Sonntag, Januar 03, 2010

Kurze Anmerkung zur "Reformierbarkeit" des Islam

Nasrin Amirsedghi hat bei Thomas Eppinger* einen sehr guten Beitrag eingestellt, der sich mit der "Reformierbarkeit" des Islam bzw. der aus ihm abgeleiteten politischen Systeme befasst. (Bildquelle: WDR)

Ich möchte mich dennoch ganz kurz mit einer, wie ich denke, entscheidenden Aussage befassen, die Nasrin gleich zu Beginn trifft:


Der Islam und insbesondere die Verfassung der islamischen Republik Iran, die im Kontext des Koran begründet wird, ist mit Demokratie und Menschenrechten nicht vereinbar.

Das stimmt zweifellos, und im vorliegenden Beispiel Iran erst recht, wenn man davon ausgeht, dass der Islam bis in alle Ewigkeit nicht reformierbar wäre, sich konsequenterweise niemals einer säkularen Rechts- und Verfassungswirklichkeit bzw. -hoheit unterordnete.

Kleiner Einschub vorweg: Daniel Pipes hat in seiner
Diskussion mit Wafa Sultan aufgezeigt, wie wichtig es ist, diejenigen Muslime zu unterstützen, die innerhalb der islamischen Hemisphäre eine nach vorne gerichtete theologische - und somit politisch-juristische Diskussion anstoßen wollen. Wafa Sultan sieht weniger Möglichkeiten....

Nasrins Formulierung bezieht sich auf den Ist-Zustand

Ich wage die Behauptung, dass die gegenwärtig immer mehr zunehmende Fanatisierung der muslimischen Massen auch eine indirekte Botschaft enthält: Die islamische Theologie befindet sich in ihrer größten Legitimationskrise seit dem 11. Jahrhundert (Von systematisch betriebener Theologie konnte man vorher nicht sprechen). Oder wer hätte z.B noch vor 10 Jahren gedacht, dass konstruktive Islamkritik heute fast schon eine Selbstverständlichkeit ist?

Ich bin davon überzeugt, dass diese Entwicklung Rückwirkungen auf die intellektuelle Elite innerhalb der Umma auslösen wird. Allerdings wird es dazu einen sehr langen Atem brauchen, weil wir im Moment mittendrin stecken in der gefährlichsten Phase einer sich dahin schleppenden Agonie des Politischen Islam, in deren Verlauf den Hardliner-Apologeten (aktuell besonders im Iran) dämmert, dass ihnen die Felle davonschwimmen. Deshalb wüten sie auch bestialisch. Oder man denke an die seit Jahren immer häufiger begangenen Selbstmordanschläge: Wenn die Terroristen in einem Glauben ruhen würden, der ihnen Gelassenheit und Hoffnung vermittelte, also genau das Gegenteil von dem, was bei ihnen brutal zum Vorschein kommt, nämlich Wissen um die scheinbare Unentrinnbarkeit aus einer sklavischen Götzendienermentalität, die sie zu viehischen Schlächtern macht - wie sähe es dann in ihnen aus?

Wir im Westen sollten alles Menschenmögliche dazu beitragen, aufgeklärten Muslimen beizustehen, die in ihren Gesellschaften pluralistische und demokratische Strukturen durchsetzen wollen.

Zwei konkrete Beispiele, die sich aufeinander beziehen:

1) Wenn (mutige) Muslime fordern, dass der Koran exegetisch genauso kritisch behandelt wird wie die Bibel/Thora, also am Ist-Zustand ausgerichtet (Sitz im Leben) und einer ebenso ernsthaften historischen Selbstreflexion unterzogen wird, dann darf man diesen Leuten nicht Knüppel zwischen die Beine werfen, indem man sie mit Fundamentalisten oder scheinheiligen Rattenfängern wie Tarik Ramadan in einen Topf wirft. Damit würde man auch der eigenen Sache einen Bärendienst erweisen. Es wäre mehr als fahrlässig, ja geradezu töricht, denn die oft daran anknüpfende naive Illusion, "den" Islam irgendwie verbieten oder entsorgen zu können, wird sich nicht realisieren lassen**.

2) Wie etliche Leser wissen, hat die überwiegende Mehrheit der islamischen Staaten im Jahr 1990 die Kairoer Erklärung zu den islamischen Menschenrechten unterzeichnet, die im Wesentlichen Elemente der Scharia zur Richtschnur ihrer Inhalte herangezogen hatte. Und wie jeder vernünftige und einigermaßen klar denkende Mensch realisiert hat, versperrt diese Inkompatibiltät mit den universelllen Menschenrechten jeglichen demokratischen Fortschritt in besagten islamischen Ländern.

Und hier will ich noch einmal auf Punkt (1) zurückkommen: eine theologische Reformation, also eine konsequente Koran***-, Sunna-, Shia- und Hadithenanalyse wäre die Voraussetzung (!) für Veränderungen innerhalb der islamischen Staaten hin zu wahrhaft pluralistischen Gesellschaften, die ein Nebeneinander verschiedener Religionen, gesellschaftlicher Beteiligung und individueller Lebensentwürfe nicht nur tolerieren (das wäre zu schwach und Dhimmikultur), sondern ausdrücklich fördern und in ihren Verfassungen verankern würde.


Also, auf die Reihenfolge kommt es an: Ein konservativer Muslim wird sich nie von Schritt 2 überzeugen lassen, ohne dass er sein religiöses Fundament vorher einer gründlichen und ehrlichen Analyse unterzogen hat.

Nochmals: Es wird den langen Atem mehrerer Generationen brauchen, und viele von uns werden den Abschluss dieses Äonenwechsels, so nenne ich das einmal etwas pathetisch, nicht mehr erleben.
Vielleicht sind wir aber gerade jetzt Zeugen des Heraufziehens dieses Wechsels. Mitten in der Nacht ist schließlich auch näher dran am Sonnenaufgang des folgenden Tages als später Abend. Und Uhren gehen nie rückwärts. Das hat die Dimension Zeit so an sich.

Zur Vertiefung ins Thema sind diese beiden Texte zu empfehlen, die ich im Herbst 2007 hier veröffentlicht hatte:

Wiedergekäute heidnische Mythen
Islamische Apologetik


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*Auch bei Free Iran Now!

**Anders verhält es sich natürlich mit der konsequenen Anwendung der Gesetze bei islamistischen Umtrieben. Dass hier viel zu oft weggesehen wird wissen wir. Aber auch hier registriere ich mittlerweile mehr Wachsamkeit, wenn auch bei weitem nicht ausreichend.

***Ich weiß, beim Koran gestaltet sich dies eigentlich zu einer Sisyphusarbeit, weil schon die Herangehensweise an den arabischen Text einem Sakrileg gleicht, da Allah die direkte Ansprache an Mohammed in arabischer Sprache gerichtet hat, so die Überlieferung. Mittlerweile
gibt es jedoch auch von der arabischen Orthodoxie akzeptierte Übersetzungen, beispielsweise die von Adel Theodor Khoury, um nur eine zu nennen.

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