Montag, Januar 09, 2012

Causa Wulff und Forderung nach Pressefreiheit: Ein Abgrund an Heuchelei

Als ich vor einigen Tagen Henryk M. Broders Beitrag zum Thema las, war ich doch erstaunt. Er hatte den Bundespräsidenten mehr oder weniger direkt zum Rücktritt aufgefordert, obwohl er ihm politisch eher nahesteht.

Woher kommt diese Einstellung bzw. wie lässt sie sich im politischen Kontext einordnen?

Das kann ich natürlich nicht dezidiert bestimmen, aber man muss da sehr fein zwischen Journalisten wie Broder und denen der Mainstream-Presse unterscheiden, die aus politischen Erwägungen heraus ihre Angriffe starteten: Er sagt, was er denkt, unabhängig von seinen Auftraggebern oder er sucht sich - wie früher beim SPIEGEL - eine Nische, in der er journalistisch tätig sein kann.

Und damit komme ich zum eigentlichen Thema: Wann setzen sich deutsche Journalisten für Pressefreiheit ein und wann nicht, und welche Risiken sind sie bereit, dafür auf sich zu nehmen? Vielleicht, dass sie ihr zweites Paar Schuhe für einen Leitartikel opfern?

Wobei wir auch schon bei Gepflogenheiten in der arabischen Welt wären und deren Entsprechung in einer Unterwürfigkeitsgeste der westlichen Medien, sprich, der selbst auferlegten Schere im Kopf nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen im September 2005. Es geht nicht zuletzt um die Unglaubwürdigkeit derer, die heute lauthals Pressefreiheit einfordern, aber damals vor dem islamischen Mob kuschten, der sich weltweit in Gewaltorgien eben gegen diese Freiheit austobte.

Und nicht nur das: sie hatten offensiv gegen die Meinungsfreiheit des dänischen Jyllands Posten polemisiert, ohne dass sie selbst von islamischen Funktionären bei der Ausübung seines Rechts gehindert worden wären - vorauseilender Gehorsam sozusagen. Wer hatte eigentlich Georg Mascolo oder seinen Kollegen ein Messer an den Hals gesetzt, um sie zu einer freundlichen Berichterstattung über islamische Eiferer zu nötigen?


Worin besteht der Unterschied zwischen damals und heute?


Damals wurde das Recht auf Meinungsfreiheit dem Fetisch der angeblich zu schützenden Religionsfreiheit geopfert, weil man vor Feigheit schlicht in die Hosen geschissen hatte. Schon interessant, wie man den hehren Begriff 'Respekt' damals interpretiert hatte (Überbetonung eines bestimmten religiösen Anspruches) und heute postuliert (freie Berufsausübung der Medien).

Heute stellt sich die Situation so dar: ein waidwunder Bundespräsident zeigt Symptome politischer Inkontinenz und wird deshalb von den Mainstream-Medien erst recht aufs Korn genommen. Dabei strotzt die überwiegende Mehrheit der deutschen Journalisten nur so vor Mut, dass sie beinahe platzt.

Was soll man von einer Journaille halten, die ihre „Zivilcourage“ für investigativen Journalismus erst und nur dann entdeckt, wenn es für sie ungefährlich ist? Und wie kann man als Journalist der Tagespresse von moralischen Kategorien sprechen, wenn man nicht einmal in der Lage ist, sich für die redaktionelle Freiheit eines dänischen Karikaturisten einzusetzen?

Pfui Teufel!

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