Freitag, März 21, 2008

Diplomatie allein wird die iranische Bombe nicht stoppen

Michael Wolffsohn mit einem Positionspapier im Tagesspiegel zur militärischen Option gegen den Iran

Seine optimistische These, dass Angela Merkels uneingeschränktes Bekenntnis zur Sicherheit Israels eine Absicherung des Staates durch die Nato impliziere, ist aber so leicht wohl nicht aufrechtzuerhalten.


Gesagt, getan

Von Michael Wolffsohn
20.3.2008

Um die iranische Atombombe zu verhindern, muss Diplomatie um glaubhafte militärische Abschreckung ergänzt werden. Angela Merkel und der Iran: Das Wort der Kanzlerin gilt.

Angela Merkel hat vor der Knesset Ungewöhnliches gesagt. Durch ihr uneingeschränktes Bekenntnis zur Sicherheit Israels hat sie das Land in den Status eines Nato-Mitglieds erhoben.

Ihre Botschaft: Wer Israel angreift, greift Deutschland an. Konkret ist damit die atomare Bedrohung durch Teheran gemeint. Um die iranische Atombombe zu verhindern, muss Diplomatie jedoch um glaubhafte militärische Abschreckung ergänzt werden. Das sind die Gründe.

– Der Irak stand im Juni 1981 an der Schwelle zur Atommacht. Israelische Flugzeuge zerstörten die Atomanlagen. Ein Zivilist wurde dabei getötet. 1991 wurde Israel von irakischen Raketen getroffen. Atomar bestückt waren sie nicht, denn dazu war Saddams Irak nicht mehr in der Lage.

– Syriens Versuch atomarer Aufrüstung mit nordkoreanischer Hilfe hat Israel am 9. September 2007 vereitelt. Wenige Flugzeuge reichten, kein Mensch wurde getötet. Syriens Präsident verstand und streckte Friedensfühler aus: glaubhafte Abschreckung.

– Ähnlich wirkte das Instrument gegenüber dem atomar aufrüstenden Libyen. Die USA zeigten Entschlossenheit. Libyen rüstet jetzt atomar ab.

– Glaubhafte militärische Abschreckung plus Diplomatie plus Lebensmittelhilfe plus Energie für Nordkorea. Das war die US-Politik. Sie scheint zur atomaren Abrüstung Nordkoreas zu führen.

Viermal glaubhafte militärische Abschreckung, viermal atomare Abrüstung. Alles spricht also für dieses Erfolgsrezept. Braucht der Iran Atomwaffen? Am Anfang war der Kampf ums Dasein. Saddam Hussein hatte im September 1980 den Iran brutal überfallen. Der Westen schaute zu und half dem Irak. Das Überleben Irans stand von 1980 bis 1988 auf des Messers Schneide. In dieser Situation entschied Teheran: Atombomben!

Wie das in seiner Existenz ebenfalls bedrohte Israel, setzte der Iran für den Notfall auf Atom. Wie bei Israel galt das Motto: Wenn wir untergehen, gehen die Angreifer mit uns.

Israels strategische Situation hat sich nicht geändert, wohl aber die iranische. Heute will kein Staat der Region den Iran auslöschen. Deshalb braucht der Iran die Atombombe nicht.

Manche meinen: Einen Regimewechsel wollten die USA, um über Marionetten mit der Bevölkerung Irans zu kooperieren. Das ist falsch, denn ein militärisch herbeigeführter Regimewechsel erobert zwar das Land, aber nicht die Herzen und Köpfe der Menschen. Das beweist der Irak seit 2003.

Ist der Iran gefährdet? Ja. Wo und von wem? Von den unzufriedenen, modernen Mittelschichten und seinen großen Minderheiten. Der Iran ist ein Vielvölkerstaat, und er ist islamisch geteilt. Hier Schiiten, dort Sunniten. Gegen diese innenpolitischen Bedrohungen hilft Teheran nur Politik, keine Bombe und kein Satellit, der militärisch nutzbar ist. Fazit: Teheran braucht keine Atomwaffen, und die friedliche Nutzung der Kernenergie ist eher ein Thema deutscher Innenpolitik.

Hat der Iran Atomwaffen? Noch nicht. Er kann sie bald haben. Die US-Geheimdienste sagen, der Iran habe die militärische Entwicklung seines Atomprogramms im Herbst 2003 unterbrochen. Unterbrochen, nicht beendet.

Die Internationale Atomenergiebehörde hat jüngst aus Wien erklärt, der Verdacht bestehe weiter, dass der Iran nuklear rüste. Noch eindeutiger bestehen die israelischen Dienste darauf. Hysterie, sagen manche. Juden und Israelis erinnern an Hitlers „Mein Kampf“. Vor 1933 hatten „aufgeklärte“ Deutsche beruhigt: Alles werde nicht so heiß gegessen wie gekocht. Danach kam der Holocaust. Die Reichweite iranischer Raketen beträgt heute rund 2000 Kilometer. Gegen Israel reicht Kürzeres. Wen will der Iran angreifen: Europa oder Amerika?

Eine Mixtur aus Diplomatie und glaubhafter Abschreckung gegen den Iran wäre nötig. Die Diplomaten sprechen längst. Was passiert noch? Die EU plant die Erdgaspipeline Nabucco von Zentralasien und dem Iran nach Europa. Weniger Abhängigkeit von Russland ist das Ziel, mehr Abhängigkeit vom Iran das Ergebnis.

Es gibt Indizien, dass die USA und Israel aufständische Guerillas in Kurdistan und Belutschistan unterstützen. Das Signal an Teheran ist klar: Wenn ihr nicht atomar abrüstet, rüsten wir die Guerillas gegen euch auf und starten eventuelle Kommandoaktionen. Nicht wir explodieren, ihr implodiert.

Wenn Teheran diese Doppelstrategie aus Diplomatie und Implosion nicht versteht, muss die glaubhafte Abschreckung gesteigert werden, ohne dass die Drohung gleich umgesetzt wird.

Luftangriffe gegen militärische Ziele im Iran müssen eine glaubwürdige Option sein. Die Luftangriffe zerstören die Anlagen nicht, lähmen sie aber befristet. Das bringt Zeit und Chancen für neue Abrüstungsdiplomatie.

Was passiert, wenn die Iraner beschließen, Israel mit Raketen zu beschießen, möglicherweise biologisch oder chemisch bestückten? Was passiert, wenn der Iran Syrien reaktiviert sowie die Hisbollah im Libanon und die Gaza-Hamas und Terroristen weltweit? Diese Eskalation wäre Selbstmord für den Iran und seine Partner.

Wenn der Iran Atombomben hat, wäre auch dies möglich: ein atomarer Erstschlag gegen Israel. Doch Israel hat Zweitschlagsfähigkeiten mit fünf U-Booten made in Germany. CDU/CSU, FDP und SPD trugen diese Politik seit 1991, die Grünen torpedierten neue Lieferungen auch in der Regierungsverantwortung, nur Joschka Fischer war dafür.

Weiter gilt das Primat der Politik. Das hat auch die Kanzlerin betont. Und sie hat ebenfalls die Frage beantwortet, ob das Atomprogramm des Iran mit allen Mitteln gestoppt werden muss. Ja, mit allen Mitteln.

Der Autor lehrt Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 20.03.2008)

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