich etwas gelassener mit einigen von Follaths unsäglichen Aussagen auseinander, zeigt aber ebenso unmissverständlich auf, dass es sich um ein „Dokument des latenten Antisemitismus“ handelt.
* Clemens Heni schließlich bettet Follaths Artikel in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext ein und betont, dass sich “eh keiner über Follath aufregte”. Zudem fragt er, wo das Zentrum für Antisemitismusforschung denn sei, wenn man es bräuchte.

Die Einbettung von Follaths Artikels in einen übergeordneten gesellschaftlichen Zusammenhang ist in der Tat notwendig, ist es doch alles andere als ein Zufall, dass Follaths Text auf der größten deutschsprachigen Nachrichtenseite erscheint. Denn es handelt sich bei Follath eben nicht um einen einzelnen Irren, der seine kranken Ansichten in die Welt hinaus posaunt, sondern vielmehr um einen einzelnen Irren, der die kranken Ansichten der Mehrheit der Europäer im Allgemeinen und der Deutschen im Speziellen in die Welt hinausposaunt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, ergänzend noch einige besonders haarsträubende Passagen aus Follaths imaginärer Rede an den “Rassisten” und “Fanatiker” Lieberman zu thematisieren, dürften diese doch die Meinung eines nicht unwesentlichen Teiles der Bevölkerung widerspiegeln. Die folgende Passage ist hierfür exemplarisch:
Was ist denn bloß los in Israel, dass eine ultranationale Partei wie Ihre Israel Beitenu zur drittstärksten Kraft wird, dass sich ein Großteil der Bevölkerung nicht einmal mehr ansatzweise in das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung hineinversetzen kann? Woher diese Mitleidsmüdigkeit, dieser Zynismus, diese Friedensunfähigkeit, gerade jetzt, da der Nahen Osten durch einen neuen, engagierten amerikanischen Präsidenten aufgemischt wird und sich neue Chancen auftun? Warum wird Israel da zum Problem für einen Friedensprozess - statt zu seiner Lösung?
Ja, was ist denn bloß los in Israel? Wurden etwa nicht tausende Raketen aus dem Gaza-Streifen auf Israel abgefeuert? Und für diejenigen, die Raketenterror als prinzipiell gerechtfertigten oder doch wenigstens nachvollziehbaren „Widerstand gegen eine Besatzungsmacht“ zu euphemisieren pflegen: Wurden diese Raketen nicht etwa auch nach Israels einseitigem und vollständigem Rückzug aus dem Gaza-Streifen abgefeuert? Und hat Israel nicht bereits zahlreiche, zum Teil schmerzhafte Zugeständnisse gegenüber den Palästinensern gemacht, ohne dass diese sich auch nur einen Millimeter bewegt haben? Haben im Gegenzug die Hamas oder die Fatah auch nur Israels bloßes Existenzrecht anerkannt? War Israel nicht auch im überfälligen und mehr als gerechtfertigten Gaza-Krieg bemüht, zivile Opfer zu minimieren und unter schwierigsten Bedingungen größtmöglichste Rücksicht auf die Bevölkerung zu nehmen? Doch warum sich überhaupt mit der Realität auseinandersetzen, wenn man doch einfach dem Juden unter den Staaten die Schuld in die Schuhe schieben kann. Die Vorteile sind nicht zu übersehen: Erstens ist diese Erklärung schön einfach, zweitens universal gültig und auf jedes Problem anwendbar (Finanzkrise, Schweinegrippe, Follaths Frisur), drittens wird einem von der Mehrheit der Landsleute applaudiert und viertens kann doch nicht falsch sein, was auch der Großvater immer schon gewusst hat. Aus dieser Position vermeintlicher moralischer Überlegenheit und Allwissenheit fühlt sich Follath dazu auserkoren, einmal „Klartext“ zu sprechen:
Und nun reden wir politischen Klartext, jenes Tacheles, das Frau Merkel bei ihrer Rede im März 2008 vor der Knesset vermieden hat, bei der sie ja unverständlicherweise - und wie ich meine, aus falsch verstandener Rücksicht - nicht einmal die von der gesamten EU verurteilte israelische Siedlungspolitik kritisieren wollte. Sie werden nur eine Chance haben, Irans Aufstieg zur Atommacht (vielleicht) zu verhindern, wenn es einen “Grand Bargain”, eine Gesamtregelung für die Region, gibt. Wenn Israel schmerzliche Zugeständnisse macht, einen Friedensvertrag mit Syrien schließt und den Golan aufgibt. Wenn Israel den Palästinensern - die sich hoffentlich intern auf einen gemäßigten Kurs einigen, glauben Sie mir, wir im Westen reden hinter geschlossenen Türen mindestens genauso hart mit der arabischen Seite wie mit Ihnen - einen eigenen Staat in lebensfähigen Grenzen zugesteht und alle Siedlungen bis auf bis auf einige wenige aufgibt (darunter vielleicht Ihre Westbank-Gemeinde Nokdim, in der Sie zu wohnen belieben).
Follath scheint der Meinung zu sein, dass ihm gelungen sei, was nur wenigen Journalisten vergönnt ist: die Weltformel entdeckt zu haben, die sogleich die Ursache wie auch die Lösung für jedes Problem kennt: Ja, wenn Israel doch nur Zugeständnisse einginge, dann sähe der gesamte Nahe Osten rosig aus und der Iran stellte sein Atomprogramm ein. Dass Israel dies in der Vergangenheit wiederholt getan hat? Pustekuchen. Dass Irans Vernichtungsdrohungen gegen Israel nicht das Geringste mit Israels Handeln, sondern mit seiner bloßen Existenz zu tun haben? Egal. Dass nichts, aber auch gar nichts darauf hinweist, dass sich die Palästinenser in absehbarer Zukunft auf einen „gemäßigten Kurs“ einigen könnten - wie auch immer dieser für jemanden wie Follath aussehen möge? Spielt keine Rolle. Dass Frieden mit Syrien derzeit weder realisierbar noch einsehbar ist, warum ausschließlich Israel dafür Vorleistungen erbringen sollte? Who cares! Stattdessen lieber richtig schön „Klartext“ und “Tacheles” reden und zudem noch drohend ankündigen, was geschehen würde, wenn der Staat der Holocaust-Überlebenden den Frevel besäße und sich weigerte, den Anweisungen des Staates der Nachkommen der Holocaust-Planer- und Durchführer Folge zu leisten:
Sollten Sie sich wirklich von diesem in Annapolis vereinbarten Kurs des Land-für-Frieden entfernen und sich in der Siedlungsfrage nicht bewegen, werden wir innerhalb der EU, mit der Stimme Deutschlands, Maßnahmen gegen Israel einleiten. Am Ende dieses Prozesses könnten auch Sanktionen stehen. Und Sie müssen wissen: Sollte Israel einen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen durchführen - es heißt, Sie gehörten zu den Befürwortern eines solchen Wahnsinns - werden Sie nicht nur die islamische Welt, sondern auch Europa gegen sich haben.
Auch wenn, wie im letzten Nebensatz, Follath vermutlich lediglich die traurige Wahrheit ausspricht, ist die Genugtuung über die Aussage, dass ein israelischer Verteidigungsschlag gegen iranische Atomanlagen zu (noch größerer) Feindschaft mit Europa führte, nicht zu überlesen. (Nebenbemerkung: Mit nahezu täglich ansteigendem Druck auf Israel seitens der USA und gleichzeitigem Appeasement gegenüber dem Iran ist davon auszugehen, dass selbiger zunehmend wahrscheinlicher wird.) Krönender Abschluss von Follaths Ausführungen ist das Eingeständnis, vom Nahen Osten eigentlich überhaupt keine Ahnung zu haben, was ihn natürlich nicht daran hindert, seine Meinung kund zu tun:
Ich weiß nicht, ob Syriens Präsident Assad friedensbereit ist; ich habe keine Ahnung, ob mit den iranischen Hardlinern ein Deal möglich sein wird - ebenso wie Sie stimmt mich Teherans jahrelanges Tricksen, Tarnen und Täuschen in der Atomfrage skeptisch. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Ihren Kindern eines Tages sagen wollen: Wir haben nicht alles versucht.
Schon bemerkenswert: Follath betrachtet sein Wissen offensichtlich als ausreichend, um Lieberman als „Rassist“ und „Fanatiker“ zu bezeichnen und ihm, sowie der israelischen Regierung unter Netanyahu überhaupt, jeglichen Friedenswillen abzusprechen. Follaths Wissen reicht hingegen nicht aus, Assad als Hindernis für den Frieden zu sehen, geschweige denn zu erkennen, dass ein „Deal“ mit dem Mullah-Regime in Bezug auf die atomare Frage völlig ausgeschlossen ist. Es bleibt, was immer bleibt, wenn man Hang zum “Klartext” und “Tacheles”, aber keine Ahnung hat: ein Haufen Stammtischparolen, die im besten Fall auf den Rausschmiss aus der Dorfkneipe und im schlimmsten Fall auf Massenmord hinauslaufen. Die Welt sollte sich derzeit darum sorgen, ihren Kindern künftig nicht sagen zu müssen: Unsere Großeltern haben am Judenmord wahlweise aktiv teilgenommen, ihn unterstützt oder ihm zugesehen und nichts getan, und wir selbst haben ihm aktiv beigewohnt, ihn unterstützt oder zugesehen und nichts getan. Die fortdauernde Notwendigkeit, an den kategorischen Imperativ zu erinnern, Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe, ist mehr als beängstigend.

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